Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Aus der heiligen Gluth der Hingebung für König und Vaterland ward vor nun-
mehr 60 Jahren die Institution in Preußen geboren. Ein hoher sittlicher Gedanke
trug sie. Man begehrte als ernste Pflicht, was seit 1867 für die meisten europäischen
Länder in ein wohl paragraphirtes Recht verwandelt worden ist. Erst gab es in
Preußen Freiwillige, dann die Paragraphen. In den anderen großen Staaten, in
welchen die Militär-Gesetzgebung nach preußischem Muster umgewandelt wird, wächst
die Institution erst aus den Paragraphen heraus -- eS wird sich damit nothwendig
ein Unterschied zwischen Original und Copie herausstellen, der ebenso leicht zu begreifen,
als auch, wie z. B. in Oesterreich, recht erheblich fühlbar ist. In noch viel höherem
Grade wird das in Frankreich der Fall sein, wo die Zahl der Unterrichts - Anstalten,
welche die Berechtigung zum einjährigen Dienst gewähren können, eine außerordentlich
beschränkte sein soll und jener großartige Einfluß auf die Hebung der Volksbildung, den
wir in Preußen damit erzielt haben, dadurch vollständig fortfallen muß."

Die betreffenden Artikel lauten:

Art. 53. Den jungen Leuten, welche ihre Diplome als Laelwlioi's of lottres
und LaeliLliei's og sviLnoes erhalten haben, denen, welche der Centralschule der Künste
und Manufacturen, den nationalen Schulen der Künste und Gewerbe, dem Conser-
vatorium der Musik angehören oder für reif für die genannten Schulen erklärt worden
sind, den Zöglingen der nationalen Schule der Thierärzte und nationalen Ackerbau¬
schulen wird gestattet, vor der Ziehung, in der Landarmee bedingte Engagements von
einem Jahr, deren Modus durch ein Reglement bestimmt wird, einzugehen.

Art. 54. Abgesehen von den im vorstehenden Artikel bezeichneten jungen Leuten
können, um ein solches Engagement einzugehen, vor der Ziehung auch noch die zuge¬
lassen werden, welche eine der Prüfungen bestehen, die in den verschiedenen, vom Kriegs-
Minister veröffentlichten Programmen gefordert werden.

Art. 55. Der einjährige Freiwillige kleidet, equipirt und unterhält sich auf seine
Unkosten. Indeß kann der Kriegsminister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei
ihrer Prüfung Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den von dem Regle¬
ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten nachweisen, daß sie in der Unmöglichkeit sind, die aus
dem vorstehenden Artikel entspringenden Kosten zu bestreiten, theilweise oder ganz von
denselben entbinden.

Art. 56. Der einjährige Freiwillige ist allen Dienstverbindlichkeiten unterworfen,
welche den Leuten, die sich unter den Fahnen befinden, auferlegt sind. Er ist den von
dem Kriegsminister vorgeschriebenen Prüfungen unterworfen. Wenn nach einem
einjährigen Dienst der Freiwillige diese Prüfungen nicht besteht, so
ist er genöthigt, ein zweites Jahr unter den Bedingungen zu dienen,
welche das genannte Reglement festsetzt. Jedenfalls wird er in Kriegs-
zeiten im Dienst zurückgehalten werden. Die unter den Fahnen kraft des Freiwilligen-
Engagements verbrachte Zeit zählt in der Dauer des vom Artikel 36 des gegenwär¬
tigen Gesetzes geforderten Militärdienstes. Falls eine Mobilmachung eintritt, marschirt
der einjährige Freiwillige mit dem ersten Theile der Classe, der er durch sein Engage¬
ment angehört.


Grenzboten 1872. IV. 34

„Aus der heiligen Gluth der Hingebung für König und Vaterland ward vor nun-
mehr 60 Jahren die Institution in Preußen geboren. Ein hoher sittlicher Gedanke
trug sie. Man begehrte als ernste Pflicht, was seit 1867 für die meisten europäischen
Länder in ein wohl paragraphirtes Recht verwandelt worden ist. Erst gab es in
Preußen Freiwillige, dann die Paragraphen. In den anderen großen Staaten, in
welchen die Militär-Gesetzgebung nach preußischem Muster umgewandelt wird, wächst
die Institution erst aus den Paragraphen heraus — eS wird sich damit nothwendig
ein Unterschied zwischen Original und Copie herausstellen, der ebenso leicht zu begreifen,
als auch, wie z. B. in Oesterreich, recht erheblich fühlbar ist. In noch viel höherem
Grade wird das in Frankreich der Fall sein, wo die Zahl der Unterrichts - Anstalten,
welche die Berechtigung zum einjährigen Dienst gewähren können, eine außerordentlich
beschränkte sein soll und jener großartige Einfluß auf die Hebung der Volksbildung, den
wir in Preußen damit erzielt haben, dadurch vollständig fortfallen muß."

