Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wesenen Bischöfe" aber äußert sich in der Sache folgendermaßen: "Man sagt
zwar, die Gesellschaft Jesu habe unmoralische und staatsgefährliche Grundsätze,
Diese Behauptung ist aber, so lange dieselbe nicht durch unwidersprechliche
Thatsachen erwiesen ist, was bekanntlich bisher nicht geschehen, eine Injurie
gegen die katholische Kirche und eine Unwahrheit. Die katholische Kirche
kann keinen Orden mit unmoralischen oder staatsgefährlichen Grundsätzen oder
Tendenzen in ihrem Schooße dulden. Der Jesuit ist ein katholischer Christ
und Priester wie jeder andere, dem Glauben, der Sittenlehre und den Gesetzen
der katholischen Kirche in Allem ohne jegliche Ausnahme unterworfen. Das
ist die Wahrheit, alles Andere ist Unwahrheit und Vorurtheil, und so lange
die katholische Kirche selbst ein Recht hat auf ihre christliche Ehre, hat sie
auch das Recht, zu fordern, daß man kein ihr angehöriges Institut, für wel¬
ches sie die Verantwortung trägt, als unmoralisch oder staatsgefährlich be¬
zeichne. Will aber behauptet werden, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft
Jesu sich des schweren Borwurfs der Jmmoralitcit und Staatsgefährlichkeit
schuldig gemacht haben, so fordert die Gerechtigkeit, daß auch der Einzelne
nicht verurtheilt werde, ohne vorhergegangene Untersuchung und Constatirung
der von ihm begangenen Schuld."

Prüfen wir jenes Lob der Gesellschaft Jesu und entsprechen wir der
Aufforderung der Bischöfe, die gegen dieselbe wegen staatsgefährlicher Lehren
erhobene Beschuldigung zu beweisen. Es wird nicht schwer halten, das Lob
mindestens sehr einzuschränken und die Beschuldigungen wenigstens in so weit
zu rechtfertigen, als sich darthun läßt, daß eine sehr erhebliche Anzahl jesuiti¬
scher Schriftsteller, darunter die angesehensten Moralisten des Ordens, ganz
entschieden revolutionäre Grundsätze, zum Theil mit einem dem Fanatismus
der Jacobiner und Communarden völlig ebenbürtigen Eifer, vorgetragen haben.

Zunächst allerdings ist zuzugeben, daß die katholische Kirche mit Einschluß
der Jesuiten seit dem Sturze des ersten Napoleon und^besonders in den Jah¬
ren der Restauration als Verbündete der legitimistischen Partei aufgetreten
und von dieser als solche willkommen geheißen und nach Kräften begünstigt
worden ist. Auch jetzt sehen wir jene Partei in enger Verbindung mit den
schwarzen Herren in Gens und Rom agitiren und conspiriren. Der verjagte
König von Neapel, der carlistische Prätendent in Spanien, Gras Chambord
und was sonst in die "alte gute Zeit" zurückwollte, sie alle sahen und sehen
in den Ultramontanen und Jesuiten höchst werthvolle Freunde und Gesiw
nungsgenossen, und zwar mit Recht. Aber der Legitimismus hat jene zu
Glaubensverwandten und Gehülfen nur insofern, nur deshalb, weil er mit
hum die Macht über die Völker theilen, ja weil er ihnen, weil er Rom die
oberste Stelle, die Macht auch über Fürst und Staat einräumen, weil er dem
Papst im Sinne des Syllabus gehorchen, weil er ihm zunächst zur Wieder¬
erlangung seiner weltlichen Krone verhelfen will.


wesenen Bischöfe" aber äußert sich in der Sache folgendermaßen: „Man sagt
zwar, die Gesellschaft Jesu habe unmoralische und staatsgefährliche Grundsätze,
Diese Behauptung ist aber, so lange dieselbe nicht durch unwidersprechliche
Thatsachen erwiesen ist, was bekanntlich bisher nicht geschehen, eine Injurie
gegen die katholische Kirche und eine Unwahrheit. Die katholische Kirche
kann keinen Orden mit unmoralischen oder staatsgefährlichen Grundsätzen oder
Tendenzen in ihrem Schooße dulden. Der Jesuit ist ein katholischer Christ
und Priester wie jeder andere, dem Glauben, der Sittenlehre und den Gesetzen
der katholischen Kirche in Allem ohne jegliche Ausnahme unterworfen. Das
ist die Wahrheit, alles Andere ist Unwahrheit und Vorurtheil, und so lange
die katholische Kirche selbst ein Recht hat auf ihre christliche Ehre, hat sie
auch das Recht, zu fordern, daß man kein ihr angehöriges Institut, für wel¬
ches sie die Verantwortung trägt, als unmoralisch oder staatsgefährlich be¬
zeichne. Will aber behauptet werden, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft
Jesu sich des schweren Borwurfs der Jmmoralitcit und Staatsgefährlichkeit
schuldig gemacht haben, so fordert die Gerechtigkeit, daß auch der Einzelne
nicht verurtheilt werde, ohne vorhergegangene Untersuchung und Constatirung
der von ihm begangenen Schuld."

