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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Stückchen zu erwähnen, hat neulich ein strebsamer jüngerer Curatus, Herr
Cichon -- wohlbemerkt mit dem echt polnischen n zu schreiben, damit man
sogleich sehe, wohin er gehören will -- in einem wesentlich deutschen Städt¬
chen, Kreuzburg, den seit langer Zeit dort üblichen Gebrauch der deutschen
Sprache beim Gottesdienst abgeschafft und polnisch dafür substituirt. Alle
Klagen der armen deutschen Katholiken bei dem deutschen Bischof von Bres-
lau haben bis jetzt nichts gefruchtet. Sie sollen sich gewöhnen, die Begriffe
deutsch und katholisch als unvereinbar zu empfinden und es ist leider nicht
zu zweifeln, daß sie unter dem Drucke einer systematischen Lüge und Verhetzung
von Seite ihrer Seelsorger, es auch thun werden. Dieser eine Zug wird nur
den befremden, der überhaupt von der deutschen Gesinnung eines deutschen
Bischofs noch irgend etwas erwartet. Wir an Ort und Stelle haben uns
nicht gewundert, als wir neulich hörten, daß derselbe Breslauer Fürstbischof
einen der gefährlichsten und gewissenlosesten geistlichen Agitatoren der polnischen
Propaganda, der in der Diöcese Posen sich unmöglich gemacht hatte, in seine
Matrikel, in die eines wesentlich deutschen Bisthums, aufgenommen und nach
Oberschlesien instradirt hat. Was also selbst einem Ledochowski in Posen
zu arg wurde, das kann noch unter dem väterlichen Mantel des deutschgebo¬
renen Hrn. Heinrich Förster, Fürstbischofs von Breslau, auf Schutz und Be¬
förderung rechnen, wenn es nur gegen Preußen, gegen das Reich und gegen
die deutsche Nationalität Dienste leistet. Ob Herr Förster damit in Rom oder
vielmehr bei den wahren Herren des päpstlichen Roms und des Papstthums,
den Jesuiten vergessen machen will, was er als Mitglied der bischöflichen Op¬
position auf dem vaticanischen Concil verbrochen hat? Schien es doch eine
Zeit lang, als wenn er in eine Art von Gewissenskampf hineingerathen sei,
der ihm sein Amt verleidete -- ein seltener Anblick bei einem Würdenträger
der jesuitisch zugestutztem neukatholischen Hierarchie, sei es nun ein Caplan,
oder ein Cardinal, denn Gewissen und Gewissenskämpfe existiren bekanntlich
nur bei Ketzern oder solchen, die es werden wollen: für die Gläubigen giebt
es nur den Gehorsam, der stumm ist. Zur völligen Beruhigung des Bres¬
lauer Bischofs mag der Hinweis darauf dienen, daß es in den Augen der Je¬
suiten keine größeren und vollgültigeren Beweise ächt kirchlicher Gesinnung
giebt, als er sie durch seine systematische Verfolgung der deutschen Nationali¬
tät und der deutschen oder preußischen Gesinnung innerhalb des Clerus und
der Laienschaft seiner Diöcese in verschwenderischer Fülle liefert.

Der Breslauer Bischof konnte sich rühmen, daß die altkatholische Be¬
wegung bisher von seiner Diöcese so gut wie ferne geblieben sei. Dies wollte
um so mehr besagen, als einige ihrer hervorragendsten Leiter, wie der vor
Kurzem verstorbene d. h. von seinen geistlichen Amtsbrüdern zu Tode geär¬
gerte Baltzer und der rüstigste Vorkämpfer der guten Sache, Reinkens, dieser


Stückchen zu erwähnen, hat neulich ein strebsamer jüngerer Curatus, Herr
Cichon — wohlbemerkt mit dem echt polnischen n zu schreiben, damit man
sogleich sehe, wohin er gehören will — in einem wesentlich deutschen Städt¬
chen, Kreuzburg, den seit langer Zeit dort üblichen Gebrauch der deutschen
Sprache beim Gottesdienst abgeschafft und polnisch dafür substituirt. Alle
Klagen der armen deutschen Katholiken bei dem deutschen Bischof von Bres-
lau haben bis jetzt nichts gefruchtet. Sie sollen sich gewöhnen, die Begriffe
deutsch und katholisch als unvereinbar zu empfinden und es ist leider nicht
zu zweifeln, daß sie unter dem Drucke einer systematischen Lüge und Verhetzung
von Seite ihrer Seelsorger, es auch thun werden. Dieser eine Zug wird nur
den befremden, der überhaupt von der deutschen Gesinnung eines deutschen
Bischofs noch irgend etwas erwartet. Wir an Ort und Stelle haben uns
nicht gewundert, als wir neulich hörten, daß derselbe Breslauer Fürstbischof
einen der gefährlichsten und gewissenlosesten geistlichen Agitatoren der polnischen
Propaganda, der in der Diöcese Posen sich unmöglich gemacht hatte, in seine
Matrikel, in die eines wesentlich deutschen Bisthums, aufgenommen und nach
Oberschlesien instradirt hat. Was also selbst einem Ledochowski in Posen
zu arg wurde, das kann noch unter dem väterlichen Mantel des deutschgebo¬
renen Hrn. Heinrich Förster, Fürstbischofs von Breslau, auf Schutz und Be¬
förderung rechnen, wenn es nur gegen Preußen, gegen das Reich und gegen
die deutsche Nationalität Dienste leistet. Ob Herr Förster damit in Rom oder
vielmehr bei den wahren Herren des päpstlichen Roms und des Papstthums,
den Jesuiten vergessen machen will, was er als Mitglied der bischöflichen Op¬
position auf dem vaticanischen Concil verbrochen hat? Schien es doch eine
Zeit lang, als wenn er in eine Art von Gewissenskampf hineingerathen sei,
der ihm sein Amt verleidete — ein seltener Anblick bei einem Würdenträger
der jesuitisch zugestutztem neukatholischen Hierarchie, sei es nun ein Caplan,
oder ein Cardinal, denn Gewissen und Gewissenskämpfe existiren bekanntlich
nur bei Ketzern oder solchen, die es werden wollen: für die Gläubigen giebt
es nur den Gehorsam, der stumm ist. Zur völligen Beruhigung des Bres¬
lauer Bischofs mag der Hinweis darauf dienen, daß es in den Augen der Je¬
suiten keine größeren und vollgültigeren Beweise ächt kirchlicher Gesinnung
giebt, als er sie durch seine systematische Verfolgung der deutschen Nationali¬
tät und der deutschen oder preußischen Gesinnung innerhalb des Clerus und
der Laienschaft seiner Diöcese in verschwenderischer Fülle liefert.

Der Breslauer Bischof konnte sich rühmen, daß die altkatholische Be¬
wegung bisher von seiner Diöcese so gut wie ferne geblieben sei. Dies wollte
um so mehr besagen, als einige ihrer hervorragendsten Leiter, wie der vor
Kurzem verstorbene d. h. von seinen geistlichen Amtsbrüdern zu Tode geär¬
gerte Baltzer und der rüstigste Vorkämpfer der guten Sache, Reinkens, dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/40>, abgerufen am 01.07.2024.