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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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unserer Ueberschrift ausreichen, um Herrn Constantin Frantz einer vorbedachten
Verwirrung zu bezüchtigen. Vielmehr wiederholen wir hiermit nochmals aus¬
drücklich: Herr Constantin Frantz hat weder direct noch indirect sich an dem
Thurmbau zu Babel und an der hieraus resultirenden babylonischen Ver¬
wirrung betheiligt, sondern nur dieses verhängnißvolle Ereigniß in unmittel¬
bare Beziehungen zu unserem Zeitalter gesetzt. Herr Constantin Frantz ist
also gleichsam der "Gründer" und Vorsitzende im Verwaltungsrath bei jenem
Unternehmen, welches sich die Ausbeutung der babylonischen Verwirrung in
unserer Zeit zum Ziel gesetzt hat. Alles nämlich, was die Welsen, die rothe
und schwarze Internationale, die Polen, die Kreuzzeitungsritter und verwandte
Geister irgend genirt, hat Gott der Herr ausdrücklich mit seinem Zorn und
Fluch belegt und zwar bei Gelegenheit des Thurmbaues von Babel. Um
deßwillen sind die heutigen Nationen und vor allem die Nationalitätsbestre¬
bungen unseres Jahrhunderts auch geradezu des Teufels und danken keines¬
wegs Gottes Willen, sondern seiner bei dem großen Zorne fast unbegreiflichen
Langmuth ihr augenblickliches, aber natürlich nur ephemeres Bestehen. Das
entdeckt zu haben, ist das große Verdienst des Herrn Constantin Frantz. Er
ist über die Anschauungen des Himmels offenbar gut inspirirt. Hören wir
ihn also selbst.

Die Beziehungen des Herrn Constantin Frantz zur babylonischen Ver¬
wirrung finden wir aufgezeichnet in dem -- natürlich bei Noßberg in Leipzig
-- vor Kurzem erschienenen Büchlein: "Die Religion des National¬
liberalismus." Dieses Opus hat das mit allen Constantin Frantz'schen
Schriftwerken gemein, daß es eigentlich von allem Andern mehr redet, als
von dem, was sein Titel besagt. Wir erfahren nämlich keineswegs etwa
daraus, was der Herr Verfasser unter "Nationalliberalismus" oder unter
dessen "Religion" versteht. Ferner hat diese Schrift mit allen Constantin
Frantz'schen Schriften gemein, daß sie mit einer "Einleitung" anfängt, welche
sich vom Schluß und der Mitte nur dadurch unterscheidet, daß sie zufällig
an den Anfang gedruckt ist, unmittelbar hinter die "Druckfehler, welche von
dem Leser zu verbessern sind", und unter denen namentlich auf S. 216 Z.
von unten die Lesart "Sonnenschein" statt "Mondenschein" viel zum Ver¬
ständniß des Ganzen beiträgt. Der Stil des Herrn Constantin Frantz hat
sich glücklicherweise auch nicht verleugnet -- es ist der gedruckte Ewald, wie
es ihn sprechert, wie er leibt und lebt. Und nicht minder hat der Verfasser
auch hier sein ungewöhnliches Talent geübt, hochmoderne Stoffe zu einem
ansäuerlichen Ragout einzuschlachten und sie auf dem nicht mehr ungewöhn¬
lichen Wege des allgemeinen Salats bis zur Unkenntlichkeit zu versetzen. Die
Betrachtungen nämlich, welche Herr Constantin Frantz an das "Priesterstraf¬
gesetz", "Kirche und Staat", "das Schulaufsichtsgesetz", "die Botschaft in


Grenzboten 1872. IV. 44

unserer Ueberschrift ausreichen, um Herrn Constantin Frantz einer vorbedachten
Verwirrung zu bezüchtigen. Vielmehr wiederholen wir hiermit nochmals aus¬
drücklich: Herr Constantin Frantz hat weder direct noch indirect sich an dem
Thurmbau zu Babel und an der hieraus resultirenden babylonischen Ver¬
wirrung betheiligt, sondern nur dieses verhängnißvolle Ereigniß in unmittel¬
bare Beziehungen zu unserem Zeitalter gesetzt. Herr Constantin Frantz ist
also gleichsam der „Gründer" und Vorsitzende im Verwaltungsrath bei jenem
Unternehmen, welches sich die Ausbeutung der babylonischen Verwirrung in
unserer Zeit zum Ziel gesetzt hat. Alles nämlich, was die Welsen, die rothe
und schwarze Internationale, die Polen, die Kreuzzeitungsritter und verwandte
Geister irgend genirt, hat Gott der Herr ausdrücklich mit seinem Zorn und
Fluch belegt und zwar bei Gelegenheit des Thurmbaues von Babel. Um
deßwillen sind die heutigen Nationen und vor allem die Nationalitätsbestre¬
bungen unseres Jahrhunderts auch geradezu des Teufels und danken keines¬
wegs Gottes Willen, sondern seiner bei dem großen Zorne fast unbegreiflichen
Langmuth ihr augenblickliches, aber natürlich nur ephemeres Bestehen. Das
entdeckt zu haben, ist das große Verdienst des Herrn Constantin Frantz. Er
ist über die Anschauungen des Himmels offenbar gut inspirirt. Hören wir
ihn also selbst.