Prüfen wir jenes Lob der Gesellschaft Jesu und entsprechen wir der
Aufforderung der Bischöfe, die gegen dieselbe wegen staatsgefährlicher Lehren
erhobene Beschuldigung zu beweisen. Es wird nicht schwer halten, das Lob
mindestens sehr einzuschränken und die Beschuldigungen wenigstens in so weit
zu rechtfertigen, als sich darthun läßt, daß eine sehr erhebliche Anzahl jesuiti¬
scher Schriftsteller, darunter die angesehensten Moralisten des Ordens, ganz
entschieden revolutionäre Grundsätze, zum Theil mit einem dem Fanatismus
der Jacobiner und Communarden völlig ebenbürtigen Eifer, vorgetragen haben.

Zunächst allerdings ist zuzugeben, daß die katholische Kirche mit Einschluß
der Jesuiten seit dem Sturze des ersten Napoleon und^besonders in den Jah¬
ren der Restauration als Verbündete der legitimistischen Partei aufgetreten
und von dieser als solche willkommen geheißen und nach Kräften begünstigt
worden ist. Auch jetzt sehen wir jene Partei in enger Verbindung mit den
schwarzen Herren in Gens und Rom agitiren und conspiriren. Der verjagte
König von Neapel, der carlistische Prätendent in Spanien, Gras Chambord
und was sonst in die „alte gute Zeit" zurückwollte, sie alle sahen und sehen
in den Ultramontanen und Jesuiten höchst werthvolle Freunde und Gesiw
nungsgenossen, und zwar mit Recht. Aber der Legitimismus hat jene zu
Glaubensverwandten und Gehülfen nur insofern, nur deshalb, weil er mit
hum die Macht über die Völker theilen, ja weil er ihnen, weil er Rom die
oberste Stelle, die Macht auch über Fürst und Staat einräumen, weil er dem
Papst im Sinne des Syllabus gehorchen, weil er ihm zunächst zur Wieder¬
erlangung seiner weltlichen Krone verhelfen will.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128824"/>
          <p xml:id="ID_1176" prev="#ID_1175"> wesenen Bischöfe" aber äußert sich in der Sache folgendermaßen: &#x201E;Man sagt<lb/>
zwar, die Gesellschaft Jesu habe unmoralische und staatsgefährliche Grundsätze,<lb/>
Diese Behauptung ist aber, so lange dieselbe nicht durch unwidersprechliche<lb/>
Thatsachen erwiesen ist, was bekanntlich bisher nicht geschehen, eine Injurie<lb/>
gegen die katholische Kirche und eine Unwahrheit. Die katholische Kirche<lb/>
kann keinen Orden mit unmoralischen oder staatsgefährlichen Grundsätzen oder<lb/>
Tendenzen in ihrem Schooße dulden. Der Jesuit ist ein katholischer Christ<lb/>
und Priester wie jeder andere, dem Glauben, der Sittenlehre und den Gesetzen<lb/>
der katholischen Kirche in Allem ohne jegliche Ausnahme unterworfen. Das<lb/>
ist die Wahrheit, alles Andere ist Unwahrheit und Vorurtheil, und so lange<lb/>
die katholische Kirche selbst ein Recht hat auf ihre christliche Ehre, hat sie<lb/>
auch das Recht, zu fordern, daß man kein ihr angehöriges Institut, für wel¬<lb/>
ches sie die Verantwortung trägt, als unmoralisch oder staatsgefährlich be¬<lb/>
zeichne. Will aber behauptet werden, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft<lb/>
Jesu sich des schweren Borwurfs der Jmmoralitcit und Staatsgefährlichkeit<lb/>
schuldig gemacht haben, so fordert die Gerechtigkeit, daß auch der Einzelne<lb/>
nicht verurtheilt werde, ohne vorhergegangene Untersuchung und Constatirung<lb/>
der von ihm begangenen Schuld."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1177"> Prüfen wir jenes Lob der Gesellschaft Jesu und entsprechen wir der<lb/>
Aufforderung der Bischöfe, die gegen dieselbe wegen staatsgefährlicher Lehren<lb/>
erhobene Beschuldigung zu beweisen. Es wird nicht schwer halten, das Lob<lb/>
mindestens sehr einzuschränken und die Beschuldigungen wenigstens in so weit<lb/>
zu rechtfertigen, als sich darthun läßt, daß eine sehr erhebliche Anzahl jesuiti¬<lb/>
scher Schriftsteller, darunter die angesehensten Moralisten des Ordens, ganz<lb/>
entschieden revolutionäre Grundsätze, zum Theil mit einem dem Fanatismus<lb/>
der Jacobiner und Communarden völlig ebenbürtigen Eifer, vorgetragen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1178"> Zunächst allerdings ist zuzugeben, daß die katholische Kirche mit Einschluß<lb/>
der Jesuiten seit dem Sturze des ersten Napoleon und^besonders in den Jah¬<lb/>