Die betreffenden Artikel lauten:

Art. 53. Den jungen Leuten, welche ihre Diplome als Laelwlioi's of lottres
und LaeliLliei's og sviLnoes erhalten haben, denen, welche der Centralschule der Künste
und Manufacturen, den nationalen Schulen der Künste und Gewerbe, dem Conser-
vatorium der Musik angehören oder für reif für die genannten Schulen erklärt worden
sind, den Zöglingen der nationalen Schule der Thierärzte und nationalen Ackerbau¬
schulen wird gestattet, vor der Ziehung, in der Landarmee bedingte Engagements von
einem Jahr, deren Modus durch ein Reglement bestimmt wird, einzugehen.

Art. 54. Abgesehen von den im vorstehenden Artikel bezeichneten jungen Leuten
können, um ein solches Engagement einzugehen, vor der Ziehung auch noch die zuge¬
lassen werden, welche eine der Prüfungen bestehen, die in den verschiedenen, vom Kriegs-
Minister veröffentlichten Programmen gefordert werden.

Art. 55. Der einjährige Freiwillige kleidet, equipirt und unterhält sich auf seine
Unkosten. Indeß kann der Kriegsminister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei
ihrer Prüfung Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den von dem Regle¬
ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten nachweisen, daß sie in der Unmöglichkeit sind, die aus
dem vorstehenden Artikel entspringenden Kosten zu bestreiten, theilweise oder ganz von
denselben entbinden.

Art. 56. Der einjährige Freiwillige ist allen Dienstverbindlichkeiten unterworfen,
welche den Leuten, die sich unter den Fahnen befinden, auferlegt sind. Er ist den von
dem Kriegsminister vorgeschriebenen Prüfungen unterworfen. Wenn nach einem
einjährigen Dienst der Freiwillige diese Prüfungen nicht besteht, so
ist er genöthigt, ein zweites Jahr unter den Bedingungen zu dienen,
welche das genannte Reglement festsetzt. Jedenfalls wird er in Kriegs-
zeiten im Dienst zurückgehalten werden. Die unter den Fahnen kraft des Freiwilligen-
Engagements verbrachte Zeit zählt in der Dauer des vom Artikel 36 des gegenwär¬
tigen Gesetzes geforderten Militärdienstes. Falls eine Mobilmachung eintritt, marschirt
der einjährige Freiwillige mit dem ersten Theile der Classe, der er durch sein Engage¬
ment angehört.


