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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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dadurch zu einem colossalen Reichthum gelangten. Aber wie ihnen beikommen;
an den gewöhnlichen Steuern, die schon ein erkleckliches in die Staatscassen
lieferten, hatte man noch nicht genug und die Henne zu schlachten, welche die
Eier legte, ging auch nicht gut an.

Nachdem man einige Zeit experimentirt, erließ die Regierung mit Zu¬
stimmung der Kammer ein Gesetz, welches alle Schlacken und Halden
(Ekbolades) alter Bergwerke für Regierungseigenthum erklärte und gab diesem
Gesetze rückwirkende Kraft. Sie belegte nicht nur die fernere Erzeugung von
Metallen in Laurium mit einer fast tödtlichen Steuer, sondern verlangte nicht
weniger als zwei Millionen Francs Nachzahlung, für das in den vorher¬
gehenden Jahren producirte Metall. Da waren Khtzos und Sparvs doch
nur kleine Lumpen und Beutelschneider!

Die Gesellschaft weigerte sich indessen zu zahlen und die Gesandten
Italiens und Frankreichs in Athen fanden Gelegenheit, sich ihrer bedrohten
Landsleute anzunehmen. Die Griechen aber dachten an kein Nachgeben und
glaubten an keine fremde Intervention, sie rechneten aus, daß Roux und
Serpieri eine Milliarde Francs bereits aus den Lauriumminen gezogen hätten.
Indessen diese Schätzungen waren trügerischer Natur; man wußte ja nicht
genau, wie viel Schlacken die Fremden verarbeitet hatten und der Prozentsatz
der Schlacken an Metall (Blei, Silber, Zink) wechselte auch sehr stark. Die
kriegerischen Ereignisse in Westeuropa waren bei diesen Verhältnissen der
griechischen Regierung äußerst günstig und obgleich die edlen Hellenen am
Fuße der Akropolis "Frankreichs Siege" feierten, waren sie doch andererseits
praktisch genug, um Frankreichs Verlegenheit und Niederwerfung gegenüber
der Lauriumgesellschaft auszubeuten. Weder Italien noch Frankreich konnte
damals daran denken, das Benehmen der griechischen Negierung durch diplo¬
matisches Einschreiten zu ändern und so war denn die Gesellschaft auf Gnade
oder Ungnade in die Hände ihrer Widersacher gegeben. Es ist ein ganz ab¬
scheuliches Stück, das hier vor unsern Augen sich abspielt. Die Herren Rour
und Serpieri mußten sich auf Unterhandlungen verlegen und boten ihre Rechte,
ihre Werke, alles was sie mit Mühe und Intelligenz geschaffen, für 14 Mil¬
lionen Francs der griechischen Regierung zum Verkaufe an. Das war nicht
viel für ein Etablissement, das, nach griechischer Rechnung, eine Milliarde
binnen wenigen Jahren abgeworfen haben sollte.

Damals war Komonduros Premierminister in Athen; ihm schien der
Preis nicht zu hoch und er versprach das darauf bezügliche Gesetz der Kammer
vorzulegen. Allein König Georg war anderer Meinung und Komonduros
trat ab. Ihm folgte Deligeorgis. der ein Memorandum geschrieben hatte,
welches die griechische Ansicht vertritt und darauf besteht, daß jenes Gesetz


dadurch zu einem colossalen Reichthum gelangten. Aber wie ihnen beikommen;
an den gewöhnlichen Steuern, die schon ein erkleckliches in die Staatscassen
lieferten, hatte man noch nicht genug und die Henne zu schlachten, welche die
Eier legte, ging auch nicht gut an.

Nachdem man einige Zeit experimentirt, erließ die Regierung mit Zu¬
stimmung der Kammer ein Gesetz, welches alle Schlacken und Halden
(Ekbolades) alter Bergwerke für Regierungseigenthum erklärte und gab diesem
Gesetze rückwirkende Kraft. Sie belegte nicht nur die fernere Erzeugung von
Metallen in Laurium mit einer fast tödtlichen Steuer, sondern verlangte nicht
weniger als zwei Millionen Francs Nachzahlung, für das in den vorher¬
gehenden Jahren producirte Metall. Da waren Khtzos und Sparvs doch
nur kleine Lumpen und Beutelschneider!

Die Gesellschaft weigerte sich indessen zu zahlen und die Gesandten
Italiens und Frankreichs in Athen fanden Gelegenheit, sich ihrer bedrohten
Landsleute anzunehmen. Die Griechen aber dachten an kein Nachgeben und
glaubten an keine fremde Intervention, sie rechneten aus, daß Roux und
Serpieri eine Milliarde Francs bereits aus den Lauriumminen gezogen hätten.
Indessen diese Schätzungen waren trügerischer Natur; man wußte ja nicht
genau, wie viel Schlacken die Fremden verarbeitet hatten und der Prozentsatz
der Schlacken an Metall (Blei, Silber, Zink) wechselte auch sehr stark. Die
kriegerischen Ereignisse in Westeuropa waren bei diesen Verhältnissen der
griechischen Regierung äußerst günstig und obgleich die edlen Hellenen am
Fuße der Akropolis „Frankreichs Siege" feierten, waren sie doch andererseits
praktisch genug, um Frankreichs Verlegenheit und Niederwerfung gegenüber
der Lauriumgesellschaft auszubeuten. Weder Italien noch Frankreich konnte
damals daran denken, das Benehmen der griechischen Negierung durch diplo¬
matisches Einschreiten zu ändern und so war denn die Gesellschaft auf Gnade
oder Ungnade in die Hände ihrer Widersacher gegeben. Es ist ein ganz ab¬
scheuliches Stück, das hier vor unsern Augen sich abspielt. Die Herren Rour
und Serpieri mußten sich auf Unterhandlungen verlegen und boten ihre Rechte,
ihre Werke, alles was sie mit Mühe und Intelligenz geschaffen, für 14 Mil¬
lionen Francs der griechischen Regierung zum Verkaufe an. Das war nicht
viel für ein Etablissement, das, nach griechischer Rechnung, eine Milliarde
binnen wenigen Jahren abgeworfen haben sollte.

Damals war Komonduros Premierminister in Athen; ihm schien der
Preis nicht zu hoch und er versprach das darauf bezügliche Gesetz der Kammer
vorzulegen. Allein König Georg war anderer Meinung und Komonduros
trat ab. Ihm folgte Deligeorgis. der ein Memorandum geschrieben hatte,
welches die griechische Ansicht vertritt und darauf besteht, daß jenes Gesetz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/240>, abgerufen am 22.07.2024.