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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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bahnbrechendes bezeichnet werden. Es hat seither Hunderte von Nachahmern
gefunden; wenige aber erreichen ihn in der Begabung, den Leser in der ge¬
fälligsten, liebenswürdigsten und dennoch gründlichsten Weise in die Geheim¬
nisse seiner Wissenschaft einzuführen; keiner hat Tschudi darin übertroffen.
Und neben der einmüthigen begeisterten Zustimmung der Presse und der eifri¬
gen Betheiligung des Publikums an dem Unternehmen -- die sich am besten
in dem Erscheinen der vorliegenden neunten Auflage ausspricht -- hat auch
die Wissenschaft selbst einstimmig dem Werke die höchste Achtung und Aner¬
kennung zugesprochen.

Der reichverdiente, ungewöhnliche Erfolg dieses Werkes mag zum Theil
allerdings dem Stoffe selbst zugeschrieben werden. Kaum ein Kapitel des
Buches, bei welchem nicht die ergreifendsten und besonders durch die liebevolle
Beachtung des Details wirksamsten Schilderungen der Alpenwelt den Leser
fesselten. Auch in den Kapiteln, welche die Fauna der niederen Bergregion
zum Gegenstande haben, erblicken wir die Hochalpen doch so zu sagen im
Hintergrunde, und wenn wir dann den Thieren und Pflanzen der eigentlichen
Alpen- und Schneeregion folgen, führt uns Tschudi mit Meisterschaft ein in
die zauberhafte Einsamkeit ewiger Schneewüsten oder colossaler Felsenlabyrinthe.
Diese landschaftliche Anziehungskraft des Stoffes wird noch erhöht durch die
Eigenthümlichkeit der Forschung und Beobachtung der wilden Thiere der Hoch¬
alpen. Selten nämlich ist es möglich, das Leben dieser Thiere etwa in der
Gefangenschaft zu beobachten, da die meisten derselben in der Gefangenschaft
entweder verkümmern oder ihrer Natur nach (man denke z. B. an die Gemse
oder den Lämmergeier u. s. w.) hier keinen Spielraum für ihre freien Lebens¬
gewohnheiten oder Bewegungen haben. Der Schilderer des alpinen Thierlebens
konnte sich daher im großen Ganzen nur auf eigenen Augenschein oder die
beglaubigten Beobachtungen anderer Augenzeugen, wie u. A. auch diejenigen
des verdienten Malers W. Georgy stützen, der außer E. Rüttimeher dem
Werke Tschudi's die außerordentlich sorgfältigen, naturtreuen und lebensvollen
Zeichnungen beigefügt hat, die I. I. Weh er mit der vollendeten Technik und
Eleganz seiner Kunst-Anstalt wiedergeben ließ. Diese Selbstbeobachtung und
Selbstdurchdringung des verarbeiteten Stoffes Seiten des Verfassers wie Seiten
der Künstler gibt dem Werke Tschudi's eine unvergleichliche Frische und Un¬
mittelbarkeit, die uns aus jeder neuen Auflage von neuem entgegentritt, da
überall neue eigene und fremde Beobachtungen sich nachgetragen, neue größere
Zusätze sich eingeschoben finden.

Möge das treffliche Buch, namentlich zur Weihnachtszeit, recht viel Leser
g. und Käufer finden!




Verantwortlicher Redacteur: or. Hans BlilM.
Verlaa von F. L. Herliig. -- Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.

bahnbrechendes bezeichnet werden. Es hat seither Hunderte von Nachahmern
gefunden; wenige aber erreichen ihn in der Begabung, den Leser in der ge¬
fälligsten, liebenswürdigsten und dennoch gründlichsten Weise in die Geheim¬
nisse seiner Wissenschaft einzuführen; keiner hat Tschudi darin übertroffen.
Und neben der einmüthigen begeisterten Zustimmung der Presse und der eifri¬
gen Betheiligung des Publikums an dem Unternehmen — die sich am besten
in dem Erscheinen der vorliegenden neunten Auflage ausspricht — hat auch
die Wissenschaft selbst einstimmig dem Werke die höchste Achtung und Aner¬
kennung zugesprochen.