ren der Restauration als Verbündete der legitimistischen Partei aufgetreten<lb/>
und von dieser als solche willkommen geheißen und nach Kräften begünstigt<lb/>
worden ist. Auch jetzt sehen wir jene Partei in enger Verbindung mit den<lb/>
schwarzen Herren in Gens und Rom agitiren und conspiriren. Der verjagte<lb/>
König von Neapel, der carlistische Prätendent in Spanien, Gras Chambord<lb/>
und was sonst in die &#x201E;alte gute Zeit" zurückwollte, sie alle sahen und sehen<lb/>
in den Ultramontanen und Jesuiten höchst werthvolle Freunde und Gesiw<lb/>
nungsgenossen, und zwar mit Recht. Aber der Legitimismus hat jene zu<lb/>
Glaubensverwandten und Gehülfen nur insofern, nur deshalb, weil er mit<lb/>
hum die Macht über die Völker theilen, ja weil er ihnen, weil er Rom die<lb/>
oberste Stelle, die Macht auch über Fürst und Staat einräumen, weil er dem<lb/>
Papst im Sinne des Syllabus gehorchen, weil er ihm zunächst zur Wieder¬<lb/>
erlangung seiner weltlichen Krone verhelfen will.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] wesenen Bischöfe" aber äußert sich in der Sache folgendermaßen: „Man sagt zwar, die Gesellschaft Jesu habe unmoralische und staatsgefährliche Grundsätze, Diese Behauptung ist aber, so lange dieselbe nicht durch unwidersprechliche Thatsachen erwiesen ist, was bekanntlich bisher nicht geschehen, eine Injurie gegen die katholische Kirche und eine Unwahrheit. Die katholische Kirche kann keinen Orden mit unmoralischen oder staatsgefährlichen Grundsätzen oder Tendenzen in ihrem Schooße dulden. Der Jesuit ist ein katholischer Christ und Priester wie jeder andere, dem Glauben, der Sittenlehre und den Gesetzen der katholischen Kirche in Allem ohne jegliche Ausnahme unterworfen. Das ist die Wahrheit, alles Andere ist Unwahrheit und Vorurtheil, und so lange die katholische Kirche selbst ein Recht hat auf ihre christliche Ehre, hat sie auch das Recht, zu fordern, daß man kein ihr angehöriges Institut, für wel¬ ches sie die Verantwortung trägt, als unmoralisch oder staatsgefährlich be¬ zeichne. Will aber behauptet werden, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft Jesu sich des schweren Borwurfs der Jmmoralitcit und Staatsgefährlichkeit schuldig gemacht haben, so fordert die Gerechtigkeit, daß auch der Einzelne nicht verurtheilt werde, ohne vorhergegangene Untersuchung und Constatirung der von ihm begangenen Schuld." Prüfen wir jenes Lob der Gesellschaft Jesu und entsprechen wir der Aufforderung der Bischöfe, die gegen dieselbe wegen staatsgefährlicher Lehren erhobene Beschuldigung zu beweisen. Es wird nicht schwer halten, das Lob mindestens sehr einzuschränken und die Beschuldigungen wenigstens in so weit zu rechtfertigen, als sich darthun läßt, daß eine sehr erhebliche Anzahl jesuiti¬ scher Schriftsteller, darunter die angesehensten Moralisten des Ordens, ganz entschieden revolutionäre Grundsätze, zum Theil mit einem dem Fanatismus der Jacobiner und Communarden völlig ebenbürtigen Eifer, vorgetragen haben. Zunächst allerdings ist zuzugeben, daß die katholische Kirche mit Einschluß der Jesuiten seit dem Sturze des ersten Napoleon und^besonders in den Jah¬ ren der Restauration als Verbündete der legitimistischen Partei aufgetreten und von dieser als solche willkommen geheißen und nach Kräften begünstigt worden ist. Auch jetzt sehen wir jene Partei in enger Verbindung mit den schwarzen Herren in Gens und Rom agitiren und conspiriren. Der verjagte König von Neapel, der carlistische Prätendent in Spanien, Gras Chambord und was sonst in die „alte gute Zeit" zurückwollte, sie alle sahen und sehen in den Ultramontanen und Jesuiten höchst werthvolle Freunde und Gesiw nungsgenossen, und zwar mit Recht. Aber der Legitimismus hat jene zu Glaubensverwandten und Gehülfen nur insofern, nur deshalb, weil er mit hum die Macht über die Völker theilen, ja weil er ihnen, weil er Rom die oberste Stelle, die Macht auch über Fürst und Staat einräumen, weil er dem Papst im Sinne des Syllabus gehorchen, weil er ihm zunächst zur Wieder¬ erlangung seiner weltlichen Krone verhelfen will.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/370
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/370>, abgerufen am 30.06.2024.