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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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An einer andern Stelle lesen wir bei Pater Rosseus: "Die eigentliche
königliche Macht wird erst verliehen in dem feierlichen Act der Krönung durch
die Bischöfe (die ihm also diese nur zu verweigern brauchen, um sein Recht
auf den Antritt der Regierung illusorisch zu machen); nicht aber gebührt sie
ihm von Natur oder durch Abkunft. Ganz augenfällig besteht zwischen den
christlichen Königen und Völkern eine Festsetzung, ein Abkommen oder Ver¬
trag (da hätten wir wörtlich den contrat social des Philosophen im Schlo߬
park von Montmorency), wodurch zuerst der König sich verpflichtet, gerecht
und christlich zu regieren, dann das Volk, in rechtmäßigen Dingen zu ge¬
horchen. Durch diese Eide und die der Königsherrschaft angehängten Bedin¬
gungen sind die Regierungen aller christlichen Völker den Gesetzen der Gerech¬
tigkeit, Billigkeit, vorzüglich aber denen der Religion und des Glaubens
so unterworfen, daß, sowie der König ihretwegen vom Volke mit der könig¬
lichen Macht bekleidet wird, er auch, falls sie fehlen, nicht in Wahrheit König
genannt werden darf, sondern es nur dem Namen nach ist, wie ein Bild aus
Erz oder ein Gemälde, das einen Menschen darstellt, auch wohl Mensch hei¬
ßen mag."

"Wer da leugnet, daß Reiche und Herrschaften aus gerechten Gründen
von den alten regierenden Häusern auf neue übertragen werden können,
(Rosseus hat dabei offenbar den Führer der katholischen Ligue, für die er
schrieb, den Herzog von Mayenne oder den König von Spanien im Auge,
der erweislich nach der Krone Heinrich des Vierten strebte) wer den christ¬
lichen Völkern die Verpflichtung auferlegt, nimmer denen zu gehorchen, welche
sie einmal an die Spitze gestellt haben, der ist nicht nur ein Verräther der
christlichen Völker und Könige und mit Recht der Majestätsbeleidigung
(nach dem Zusammenhange der Beleidigung der Majestät des Volkes, der
Verletzung der Volkssouveränetät) schuldig, sondern er muß auch wie ein Ke¬
tzer angeklagt und zur Hölle verdammt werden, als ein Feind des Christen¬
thums und christlichen Glaubens, als ein Beleidiger der göttlichen Majestät."

So lesen wir wörtlich im zweiten von den elf Capiteln der genannten
Schrift, Seite 84. Den Schluß des auch sonst vielfach interessanten Kapitels
aber bildet folgende Stelle:

"Aus dem, was bisher über den Ursprung und die Gewalt der Könige
gesagt ist, ergiebt sich, daß die Gewalt aller christlichen Könige beschränkt ist.
und daß sie den einzelnen Gliedern des Staates sowie dem Ganzen desselben
in der Art vorgesetzt sind, daß das Volk ihre Macht erweitern, beschränken,
verändern, ja, wenn es die Umstände verlangen, von Grund aus aufheben
und eine andere Regierungsform an ihre Stelle setzen kann. Dieß alles haben
wir hinreichend bewiesen durch den Ausspruch der Natur des Völkerrechts,
durch die Einrichtungen des Christenthumes, die Bestimmungen der Concilien,
die Statuten der Reichsversammlungen, und diese Beweise werden genügend


Grcnzl'öden IV. 1872. 47

An einer andern Stelle lesen wir bei Pater Rosseus: „Die eigentliche
königliche Macht wird erst verliehen in dem feierlichen Act der Krönung durch
die Bischöfe (die ihm also diese nur zu verweigern brauchen, um sein Recht
auf den Antritt der Regierung illusorisch zu machen); nicht aber gebührt sie
ihm von Natur oder durch Abkunft. Ganz augenfällig besteht zwischen den
christlichen Königen und Völkern eine Festsetzung, ein Abkommen oder Ver¬
trag (da hätten wir wörtlich den contrat social des Philosophen im Schlo߬
park von Montmorency), wodurch zuerst der König sich verpflichtet, gerecht
und christlich zu regieren, dann das Volk, in rechtmäßigen Dingen zu ge¬
horchen. Durch diese Eide und die der Königsherrschaft angehängten Bedin¬
gungen sind die Regierungen aller christlichen Völker den Gesetzen der Gerech¬
tigkeit, Billigkeit, vorzüglich aber denen der Religion und des Glaubens
so unterworfen, daß, sowie der König ihretwegen vom Volke mit der könig¬
lichen Macht bekleidet wird, er auch, falls sie fehlen, nicht in Wahrheit König
genannt werden darf, sondern es nur dem Namen nach ist, wie ein Bild aus
Erz oder ein Gemälde, das einen Menschen darstellt, auch wohl Mensch hei¬
ßen mag."

