Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.Noch einmal erhob sich Trochu zu Gunsten seines Amendements auf Mit diesen Worten hat Trochu den Kernpunkt der ganzen Frage be¬ Am 10. Juni gelangten drei von den Generalen Chareton, Guillemaut Noch einmal erhob sich Trochu zu Gunsten seines Amendements auf Mit diesen Worten hat Trochu den Kernpunkt der ganzen Frage be¬ Am 10. Juni gelangten drei von den Generalen Chareton, Guillemaut <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128723"/> <p xml:id="ID_850"> Noch einmal erhob sich Trochu zu Gunsten seines Amendements auf<lb/> dreijährige Dienstzeit. Er wies darauf hin, wie er nach Sadowa dem Kaiser¬<lb/> reiche gerathen, Frieden zu halten und sich in langer Nuhe der Reorganisation<lb/> seiner Armee und seiner militairischen Institutionen zu widmen. Dasselbe sage<lb/> er jetzt der Republik. „Ich ruse ihr zu: Steckt euer Schwert in die Scheide,<lb/> erleichtert die belasteten Finanzen! Denkt nicht daran, bei dem dermaligen<lb/> Zustande unseres Landes, Europa an die Wirklichkeit der Drohungen glauben<lb/> zu machen, welche diese militärischen Kräfte, von denen man so sehr viel<lb/> spricht, vorzubereiten scheinen... Benutzen Sie diese Friedenslage zu<lb/> dem ungeheuren Werke der gleichzeitigen Reorganisation der<lb/> Nation, der militärischen Institutionen und der Armee, zu dieser<lb/> gleichzeitigen Reorganisation, und n ich t, wie Sie dahin zu neigen scheinen,<lb/> lediglich zur Organisation der Armee.</p><lb/> <p xml:id="ID_851"> Mit diesen Worten hat Trochu den Kernpunkt der ganzen Frage be¬<lb/> rührt; aber die Nationalversammlung empfand dies entweder nicht, oder sie<lb/> ignorirte es, weil sie eben nicht für die allgemeine Zukunft der Nation, sondern<lb/> für eine Revanche-Armee arbeiten wollte. — Bei der Abstimmung wurden<lb/> die aus dreijährige Dienstzeit zielenden Amendements mit 4S5 gegen 277 Stim¬<lb/> men verworfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_852"> Am 10. Juni gelangten drei von den Generalen Chareton, Guillemaut<lb/> und Hrn. Andre herrührende Amendements zur Verhandlung. — General<lb/> Chareton, der Autor eines in allen Details ausgearbeiteten, mit großem<lb/> Ernst durchdachten Heeressystems, verlangt den gleichen Effectiv-Stand wie<lb/> Deutschland, der mit fünfjähriger Dienstzeit unvereinbar sei, und nimmt auch<lb/> das von Trochu in der letzten Debatte ebenfalls warm ausgesprochene Ver¬<lb/> langen nach Provinzial-Armee-Corps wieder aus. Die gleichen Anschauungen<lb/> vertritt General Guillemaut in einer Rede, welche sichtlichen Eindruck macht<lb/> und von Thiers mit Zeichen lebhafter Ungeduld begleitet wird. Zu Gunsten<lb/> der Regierungsvorlage erhoben sich Changarnier, der die Kammer bat, sich<lb/> „nicht eine Stunde" von der fünfjährigen Dienstzeit abbringen zu lassen, und<lb/> der Referent der Commission, endlich aber in heftigster Erbitterung Herr<lb/> Thiers selbst, welcher aus der Annahme der fünfjährigen Dienstzeit in der<lb/> schroffsten Weise eine Cabinetsfrage machte, so daß Gambetta unter unbeschreib¬<lb/> licher Aufregung des Hauses erklärte, daß er und seine Gesinnungsgenossen in<lb/> Folge dessen an der Abstimmung nicht Theil nehmen würden, weil aus der<lb/> militairischen plötzlich eine politische Cabinetsfrage geworden sei. Damit war<lb/> der Sieg Thiers' entschieden; die auf vierjährige Dienstzeit zielenden Amende¬<lb/> ments wurden mit 447 gegen 36 Stimmen abgelehnt und am folgenden Tage<lb/> ward Artikel 36 der Commissionsvyrlage in allen Theilen<lb/> angenommen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
Noch einmal erhob sich Trochu zu Gunsten seines Amendements auf
dreijährige Dienstzeit. Er wies darauf hin, wie er nach Sadowa dem Kaiser¬
reiche gerathen, Frieden zu halten und sich in langer Nuhe der Reorganisation
seiner Armee und seiner militairischen Institutionen zu widmen. Dasselbe sage
er jetzt der Republik. „Ich ruse ihr zu: Steckt euer Schwert in die Scheide,
erleichtert die belasteten Finanzen! Denkt nicht daran, bei dem dermaligen
Zustande unseres Landes, Europa an die Wirklichkeit der Drohungen glauben
zu machen, welche diese militärischen Kräfte, von denen man so sehr viel
spricht, vorzubereiten scheinen... Benutzen Sie diese Friedenslage zu
dem ungeheuren Werke der gleichzeitigen Reorganisation der
Nation, der militärischen Institutionen und der Armee, zu dieser
gleichzeitigen Reorganisation, und n ich t, wie Sie dahin zu neigen scheinen,
lediglich zur Organisation der Armee.
Mit diesen Worten hat Trochu den Kernpunkt der ganzen Frage be¬
rührt; aber die Nationalversammlung empfand dies entweder nicht, oder sie
ignorirte es, weil sie eben nicht für die allgemeine Zukunft der Nation, sondern
für eine Revanche-Armee arbeiten wollte. — Bei der Abstimmung wurden
die aus dreijährige Dienstzeit zielenden Amendements mit 4S5 gegen 277 Stim¬
men verworfen.
Am 10. Juni gelangten drei von den Generalen Chareton, Guillemaut
und Hrn. Andre herrührende Amendements zur Verhandlung. — General
Chareton, der Autor eines in allen Details ausgearbeiteten, mit großem
Ernst durchdachten Heeressystems, verlangt den gleichen Effectiv-Stand wie
Deutschland, der mit fünfjähriger Dienstzeit unvereinbar sei, und nimmt auch
das von Trochu in der letzten Debatte ebenfalls warm ausgesprochene Ver¬
langen nach Provinzial-Armee-Corps wieder aus. Die gleichen Anschauungen
vertritt General Guillemaut in einer Rede, welche sichtlichen Eindruck macht
und von Thiers mit Zeichen lebhafter Ungeduld begleitet wird. Zu Gunsten
der Regierungsvorlage erhoben sich Changarnier, der die Kammer bat, sich
„nicht eine Stunde" von der fünfjährigen Dienstzeit abbringen zu lassen, und
der Referent der Commission, endlich aber in heftigster Erbitterung Herr
Thiers selbst, welcher aus der Annahme der fünfjährigen Dienstzeit in der
schroffsten Weise eine Cabinetsfrage machte, so daß Gambetta unter unbeschreib¬
licher Aufregung des Hauses erklärte, daß er und seine Gesinnungsgenossen in
Folge dessen an der Abstimmung nicht Theil nehmen würden, weil aus der
militairischen plötzlich eine politische Cabinetsfrage geworden sei. Damit war
der Sieg Thiers' entschieden; die auf vierjährige Dienstzeit zielenden Amende¬
ments wurden mit 447 gegen 36 Stimmen abgelehnt und am folgenden Tage
ward Artikel 36 der Commissionsvyrlage in allen Theilen
angenommen.
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