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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Als Beispiele solcher verabscheuenswerten Fürsten führt Rosseus Philipp
August von Frankreich, Johann von England, Heinrich den Vierten von Frank¬
reich, die deutschen Kaiser Friedrich den Zweiten und Otto den Vierten, Sancho
von Portugal und zwei Könige von Schottland an.

Im Allgemeinen aber ist jeder Fürst nach dem Urtheile dieses Jesuiten
ein Ketzer, wenn er sich in kirchliche Angelegenheiten mischt, wenn er Ketzer,
die von den Bischöfen als solche verdammt worden sind, nicht aus der Kirche
treibt, wennn er (das möge man in München und an anderen katholischen
Höfen sich gesagt sein lassen; denn was Rosseus glaubt, glauben auch seine
heutigen Ordensgenossen) gestattet, daß Entscheidungen von Concilien (z. B.
die Unfehlbarkeit vom Juli 1870) wieder in Frage gezogen werden; ferner,
wenn er ketzerische Bücher nicht vertilgt, wenn er Versammlungen von Ketzern
(z. B. Altkatholiken) nicht hindert, wenn er seine Gesetze nicht nach den
Kirchensatzungen einrichtet (kein Concordat abschließt, welches diese Satzungen
respectirt, oder ein solches aufhebt), wenn er die Ausbreitung der Kirche nicht
unterstützt, wenn er sich weigert, die Decrete der Kirchenversammlungen zu
genehmigen und bekannt zu machen" (was seit 1870 auch dagewesen ist).
Alles das müssen die Fürsten leisten, wenn sie nicht in die Kategorie der
Ketzer fallen wollen. Versäumt ein König diese Pflichten, übertritt er diese
Gebote, so verliert er sofort sein königliches Recht und wird ein Tyrann, der
abgesetzt werden muß und, wenn wir's streng nehmen, vogelfrei wird.

Das Buch Mariana's lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit um so mehr
auf sich, als sich mit ziemlicher Sicherheit herausstellte, daß Element und Ra-
vaillac, sowie die Mörder der beiden Oranier mit den Jesuiten in Verbindung
gestanden hatten. Mariana's Schrift wurde auf Befehl des Pariser Parla¬
ments vom Henker verbrannt, und die allgemeine Entrüstung über diese und
andere Jesuitenmachwerke nöthigte den Ordensgeneral Aquaviva, 1614 in
einem Normativ zu erklären:


"As Zeiueeps societatis nostras roliZiosus xrg.osnmg.t iMrwa.rö, licitum
S88v umouiquv xersonae guoeunguv praotoxtu t^i'immüis reZes ant xrin-
eipes oeoiäore seu lnortvm eis inacliinari."

Aber diese Erklärung war mindestens ebenso gefährlich als die Ansicht,
gegen die sie erlassen wurde. Sie war echt jesuitisch abgefaßt. Der Ton liegt
auf unieuiyuö und quoeunCuL. Daß Niemand zum Fürstenmorde befugt sei.
Niemand aus irgend einem Grunde, lag nicht darin. Sie erlaubte nur nicht
Jedem, Könige und. Fürsten zu ermorden und nicht unter jedem Vorwande,
daß die Betreffenden Tyrannen seien.

Wir dürfen uns wohl weiterer Hinweise aus die Moral, die in unsern
Citatengruppen liegt, enthalten.




Als Beispiele solcher verabscheuenswerten Fürsten führt Rosseus Philipp
August von Frankreich, Johann von England, Heinrich den Vierten von Frank¬
reich, die deutschen Kaiser Friedrich den Zweiten und Otto den Vierten, Sancho
von Portugal und zwei Könige von Schottland an.

Im Allgemeinen aber ist jeder Fürst nach dem Urtheile dieses Jesuiten
ein Ketzer, wenn er sich in kirchliche Angelegenheiten mischt, wenn er Ketzer,
die von den Bischöfen als solche verdammt worden sind, nicht aus der Kirche
treibt, wennn er (das möge man in München und an anderen katholischen
Höfen sich gesagt sein lassen; denn was Rosseus glaubt, glauben auch seine
heutigen Ordensgenossen) gestattet, daß Entscheidungen von Concilien (z. B.
die Unfehlbarkeit vom Juli 1870) wieder in Frage gezogen werden; ferner,
wenn er ketzerische Bücher nicht vertilgt, wenn er Versammlungen von Ketzern
(z. B. Altkatholiken) nicht hindert, wenn er seine Gesetze nicht nach den
Kirchensatzungen einrichtet (kein Concordat abschließt, welches diese Satzungen
respectirt, oder ein solches aufhebt), wenn er die Ausbreitung der Kirche nicht
unterstützt, wenn er sich weigert, die Decrete der Kirchenversammlungen zu
genehmigen und bekannt zu machen" (was seit 1870 auch dagewesen ist).
Alles das müssen die Fürsten leisten, wenn sie nicht in die Kategorie der
Ketzer fallen wollen. Versäumt ein König diese Pflichten, übertritt er diese
Gebote, so verliert er sofort sein königliches Recht und wird ein Tyrann, der
abgesetzt werden muß und, wenn wir's streng nehmen, vogelfrei wird.

