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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Kein Geld , keine Schweizer! Keine Unterwerfung unter die Curie,
keine Unterstützung durch die Jesuiten. Wer die Selbstständigkeit der katho¬
lischen Kirche gegenüber dem Staate, d. h. das Recht derselben, sich in dessen
Angelegenheiten zu mischen, dessen Gesetze und Freiheiten nach Belieben für
nicht vorhanden anzusehen, anerkennt, dem steht man zu Diensten, wer
nicht, dem nicht.

In diesem Sinne war gemeint, was der bedrängte Papst in der Allocu-
tion vom 17. September 1860 zu den Fürsten sagte: "Möchten sie doch
endlich sich überzeugen, daß die katholische Religion allein die Lehrerin der
Wahrheit, die Erzieherin aller Tugenden ist, und daß in ihr allein das Heil
und die Unversehrtheit des Staates beruht." Und so ist der oratorische
Seufzer zu verstehen, mit welchem am 13. September 1864 ein Bischof die
katholische Generalversammlung zu Würzburg schloß: "Ja, was wäre es,
wenn die ganze Welt katholisch (soll heißen: dem Willen des Papstes Unter¬
than) wäre! Dann würden die Altäre heilig gehalten, die Throne ständen
unerschütterlich fest, die Werkstätten wären dem Herrn geweiht, die Verhält¬
nisse des Staates im Großen, der Familie im Kleinen vom vierten Gebote
beherrscht." Der Vater wäre Herr im Hause, der Fürst Herr im Lande, und
der -- Papst Herr über die Fürstenfamilie und über die Welt. Das ist das
Ideal des Redners, der ultramontanen Armee, in deren Namen er spricht,
und der Garde dieser Armee, der Gesellschaft Jesu.

Die Jesuiten kämpfen für den Absolutismus der Fürsten nur, wo er
ihnen zum Absolutismus des Papstes zu helfen verheißt. Allerdings nennen
sie das Kind nicht beim rechten Namen, nennen sie es Freiheit der Kirche.
Aber worin besteht diese angebliche Freiheit? Hase") hat es uns schon 1868
gesagt: "In der Freiheit, die künstigen Cleriker abgeschlossen von der natio¬
nalen Bildung und vom Lichtstrom der Wissenschaft in bischöflichen Semina¬
rien zu erziehen, in der Freiheit der Bischöfe, diese Cleriker in unbedingtem
Gehorsam zu erhalten, in der Freiheit des Papstes, nur Bischöfe desselben
Gehorsams zu dulden und durch sie der Kirche seine Willkür zum Gesetz zu
machen, endlich in der Freiheit der gesammten Priesterschaft die Gewissen der
Laien zu beherrschen und mitunter ein Landesgesetz ungestraft oder doch mit
dem Ruhme eines bescheidenen Märtyrerthums zu übertreten. Was man die
Freiheit der katholischen Kirche genannt hat, war die Unfreiheit des katholi¬
schen Volkes.

Am schamlosesten hat der berühmte Cardinal Bellarmin "*) diese Pseudo-
freiheit mit den Worten definirt: "Wenn der Papst irrte, indem er Laster
lehrte und Tugenden verböte, so würde die Kirche gehalten sein, zu glauben.




^ Handbuch der prvtcstaniische" Pvlcmie. S. 025.
") In seiner Schrift: vo Kom-mo l'olltiüvv IV. 5.

Kein Geld , keine Schweizer! Keine Unterwerfung unter die Curie,
keine Unterstützung durch die Jesuiten. Wer die Selbstständigkeit der katho¬
lischen Kirche gegenüber dem Staate, d. h. das Recht derselben, sich in dessen
Angelegenheiten zu mischen, dessen Gesetze und Freiheiten nach Belieben für
nicht vorhanden anzusehen, anerkennt, dem steht man zu Diensten, wer
nicht, dem nicht.

In diesem Sinne war gemeint, was der bedrängte Papst in der Allocu-
tion vom 17. September 1860 zu den Fürsten sagte: „Möchten sie doch
endlich sich überzeugen, daß die katholische Religion allein die Lehrerin der
Wahrheit, die Erzieherin aller Tugenden ist, und daß in ihr allein das Heil
und die Unversehrtheit des Staates beruht." Und so ist der oratorische
Seufzer zu verstehen, mit welchem am 13. September 1864 ein Bischof die
katholische Generalversammlung zu Würzburg schloß: „Ja, was wäre es,
wenn die ganze Welt katholisch (soll heißen: dem Willen des Papstes Unter¬
than) wäre! Dann würden die Altäre heilig gehalten, die Throne ständen
unerschütterlich fest, die Werkstätten wären dem Herrn geweiht, die Verhält¬
nisse des Staates im Großen, der Familie im Kleinen vom vierten Gebote
beherrscht." Der Vater wäre Herr im Hause, der Fürst Herr im Lande, und
der — Papst Herr über die Fürstenfamilie und über die Welt. Das ist das
Ideal des Redners, der ultramontanen Armee, in deren Namen er spricht,
und der Garde dieser Armee, der Gesellschaft Jesu.