Grenzboten 1872. IV. 34
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128727"/>
            <p xml:id="ID_880"> &#x201E;Aus der heiligen Gluth der Hingebung für König und Vaterland ward vor nun-<lb/>
mehr 60 Jahren die Institution in Preußen geboren. Ein hoher sittlicher Gedanke<lb/>
trug sie. Man begehrte als ernste Pflicht, was seit 1867 für die meisten europäischen<lb/>
Länder in ein wohl paragraphirtes Recht verwandelt worden ist. Erst gab es in<lb/>
Preußen Freiwillige, dann die Paragraphen. In den anderen großen Staaten, in<lb/>
welchen die Militär-Gesetzgebung nach preußischem Muster umgewandelt wird, wächst<lb/>
die Institution erst aus den Paragraphen heraus &#x2014; eS wird sich damit nothwendig<lb/>
ein Unterschied zwischen Original und Copie herausstellen, der ebenso leicht zu begreifen,<lb/>
als auch, wie z. B. in Oesterreich, recht erheblich fühlbar ist. In noch viel höherem<lb/>
Grade wird das in Frankreich der Fall sein, wo die Zahl der Unterrichts - Anstalten,<lb/>
welche die Berechtigung zum einjährigen Dienst gewähren können, eine außerordentlich<lb/>
beschränkte sein soll und jener großartige Einfluß auf die Hebung der Volksbildung, den<lb/>
wir in Preußen damit erzielt haben, dadurch vollständig fortfallen muß."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_881"> Die betreffenden Artikel lauten:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_882"> Art. 53. Den jungen Leuten, welche ihre Diplome als Laelwlioi's of lottres<lb/>
und LaeliLliei's og sviLnoes erhalten haben, denen, welche der Centralschule der Künste<lb/>
und Manufacturen, den nationalen Schulen der Künste und Gewerbe, dem Conser-<lb/>
vatorium der Musik angehören oder für reif für die genannten Schulen erklärt worden<lb/>
sind, den Zöglingen der nationalen Schule der Thierärzte und nationalen Ackerbau¬<lb/>
schulen wird gestattet, vor der Ziehung, in der Landarmee bedingte Engagements von<lb/>
einem Jahr, deren Modus durch ein Reglement bestimmt wird, einzugehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_883"> Art. 54. Abgesehen von den im vorstehenden Artikel bezeichneten jungen Leuten<lb/>
können, um ein solches Engagement einzugehen, vor der Ziehung auch noch die zuge¬<lb/>
lassen werden, welche eine der Prüfungen bestehen, die in den verschiedenen, vom Kriegs-<lb/>
Minister veröffentlichten Programmen gefordert werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_884"> Art. 55. Der einjährige Freiwillige kleidet, equipirt und unterhält sich auf seine<lb/>
Unkosten. Indeß kann der Kriegsminister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei<lb/>
ihrer Prüfung Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den von dem Regle¬<lb/>
ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten nachweisen, daß sie in der Unmöglichkeit sind, die aus<lb/>
dem vorstehenden Artikel entspringenden Kosten zu bestreiten, theilweise oder ganz von<lb/>
denselben entbinden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_885"> Art. 56. Der einjährige Freiwillige ist allen Dienstverbindlichkeiten unterworfen,<lb/>
welche den Leuten, die sich unter den Fahnen befinden, auferlegt sind. Er ist den von<lb/>
dem Kriegsminister vorgeschriebenen Prüfungen unterworfen. Wenn nach einem<lb/>
einjährigen Dienst der Freiwillige diese Prüfungen nicht besteht, so<lb/>
ist er genöthigt, ein zweites Jahr unter den Bedingungen zu dienen,<lb/>
welche das genannte Reglement festsetzt. Jedenfalls wird er in Kriegs-<lb/>
zeiten im Dienst zurückgehalten werden. Die unter den Fahnen kraft des Freiwilligen-<lb/>
Engagements verbrachte Zeit zählt in der Dauer des vom Artikel 36 des gegenwär¬<lb/>
tigen Gesetzes geforderten Militärdienstes. Falls eine Mobilmachung eintritt, marschirt<lb/>
der einjährige Freiwillige mit dem ersten Theile der Classe, der er durch sein Engage¬<lb/>
ment angehört.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1872. IV. 34</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0273] „Aus der heiligen Gluth der Hingebung für König und Vaterland ward vor nun- mehr 60 Jahren die Institution in Preußen geboren. Ein hoher sittlicher Gedanke trug sie. Man begehrte als ernste Pflicht, was seit 1867 für die meisten europäischen Länder in ein wohl paragraphirtes Recht verwandelt worden ist. Erst gab es in Preußen Freiwillige, dann die Paragraphen. In den anderen großen Staaten, in welchen die Militär-Gesetzgebung nach preußischem Muster umgewandelt wird, wächst die Institution erst aus den Paragraphen heraus — eS wird sich damit nothwendig ein Unterschied zwischen Original und Copie herausstellen, der ebenso leicht zu begreifen, als auch, wie z. B. in Oesterreich, recht erheblich fühlbar ist. In noch viel höherem Grade wird das in Frankreich der Fall sein, wo die Zahl der Unterrichts - Anstalten, welche die Berechtigung zum einjährigen Dienst gewähren können, eine außerordentlich beschränkte sein soll und jener großartige Einfluß auf die Hebung der Volksbildung, den wir in Preußen damit erzielt haben, dadurch vollständig fortfallen muß." Die betreffenden Artikel lauten: Art. 53. Den jungen Leuten, welche ihre Diplome als Laelwlioi's of lottres und LaeliLliei's og sviLnoes erhalten haben, denen, welche der Centralschule der Künste und Manufacturen, den nationalen Schulen der Künste und Gewerbe, dem Conser- vatorium der Musik angehören oder für reif für die genannten Schulen erklärt worden sind, den Zöglingen der nationalen Schule der Thierärzte und nationalen Ackerbau¬ schulen wird gestattet, vor der Ziehung, in der Landarmee bedingte Engagements von einem Jahr, deren Modus durch ein Reglement bestimmt wird, einzugehen. Art. 54. Abgesehen von den im vorstehenden Artikel bezeichneten jungen Leuten können, um ein solches Engagement einzugehen, vor der Ziehung auch noch die zuge¬ lassen werden, welche eine der Prüfungen bestehen, die in den verschiedenen, vom Kriegs- Minister veröffentlichten Programmen gefordert werden. Art. 55. Der einjährige Freiwillige kleidet, equipirt und unterhält sich auf seine Unkosten. Indeß kann der Kriegsminister ausnahmsweise die jungen Leute, welche bei ihrer Prüfung Beweise großer Fähigkeit abgelegt haben und nach den von dem Regle¬ ment vorgeschriebenen Förmlichkeiten nachweisen, daß sie in der Unmöglichkeit sind, die aus dem vorstehenden Artikel entspringenden Kosten zu bestreiten, theilweise oder ganz von denselben entbinden. Art. 56. Der einjährige Freiwillige ist allen Dienstverbindlichkeiten unterworfen, welche den Leuten, die sich unter den Fahnen befinden, auferlegt sind. Er ist den von dem Kriegsminister vorgeschriebenen Prüfungen unterworfen. Wenn nach einem einjährigen Dienst der Freiwillige diese Prüfungen nicht besteht, so ist er genöthigt, ein zweites Jahr unter den Bedingungen zu dienen, welche das genannte Reglement festsetzt. Jedenfalls wird er in Kriegs- zeiten im Dienst zurückgehalten werden. Die unter den Fahnen kraft des Freiwilligen- Engagements verbrachte Zeit zählt in der Dauer des vom Artikel 36 des gegenwär¬ tigen Gesetzes geforderten Militärdienstes. Falls eine Mobilmachung eintritt, marschirt der einjährige Freiwillige mit dem ersten Theile der Classe, der er durch sein Engage¬ ment angehört. Grenzboten 1872. IV. 34

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/273
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/273>, abgerufen am 22.07.2024.