Der reichverdiente, ungewöhnliche Erfolg dieses Werkes mag zum Theil
allerdings dem Stoffe selbst zugeschrieben werden. Kaum ein Kapitel des
Buches, bei welchem nicht die ergreifendsten und besonders durch die liebevolle
Beachtung des Details wirksamsten Schilderungen der Alpenwelt den Leser
fesselten. Auch in den Kapiteln, welche die Fauna der niederen Bergregion
zum Gegenstande haben, erblicken wir die Hochalpen doch so zu sagen im
Hintergrunde, und wenn wir dann den Thieren und Pflanzen der eigentlichen
Alpen- und Schneeregion folgen, führt uns Tschudi mit Meisterschaft ein in
die zauberhafte Einsamkeit ewiger Schneewüsten oder colossaler Felsenlabyrinthe.
Diese landschaftliche Anziehungskraft des Stoffes wird noch erhöht durch die
Eigenthümlichkeit der Forschung und Beobachtung der wilden Thiere der Hoch¬
alpen. Selten nämlich ist es möglich, das Leben dieser Thiere etwa in der
Gefangenschaft zu beobachten, da die meisten derselben in der Gefangenschaft
entweder verkümmern oder ihrer Natur nach (man denke z. B. an die Gemse
oder den Lämmergeier u. s. w.) hier keinen Spielraum für ihre freien Lebens¬
gewohnheiten oder Bewegungen haben. Der Schilderer des alpinen Thierlebens
konnte sich daher im großen Ganzen nur auf eigenen Augenschein oder die
beglaubigten Beobachtungen anderer Augenzeugen, wie u. A. auch diejenigen
des verdienten Malers W. Georgy stützen, der außer E. Rüttimeher dem
Werke Tschudi's die außerordentlich sorgfältigen, naturtreuen und lebensvollen
Zeichnungen beigefügt hat, die I. I. Weh er mit der vollendeten Technik und
Eleganz seiner Kunst-Anstalt wiedergeben ließ. Diese Selbstbeobachtung und
Selbstdurchdringung des verarbeiteten Stoffes Seiten des Verfassers wie Seiten
der Künstler gibt dem Werke Tschudi's eine unvergleichliche Frische und Un¬
mittelbarkeit, die uns aus jeder neuen Auflage von neuem entgegentritt, da
überall neue eigene und fremde Beobachtungen sich nachgetragen, neue größere
Zusätze sich eingeschoben finden.

Möge das treffliche Buch, namentlich zur Weihnachtszeit, recht viel Leser
g. und Käufer finden!




Verantwortlicher Redacteur: or. Hans BlilM.
Verlaa von F. L. Herliig. — Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.
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[0248] bahnbrechendes bezeichnet werden. Es hat seither Hunderte von Nachahmern gefunden; wenige aber erreichen ihn in der Begabung, den Leser in der ge¬ fälligsten, liebenswürdigsten und dennoch gründlichsten Weise in die Geheim¬ nisse seiner Wissenschaft einzuführen; keiner hat Tschudi darin übertroffen. Und neben der einmüthigen begeisterten Zustimmung der Presse und der eifri¬ gen Betheiligung des Publikums an dem Unternehmen — die sich am besten in dem Erscheinen der vorliegenden neunten Auflage ausspricht — hat auch die Wissenschaft selbst einstimmig dem Werke die höchste Achtung und Aner¬ kennung zugesprochen. Der reichverdiente, ungewöhnliche Erfolg dieses Werkes mag zum Theil allerdings dem Stoffe selbst zugeschrieben werden. Kaum ein Kapitel des Buches, bei welchem nicht die ergreifendsten und besonders durch die liebevolle Beachtung des Details wirksamsten Schilderungen der Alpenwelt den Leser fesselten. Auch in den Kapiteln, welche die Fauna der niederen Bergregion zum Gegenstande haben, erblicken wir die Hochalpen doch so zu sagen im Hintergrunde, und wenn wir dann den Thieren und Pflanzen der eigentlichen Alpen- und Schneeregion folgen, führt uns Tschudi mit Meisterschaft ein in die zauberhafte Einsamkeit ewiger Schneewüsten oder colossaler Felsenlabyrinthe. Diese landschaftliche Anziehungskraft des Stoffes wird noch erhöht durch die Eigenthümlichkeit der Forschung und Beobachtung der wilden Thiere der Hoch¬ alpen. Selten nämlich ist es möglich, das Leben dieser Thiere etwa in der Gefangenschaft zu beobachten, da die meisten derselben in der Gefangenschaft entweder verkümmern oder ihrer Natur nach (man denke z. B. an die Gemse oder den Lämmergeier u. s. w.) hier keinen Spielraum für ihre freien Lebens¬ gewohnheiten oder Bewegungen haben. Der Schilderer des alpinen Thierlebens konnte sich daher im großen Ganzen nur auf eigenen Augenschein oder die beglaubigten Beobachtungen anderer Augenzeugen, wie u. A. auch diejenigen des verdienten Malers W. Georgy stützen, der außer E. Rüttimeher dem Werke Tschudi's die außerordentlich sorgfältigen, naturtreuen und lebensvollen Zeichnungen beigefügt hat, die I. I. Weh er mit der vollendeten Technik und Eleganz seiner Kunst-Anstalt wiedergeben ließ. Diese Selbstbeobachtung und Selbstdurchdringung des verarbeiteten Stoffes Seiten des Verfassers wie Seiten der Künstler gibt dem Werke Tschudi's eine unvergleichliche Frische und Un¬ mittelbarkeit, die uns aus jeder neuen Auflage von neuem entgegentritt, da überall neue eigene und fremde Beobachtungen sich nachgetragen, neue größere Zusätze sich eingeschoben finden. Möge das treffliche Buch, namentlich zur Weihnachtszeit, recht viel Leser g. und Käufer finden! Verantwortlicher Redacteur: or. Hans BlilM. Verlaa von F. L. Herliig. — Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/248>, abgerufen am 02.07.2024.