„Wer da leugnet, daß Reiche und Herrschaften aus gerechten Gründen
von den alten regierenden Häusern auf neue übertragen werden können,
(Rosseus hat dabei offenbar den Führer der katholischen Ligue, für die er
schrieb, den Herzog von Mayenne oder den König von Spanien im Auge,
der erweislich nach der Krone Heinrich des Vierten strebte) wer den christ¬
lichen Völkern die Verpflichtung auferlegt, nimmer denen zu gehorchen, welche
sie einmal an die Spitze gestellt haben, der ist nicht nur ein Verräther der
christlichen Völker und Könige und mit Recht der Majestätsbeleidigung
(nach dem Zusammenhange der Beleidigung der Majestät des Volkes, der
Verletzung der Volkssouveränetät) schuldig, sondern er muß auch wie ein Ke¬
tzer angeklagt und zur Hölle verdammt werden, als ein Feind des Christen¬
thums und christlichen Glaubens, als ein Beleidiger der göttlichen Majestät."

So lesen wir wörtlich im zweiten von den elf Capiteln der genannten
Schrift, Seite 84. Den Schluß des auch sonst vielfach interessanten Kapitels
aber bildet folgende Stelle:

„Aus dem, was bisher über den Ursprung und die Gewalt der Könige
gesagt ist, ergiebt sich, daß die Gewalt aller christlichen Könige beschränkt ist.
und daß sie den einzelnen Gliedern des Staates sowie dem Ganzen desselben
in der Art vorgesetzt sind, daß das Volk ihre Macht erweitern, beschränken,
verändern, ja, wenn es die Umstände verlangen, von Grund aus aufheben
und eine andere Regierungsform an ihre Stelle setzen kann. Dieß alles haben
wir hinreichend bewiesen durch den Ausspruch der Natur des Völkerrechts,
durch die Einrichtungen des Christenthumes, die Bestimmungen der Concilien,
die Statuten der Reichsversammlungen, und diese Beweise werden genügend


Grcnzl'öden IV. 1872. 47
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[0377] An einer andern Stelle lesen wir bei Pater Rosseus: „Die eigentliche königliche Macht wird erst verliehen in dem feierlichen Act der Krönung durch die Bischöfe (die ihm also diese nur zu verweigern brauchen, um sein Recht auf den Antritt der Regierung illusorisch zu machen); nicht aber gebührt sie ihm von Natur oder durch Abkunft. Ganz augenfällig besteht zwischen den christlichen Königen und Völkern eine Festsetzung, ein Abkommen oder Ver¬ trag (da hätten wir wörtlich den contrat social des Philosophen im Schlo߬ park von Montmorency), wodurch zuerst der König sich verpflichtet, gerecht und christlich zu regieren, dann das Volk, in rechtmäßigen Dingen zu ge¬ horchen. Durch diese Eide und die der Königsherrschaft angehängten Bedin¬ gungen sind die Regierungen aller christlichen Völker den Gesetzen der Gerech¬ tigkeit, Billigkeit, vorzüglich aber denen der Religion und des Glaubens so unterworfen, daß, sowie der König ihretwegen vom Volke mit der könig¬ lichen Macht bekleidet wird, er auch, falls sie fehlen, nicht in Wahrheit König genannt werden darf, sondern es nur dem Namen nach ist, wie ein Bild aus Erz oder ein Gemälde, das einen Menschen darstellt, auch wohl Mensch hei¬ ßen mag." „Wer da leugnet, daß Reiche und Herrschaften aus gerechten Gründen von den alten regierenden Häusern auf neue übertragen werden können, (Rosseus hat dabei offenbar den Führer der katholischen Ligue, für die er schrieb, den Herzog von Mayenne oder den König von Spanien im Auge, der erweislich nach der Krone Heinrich des Vierten strebte) wer den christ¬ lichen Völkern die Verpflichtung auferlegt, nimmer denen zu gehorchen, welche sie einmal an die Spitze gestellt haben, der ist nicht nur ein Verräther der christlichen Völker und Könige und mit Recht der Majestätsbeleidigung (nach dem Zusammenhange der Beleidigung der Majestät des Volkes, der Verletzung der Volkssouveränetät) schuldig, sondern er muß auch wie ein Ke¬ tzer angeklagt und zur Hölle verdammt werden, als ein Feind des Christen¬ thums und christlichen Glaubens, als ein Beleidiger der göttlichen Majestät." So lesen wir wörtlich im zweiten von den elf Capiteln der genannten Schrift, Seite 84. Den Schluß des auch sonst vielfach interessanten Kapitels aber bildet folgende Stelle: „Aus dem, was bisher über den Ursprung und die Gewalt der Könige gesagt ist, ergiebt sich, daß die Gewalt aller christlichen Könige beschränkt ist. und daß sie den einzelnen Gliedern des Staates sowie dem Ganzen desselben in der Art vorgesetzt sind, daß das Volk ihre Macht erweitern, beschränken, verändern, ja, wenn es die Umstände verlangen, von Grund aus aufheben und eine andere Regierungsform an ihre Stelle setzen kann. Dieß alles haben wir hinreichend bewiesen durch den Ausspruch der Natur des Völkerrechts, durch die Einrichtungen des Christenthumes, die Bestimmungen der Concilien, die Statuten der Reichsversammlungen, und diese Beweise werden genügend Grcnzl'öden IV. 1872. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/377>, abgerufen am 22.07.2024.