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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Der Sachverhalt an sich ist ziemlich einfach.

Die Bauernvereine verdanken ihren Ursprung wesentlich zwei ultramon¬
tanen Parteiführern, die in der Abgeordnetenkammer sich schon mehrfach
durch ihre Maßlosigkeit hervorgethan, dem Frhn. von Hafenbrädl und dem
Stadtpfarrer Pfahler. Ihr Zweck war kein anderer, als das Princip der
Association auch auf das bäuerliche Leben zu übertragen, das sich bisher dem
Vereinswesen ziemlich unzugänglich erwiesen hatte, um so einen mächtigen
Hebel für die klerikalen Zwecke und für den geistlichen Terrorismus zu schaffen.
So lange man lediglich dem Norddeutschen Bund gegenüberstand, war das
Hauptbestreben darauf gerichtet, den Geist des Particularismus zu schärfen,
jetzt nachdem die Politik des Reiches so entschieden gegen die kirchlichen Ueber¬
griffe auftritt, ist der katholische Charakter dieser Bereine in den Vordergrund
getreten. Indessen nahm ihr Einfluß bereits seit geraumer Zeit sehr merklich
ab; die Versammlungen wurden wenig besucht und endeten nicht selten mit
einem offenen Skandal; wiederholt sah sich die Regierung genöthigt, durch
amtliches Einschreiten den Schluß derselben zu erzwingen.

Und nun kommt noch der letzte tödtliche Stoß, der vom Bischof selber
ausgeht! Es ist richtig, der Bischof der niederbayrischen Diöcese, in welcher
die Bauernvereine allein festen Boden fanden, ist kein Mann von consequenten
Charakter; er hat sich abwechselnd durch großen Liberalismus und durch
ebenso großen Fanatismus bekannt gemacht; aber in dem vorliegenden Falle
verfolgt er ganz gewiß ein richtiges Princip. Denn nach seiner Ansicht führt
es zum moralischen und materiellen Ruin des Volkes, wenn der gemeine
Mann sich zum Werkzeug politischer Agitationen macht und daß dieß mit
den genannten Vereinen wirklich beabsichtigt wird, das weist er durch un-
widerlegliche Thatsachen nach. Um diesem Standpunkte Geltung zu verschaffen,
wird kein Mittel verabsäumt; ja der Bischof gründete sogar ein eigenes Blatt,
das diese specielle Mission verfolgt.

Natürlich fiel die Meute seiner Gegner in wildester Weise über ihn her,
allein auch die Regierung ward des Unwesens müde und veröffentlichte eine
kategorische Entschließung, die auf schärfere Überwachung jener Agitation
gerichtet war.

Zieht man aus alledem das Facit, so darf man wohl sagen, daß das
Capitel der "Bauernvereine" in den letzten Zügen liegt und .daß einer der
gefährlichsten Hebel, über welche die klerikale Parthei verfügt, zerbrochen ist.
Von beiden Seiten, sowohl von der weltlichen wie von der geistlichen Au¬
torität, werden jene Vereine bedrängt. Die Basis, auf welcher sie errichtet sind,
nämlich der Corporationsgeist des Bauernstandes hat sich als eine unrichtige
erwiesen und so haben sie einzig die Mission erfüllt, die tiefe Zerrissenheit
unter den Klerikalen von neuem zu besiegeln.


Der Sachverhalt an sich ist ziemlich einfach.

Die Bauernvereine verdanken ihren Ursprung wesentlich zwei ultramon¬
tanen Parteiführern, die in der Abgeordnetenkammer sich schon mehrfach
durch ihre Maßlosigkeit hervorgethan, dem Frhn. von Hafenbrädl und dem
Stadtpfarrer Pfahler. Ihr Zweck war kein anderer, als das Princip der
Association auch auf das bäuerliche Leben zu übertragen, das sich bisher dem
Vereinswesen ziemlich unzugänglich erwiesen hatte, um so einen mächtigen
Hebel für die klerikalen Zwecke und für den geistlichen Terrorismus zu schaffen.
So lange man lediglich dem Norddeutschen Bund gegenüberstand, war das
Hauptbestreben darauf gerichtet, den Geist des Particularismus zu schärfen,
jetzt nachdem die Politik des Reiches so entschieden gegen die kirchlichen Ueber¬
griffe auftritt, ist der katholische Charakter dieser Bereine in den Vordergrund
getreten. Indessen nahm ihr Einfluß bereits seit geraumer Zeit sehr merklich
ab; die Versammlungen wurden wenig besucht und endeten nicht selten mit
einem offenen Skandal; wiederholt sah sich die Regierung genöthigt, durch
amtliches Einschreiten den Schluß derselben zu erzwingen.