Das Buch Mariana's lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit um so mehr
auf sich, als sich mit ziemlicher Sicherheit herausstellte, daß Element und Ra-
vaillac, sowie die Mörder der beiden Oranier mit den Jesuiten in Verbindung
gestanden hatten. Mariana's Schrift wurde auf Befehl des Pariser Parla¬
ments vom Henker verbrannt, und die allgemeine Entrüstung über diese und
andere Jesuitenmachwerke nöthigte den Ordensgeneral Aquaviva, 1614 in
einem Normativ zu erklären:


„As Zeiueeps societatis nostras roliZiosus xrg.osnmg.t iMrwa.rö, licitum
S88v umouiquv xersonae guoeunguv praotoxtu t^i'immüis reZes ant xrin-
eipes oeoiäore seu lnortvm eis inacliinari."

Aber diese Erklärung war mindestens ebenso gefährlich als die Ansicht,
gegen die sie erlassen wurde. Sie war echt jesuitisch abgefaßt. Der Ton liegt
auf unieuiyuö und quoeunCuL. Daß Niemand zum Fürstenmorde befugt sei.
Niemand aus irgend einem Grunde, lag nicht darin. Sie erlaubte nur nicht
Jedem, Könige und. Fürsten zu ermorden und nicht unter jedem Vorwande,
daß die Betreffenden Tyrannen seien.

Wir dürfen uns wohl weiterer Hinweise aus die Moral, die in unsern
Citatengruppen liegt, enthalten.




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[0387] Als Beispiele solcher verabscheuenswerten Fürsten führt Rosseus Philipp August von Frankreich, Johann von England, Heinrich den Vierten von Frank¬ reich, die deutschen Kaiser Friedrich den Zweiten und Otto den Vierten, Sancho von Portugal und zwei Könige von Schottland an. Im Allgemeinen aber ist jeder Fürst nach dem Urtheile dieses Jesuiten ein Ketzer, wenn er sich in kirchliche Angelegenheiten mischt, wenn er Ketzer, die von den Bischöfen als solche verdammt worden sind, nicht aus der Kirche treibt, wennn er (das möge man in München und an anderen katholischen Höfen sich gesagt sein lassen; denn was Rosseus glaubt, glauben auch seine heutigen Ordensgenossen) gestattet, daß Entscheidungen von Concilien (z. B. die Unfehlbarkeit vom Juli 1870) wieder in Frage gezogen werden; ferner, wenn er ketzerische Bücher nicht vertilgt, wenn er Versammlungen von Ketzern (z. B. Altkatholiken) nicht hindert, wenn er seine Gesetze nicht nach den Kirchensatzungen einrichtet (kein Concordat abschließt, welches diese Satzungen respectirt, oder ein solches aufhebt), wenn er die Ausbreitung der Kirche nicht unterstützt, wenn er sich weigert, die Decrete der Kirchenversammlungen zu genehmigen und bekannt zu machen" (was seit 1870 auch dagewesen ist). Alles das müssen die Fürsten leisten, wenn sie nicht in die Kategorie der Ketzer fallen wollen. Versäumt ein König diese Pflichten, übertritt er diese Gebote, so verliert er sofort sein königliches Recht und wird ein Tyrann, der abgesetzt werden muß und, wenn wir's streng nehmen, vogelfrei wird. Das Buch Mariana's lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit um so mehr auf sich, als sich mit ziemlicher Sicherheit herausstellte, daß Element und Ra- vaillac, sowie die Mörder der beiden Oranier mit den Jesuiten in Verbindung gestanden hatten. Mariana's Schrift wurde auf Befehl des Pariser Parla¬ ments vom Henker verbrannt, und die allgemeine Entrüstung über diese und andere Jesuitenmachwerke nöthigte den Ordensgeneral Aquaviva, 1614 in einem Normativ zu erklären: „As Zeiueeps societatis nostras roliZiosus xrg.osnmg.t iMrwa.rö, licitum S88v umouiquv xersonae guoeunguv praotoxtu t^i'immüis reZes ant xrin- eipes oeoiäore seu lnortvm eis inacliinari." Aber diese Erklärung war mindestens ebenso gefährlich als die Ansicht, gegen die sie erlassen wurde. Sie war echt jesuitisch abgefaßt. Der Ton liegt auf unieuiyuö und quoeunCuL. Daß Niemand zum Fürstenmorde befugt sei. Niemand aus irgend einem Grunde, lag nicht darin. Sie erlaubte nur nicht Jedem, Könige und. Fürsten zu ermorden und nicht unter jedem Vorwande, daß die Betreffenden Tyrannen seien. Wir dürfen uns wohl weiterer Hinweise aus die Moral, die in unsern Citatengruppen liegt, enthalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/387>, abgerufen am 30.06.2024.