Die Jesuiten kämpfen für den Absolutismus der Fürsten nur, wo er
ihnen zum Absolutismus des Papstes zu helfen verheißt. Allerdings nennen
sie das Kind nicht beim rechten Namen, nennen sie es Freiheit der Kirche.
Aber worin besteht diese angebliche Freiheit? Hase") hat es uns schon 1868
gesagt: „In der Freiheit, die künstigen Cleriker abgeschlossen von der natio¬
nalen Bildung und vom Lichtstrom der Wissenschaft in bischöflichen Semina¬
rien zu erziehen, in der Freiheit der Bischöfe, diese Cleriker in unbedingtem
Gehorsam zu erhalten, in der Freiheit des Papstes, nur Bischöfe desselben
Gehorsams zu dulden und durch sie der Kirche seine Willkür zum Gesetz zu
machen, endlich in der Freiheit der gesammten Priesterschaft die Gewissen der
Laien zu beherrschen und mitunter ein Landesgesetz ungestraft oder doch mit
dem Ruhme eines bescheidenen Märtyrerthums zu übertreten. Was man die
Freiheit der katholischen Kirche genannt hat, war die Unfreiheit des katholi¬
schen Volkes.

Am schamlosesten hat der berühmte Cardinal Bellarmin "*) diese Pseudo-
freiheit mit den Worten definirt: „Wenn der Papst irrte, indem er Laster
lehrte und Tugenden verböte, so würde die Kirche gehalten sein, zu glauben.




^ Handbuch der prvtcstaniische» Pvlcmie. S. 025.
") In seiner Schrift: vo Kom-mo l'olltiüvv IV. 5.
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[0371] Kein Geld , keine Schweizer! Keine Unterwerfung unter die Curie, keine Unterstützung durch die Jesuiten. Wer die Selbstständigkeit der katho¬ lischen Kirche gegenüber dem Staate, d. h. das Recht derselben, sich in dessen Angelegenheiten zu mischen, dessen Gesetze und Freiheiten nach Belieben für nicht vorhanden anzusehen, anerkennt, dem steht man zu Diensten, wer nicht, dem nicht. In diesem Sinne war gemeint, was der bedrängte Papst in der Allocu- tion vom 17. September 1860 zu den Fürsten sagte: „Möchten sie doch endlich sich überzeugen, daß die katholische Religion allein die Lehrerin der Wahrheit, die Erzieherin aller Tugenden ist, und daß in ihr allein das Heil und die Unversehrtheit des Staates beruht." Und so ist der oratorische Seufzer zu verstehen, mit welchem am 13. September 1864 ein Bischof die katholische Generalversammlung zu Würzburg schloß: „Ja, was wäre es, wenn die ganze Welt katholisch (soll heißen: dem Willen des Papstes Unter¬ than) wäre! Dann würden die Altäre heilig gehalten, die Throne ständen unerschütterlich fest, die Werkstätten wären dem Herrn geweiht, die Verhält¬ nisse des Staates im Großen, der Familie im Kleinen vom vierten Gebote beherrscht." Der Vater wäre Herr im Hause, der Fürst Herr im Lande, und der — Papst Herr über die Fürstenfamilie und über die Welt. Das ist das Ideal des Redners, der ultramontanen Armee, in deren Namen er spricht, und der Garde dieser Armee, der Gesellschaft Jesu. Die Jesuiten kämpfen für den Absolutismus der Fürsten nur, wo er ihnen zum Absolutismus des Papstes zu helfen verheißt. Allerdings nennen sie das Kind nicht beim rechten Namen, nennen sie es Freiheit der Kirche. Aber worin besteht diese angebliche Freiheit? Hase") hat es uns schon 1868 gesagt: „In der Freiheit, die künstigen Cleriker abgeschlossen von der natio¬ nalen Bildung und vom Lichtstrom der Wissenschaft in bischöflichen Semina¬ rien zu erziehen, in der Freiheit der Bischöfe, diese Cleriker in unbedingtem Gehorsam zu erhalten, in der Freiheit des Papstes, nur Bischöfe desselben Gehorsams zu dulden und durch sie der Kirche seine Willkür zum Gesetz zu machen, endlich in der Freiheit der gesammten Priesterschaft die Gewissen der Laien zu beherrschen und mitunter ein Landesgesetz ungestraft oder doch mit dem Ruhme eines bescheidenen Märtyrerthums zu übertreten. Was man die Freiheit der katholischen Kirche genannt hat, war die Unfreiheit des katholi¬ schen Volkes. Am schamlosesten hat der berühmte Cardinal Bellarmin "*) diese Pseudo- freiheit mit den Worten definirt: „Wenn der Papst irrte, indem er Laster lehrte und Tugenden verböte, so würde die Kirche gehalten sein, zu glauben. ^ Handbuch der prvtcstaniische» Pvlcmie. S. 025. ") In seiner Schrift: vo Kom-mo l'olltiüvv IV. 5.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/371>, abgerufen am 02.07.2024.