Und nun kommt noch der letzte tödtliche Stoß, der vom Bischof selber
ausgeht! Es ist richtig, der Bischof der niederbayrischen Diöcese, in welcher
die Bauernvereine allein festen Boden fanden, ist kein Mann von consequenten
Charakter; er hat sich abwechselnd durch großen Liberalismus und durch
ebenso großen Fanatismus bekannt gemacht; aber in dem vorliegenden Falle
verfolgt er ganz gewiß ein richtiges Princip. Denn nach seiner Ansicht führt
es zum moralischen und materiellen Ruin des Volkes, wenn der gemeine
Mann sich zum Werkzeug politischer Agitationen macht und daß dieß mit
den genannten Vereinen wirklich beabsichtigt wird, das weist er durch un-
widerlegliche Thatsachen nach. Um diesem Standpunkte Geltung zu verschaffen,
wird kein Mittel verabsäumt; ja der Bischof gründete sogar ein eigenes Blatt,
das diese specielle Mission verfolgt.

Natürlich fiel die Meute seiner Gegner in wildester Weise über ihn her,
allein auch die Regierung ward des Unwesens müde und veröffentlichte eine
kategorische Entschließung, die auf schärfere Überwachung jener Agitation
gerichtet war.

Zieht man aus alledem das Facit, so darf man wohl sagen, daß das
Capitel der „Bauernvereine" in den letzten Zügen liegt und .daß einer der
gefährlichsten Hebel, über welche die klerikale Parthei verfügt, zerbrochen ist.
Von beiden Seiten, sowohl von der weltlichen wie von der geistlichen Au¬
torität, werden jene Vereine bedrängt. Die Basis, auf welcher sie errichtet sind,
nämlich der Corporationsgeist des Bauernstandes hat sich als eine unrichtige
erwiesen und so haben sie einzig die Mission erfüllt, die tiefe Zerrissenheit
unter den Klerikalen von neuem zu besiegeln.


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[0397] Der Sachverhalt an sich ist ziemlich einfach. Die Bauernvereine verdanken ihren Ursprung wesentlich zwei ultramon¬ tanen Parteiführern, die in der Abgeordnetenkammer sich schon mehrfach durch ihre Maßlosigkeit hervorgethan, dem Frhn. von Hafenbrädl und dem Stadtpfarrer Pfahler. Ihr Zweck war kein anderer, als das Princip der Association auch auf das bäuerliche Leben zu übertragen, das sich bisher dem Vereinswesen ziemlich unzugänglich erwiesen hatte, um so einen mächtigen Hebel für die klerikalen Zwecke und für den geistlichen Terrorismus zu schaffen. So lange man lediglich dem Norddeutschen Bund gegenüberstand, war das Hauptbestreben darauf gerichtet, den Geist des Particularismus zu schärfen, jetzt nachdem die Politik des Reiches so entschieden gegen die kirchlichen Ueber¬ griffe auftritt, ist der katholische Charakter dieser Bereine in den Vordergrund getreten. Indessen nahm ihr Einfluß bereits seit geraumer Zeit sehr merklich ab; die Versammlungen wurden wenig besucht und endeten nicht selten mit einem offenen Skandal; wiederholt sah sich die Regierung genöthigt, durch amtliches Einschreiten den Schluß derselben zu erzwingen. Und nun kommt noch der letzte tödtliche Stoß, der vom Bischof selber ausgeht! Es ist richtig, der Bischof der niederbayrischen Diöcese, in welcher die Bauernvereine allein festen Boden fanden, ist kein Mann von consequenten Charakter; er hat sich abwechselnd durch großen Liberalismus und durch ebenso großen Fanatismus bekannt gemacht; aber in dem vorliegenden Falle verfolgt er ganz gewiß ein richtiges Princip. Denn nach seiner Ansicht führt es zum moralischen und materiellen Ruin des Volkes, wenn der gemeine Mann sich zum Werkzeug politischer Agitationen macht und daß dieß mit den genannten Vereinen wirklich beabsichtigt wird, das weist er durch un- widerlegliche Thatsachen nach. Um diesem Standpunkte Geltung zu verschaffen, wird kein Mittel verabsäumt; ja der Bischof gründete sogar ein eigenes Blatt, das diese specielle Mission verfolgt. Natürlich fiel die Meute seiner Gegner in wildester Weise über ihn her, allein auch die Regierung ward des Unwesens müde und veröffentlichte eine kategorische Entschließung, die auf schärfere Überwachung jener Agitation gerichtet war. Zieht man aus alledem das Facit, so darf man wohl sagen, daß das Capitel der „Bauernvereine" in den letzten Zügen liegt und .daß einer der gefährlichsten Hebel, über welche die klerikale Parthei verfügt, zerbrochen ist. Von beiden Seiten, sowohl von der weltlichen wie von der geistlichen Au¬ torität, werden jene Vereine bedrängt. Die Basis, auf welcher sie errichtet sind, nämlich der Corporationsgeist des Bauernstandes hat sich als eine unrichtige erwiesen und so haben sie einzig die Mission erfüllt, die tiefe Zerrissenheit unter den Klerikalen von neuem zu besiegeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/397>, abgerufen am 24.07.2024.