Die Beziehungen des Herrn Constantin Frantz zur babylonischen Ver¬
wirrung finden wir aufgezeichnet in dem — natürlich bei Noßberg in Leipzig
— vor Kurzem erschienenen Büchlein: „Die Religion des National¬
liberalismus." Dieses Opus hat das mit allen Constantin Frantz'schen
Schriftwerken gemein, daß es eigentlich von allem Andern mehr redet, als
von dem, was sein Titel besagt. Wir erfahren nämlich keineswegs etwa
daraus, was der Herr Verfasser unter „Nationalliberalismus" oder unter
dessen „Religion" versteht. Ferner hat diese Schrift mit allen Constantin
Frantz'schen Schriften gemein, daß sie mit einer „Einleitung" anfängt, welche
sich vom Schluß und der Mitte nur dadurch unterscheidet, daß sie zufällig
an den Anfang gedruckt ist, unmittelbar hinter die „Druckfehler, welche von
dem Leser zu verbessern sind", und unter denen namentlich auf S. 216 Z.
von unten die Lesart „Sonnenschein" statt „Mondenschein" viel zum Ver¬
ständniß des Ganzen beiträgt. Der Stil des Herrn Constantin Frantz hat
sich glücklicherweise auch nicht verleugnet — es ist der gedruckte Ewald, wie
es ihn sprechert, wie er leibt und lebt. Und nicht minder hat der Verfasser
auch hier sein ungewöhnliches Talent geübt, hochmoderne Stoffe zu einem
ansäuerlichen Ragout einzuschlachten und sie auf dem nicht mehr ungewöhn¬
lichen Wege des allgemeinen Salats bis zur Unkenntlichkeit zu versetzen. Die
Betrachtungen nämlich, welche Herr Constantin Frantz an das „Priesterstraf¬
gesetz", „Kirche und Staat", „das Schulaufsichtsgesetz", „die Botschaft in


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[0353] unserer Ueberschrift ausreichen, um Herrn Constantin Frantz einer vorbedachten Verwirrung zu bezüchtigen. Vielmehr wiederholen wir hiermit nochmals aus¬ drücklich: Herr Constantin Frantz hat weder direct noch indirect sich an dem Thurmbau zu Babel und an der hieraus resultirenden babylonischen Ver¬ wirrung betheiligt, sondern nur dieses verhängnißvolle Ereigniß in unmittel¬ bare Beziehungen zu unserem Zeitalter gesetzt. Herr Constantin Frantz ist also gleichsam der „Gründer" und Vorsitzende im Verwaltungsrath bei jenem Unternehmen, welches sich die Ausbeutung der babylonischen Verwirrung in unserer Zeit zum Ziel gesetzt hat. Alles nämlich, was die Welsen, die rothe und schwarze Internationale, die Polen, die Kreuzzeitungsritter und verwandte Geister irgend genirt, hat Gott der Herr ausdrücklich mit seinem Zorn und Fluch belegt und zwar bei Gelegenheit des Thurmbaues von Babel. Um deßwillen sind die heutigen Nationen und vor allem die Nationalitätsbestre¬ bungen unseres Jahrhunderts auch geradezu des Teufels und danken keines¬ wegs Gottes Willen, sondern seiner bei dem großen Zorne fast unbegreiflichen Langmuth ihr augenblickliches, aber natürlich nur ephemeres Bestehen. Das entdeckt zu haben, ist das große Verdienst des Herrn Constantin Frantz. Er ist über die Anschauungen des Himmels offenbar gut inspirirt. Hören wir ihn also selbst. Die Beziehungen des Herrn Constantin Frantz zur babylonischen Ver¬ wirrung finden wir aufgezeichnet in dem — natürlich bei Noßberg in Leipzig — vor Kurzem erschienenen Büchlein: „Die Religion des National¬ liberalismus." Dieses Opus hat das mit allen Constantin Frantz'schen Schriftwerken gemein, daß es eigentlich von allem Andern mehr redet, als von dem, was sein Titel besagt. Wir erfahren nämlich keineswegs etwa daraus, was der Herr Verfasser unter „Nationalliberalismus" oder unter dessen „Religion" versteht. Ferner hat diese Schrift mit allen Constantin Frantz'schen Schriften gemein, daß sie mit einer „Einleitung" anfängt, welche sich vom Schluß und der Mitte nur dadurch unterscheidet, daß sie zufällig an den Anfang gedruckt ist, unmittelbar hinter die „Druckfehler, welche von dem Leser zu verbessern sind", und unter denen namentlich auf S. 216 Z. von unten die Lesart „Sonnenschein" statt „Mondenschein" viel zum Ver¬ ständniß des Ganzen beiträgt. Der Stil des Herrn Constantin Frantz hat sich glücklicherweise auch nicht verleugnet — es ist der gedruckte Ewald, wie es ihn sprechert, wie er leibt und lebt. Und nicht minder hat der Verfasser auch hier sein ungewöhnliches Talent geübt, hochmoderne Stoffe zu einem ansäuerlichen Ragout einzuschlachten und sie auf dem nicht mehr ungewöhn¬ lichen Wege des allgemeinen Salats bis zur Unkenntlichkeit zu versetzen. Die Betrachtungen nämlich, welche Herr Constantin Frantz an das „Priesterstraf¬ gesetz", „Kirche und Staat", „das Schulaufsichtsgesetz", „die Botschaft in Grenzboten 1872. IV. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/353>, abgerufen am 04.07.2024.