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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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drücken abgefaßte Gutheißung seines Provinzials vorgedruckt ist, fast alle Fragen
der modernen Politik über die Collisionen zwischen Volks- und Fürstenrecht
behandelt und ausnahmslos gegen das letztere entschieden. Das Volk kann
nach ihm die höchste Gewalt an Einen oder Mehrere übertragen, es steht bei
dem Belieben des Volkes, neue Könige zu machen, es kann einem Fürsten
wegen Tyrannei oder Vernachlässigung seiner Pflichten, seine Vollmacht ent¬
ziehen und ihn absetzen, es ist stets befugt, die Folgen der Regierung zu ändern
und nur darin durch göttliches Recht gebunden, daß es niemals einen ketzerischen
König zulassen darf. Man begegnet in der genannten Schrift folgenden
Aussprüchen:

"Die zu große Macht der Könige und der Sklavensinn der Völker, welche
der Willkür ihrer Fürsten schmeichelten und nachgaben, hat (die eigentlich nach
Todesfällen von Königen eintreten sollende Berechtigung des Volkes, nach
Belieben den Nachfolger zu ernennen, abgeschafft und) die Erbfolge eingeführt."
Dieselbe möge auch, so fährt unser Jesuit fort, für die Ruhe der Staaten
gut sein, und ferner könnten die Fehler eines Erbfürsten, zumal in zartem
Alter, durch eine geeignete Erziehung beseitigt werden. "Gelingt das aber
nicht", heißt es weiter, "so muß das Volk darüber hinwegsehen, so lange das
öffentliche Wohl es erlaubt und die verderbten Sitten des Fürsten nur Privat¬
sachen betreffen. Gefährdet er jedoch dadurch das Wohl des Staates, ver¬
achtet er die väterliche Nation, will er sich nicht bessern, so muß man ihn
meines Erachtens absetzen und einen andern an seine Stelle bringen, was in
Spanien häusig geschehen ist. Wie ein reißendes Thier muß er durch Aller
Geschosse angegriffen werden, weil er unmenschlich und ein Tyrann ge¬
worden ist."

"Die Gesetze der Erbfolge müssen durchaus fest sein, und Keinem darf zu¬
stehen, ohne den Willen des Volkes daran etwas zu ändern; denn vom Volke
sind die Rechte der Herrschaft abhängig. Wenn aber an der Art der Erbfolge
etwas umgestaltet werden soll, so gebührt dieß dem Volke; denn was. um des
gemeinen Besten willen durch Uebereinstimmung Aller bestimmt worden ist,
warum sollte das nicht durch den nämlichen Willen des Volkes wieder umge¬
ändert werden können?"

Ein guter König ist nach Mariana ein solcher, der "sich nicht für den
Herrn des Staates und der Einzelnen ansieht, sondern nur für einen Vorstand,
der von Bürgern besoldet wird." "Wenn sie ihm Widerstand leisten, so werden
wir vielmehr ihrem Ausspruche als dem Willen des Königs beitreten. Dieß
gilt, wenn die Rede davon ist, Abgaben aufzulegen, Gesetze zu heben, einen
Nachfolger zu krönen oder die Erbfolge zu übertragen. Denn das sind Sachen
die auch das Volk, nicht blos den König angehen. Wie könnte ferner ein
Volk seinen König, wenn er durch böse Sitten den Staat mißhandelt und in
einen offenbaren Tyrannen ausartet, züchtigen, ihn der Herrschaft berauben


drücken abgefaßte Gutheißung seines Provinzials vorgedruckt ist, fast alle Fragen
der modernen Politik über die Collisionen zwischen Volks- und Fürstenrecht
behandelt und ausnahmslos gegen das letztere entschieden. Das Volk kann
nach ihm die höchste Gewalt an Einen oder Mehrere übertragen, es steht bei
dem Belieben des Volkes, neue Könige zu machen, es kann einem Fürsten
wegen Tyrannei oder Vernachlässigung seiner Pflichten, seine Vollmacht ent¬
ziehen und ihn absetzen, es ist stets befugt, die Folgen der Regierung zu ändern
und nur darin durch göttliches Recht gebunden, daß es niemals einen ketzerischen
König zulassen darf. Man begegnet in der genannten Schrift folgenden
Aussprüchen:

„Die zu große Macht der Könige und der Sklavensinn der Völker, welche
der Willkür ihrer Fürsten schmeichelten und nachgaben, hat (die eigentlich nach
Todesfällen von Königen eintreten sollende Berechtigung des Volkes, nach
Belieben den Nachfolger zu ernennen, abgeschafft und) die Erbfolge eingeführt."
Dieselbe möge auch, so fährt unser Jesuit fort, für die Ruhe der Staaten
gut sein, und ferner könnten die Fehler eines Erbfürsten, zumal in zartem
Alter, durch eine geeignete Erziehung beseitigt werden. „Gelingt das aber
nicht", heißt es weiter, „so muß das Volk darüber hinwegsehen, so lange das
öffentliche Wohl es erlaubt und die verderbten Sitten des Fürsten nur Privat¬
sachen betreffen. Gefährdet er jedoch dadurch das Wohl des Staates, ver¬
achtet er die väterliche Nation, will er sich nicht bessern, so muß man ihn
meines Erachtens absetzen und einen andern an seine Stelle bringen, was in
Spanien häusig geschehen ist. Wie ein reißendes Thier muß er durch Aller
Geschosse angegriffen werden, weil er unmenschlich und ein Tyrann ge¬
worden ist."

„Die Gesetze der Erbfolge müssen durchaus fest sein, und Keinem darf zu¬
stehen, ohne den Willen des Volkes daran etwas zu ändern; denn vom Volke
sind die Rechte der Herrschaft abhängig. Wenn aber an der Art der Erbfolge
etwas umgestaltet werden soll, so gebührt dieß dem Volke; denn was. um des
gemeinen Besten willen durch Uebereinstimmung Aller bestimmt worden ist,
warum sollte das nicht durch den nämlichen Willen des Volkes wieder umge¬
ändert werden können?"

Ein guter König ist nach Mariana ein solcher, der „sich nicht für den
Herrn des Staates und der Einzelnen ansieht, sondern nur für einen Vorstand,
der von Bürgern besoldet wird." „Wenn sie ihm Widerstand leisten, so werden
wir vielmehr ihrem Ausspruche als dem Willen des Königs beitreten. Dieß
gilt, wenn die Rede davon ist, Abgaben aufzulegen, Gesetze zu heben, einen
Nachfolger zu krönen oder die Erbfolge zu übertragen. Denn das sind Sachen
die auch das Volk, nicht blos den König angehen. Wie könnte ferner ein
Volk seinen König, wenn er durch böse Sitten den Staat mißhandelt und in
einen offenbaren Tyrannen ausartet, züchtigen, ihn der Herrschaft berauben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/374>, abgerufen am 22.07.2024.