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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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garder dürften somit etwa 300,000 Mann betragen haben; doch befanden
sich derer noch in beträchtlicher Anzahl in den Depots.

An einheimischen un d fremden Frei-Corps sind ungefähr 33,000
Mann aufgetreten.

Welche Stärke die Nationalgarde erreicht hat, ist nicht genau festzu¬
stellen. Diejenige von Paris wurde im Laufe der Belagerung aus 260,000
Mann gebracht; die "mobilisirte Nationalgarde" der Provinzen schätzt, wie
schon angegeben, Freycinet auf 180,000 Mann. In den Lagern befanden
sich am Schluß des Krieges circa 700,000 Menschen, denen es jedoch am
nothwendigsten mangelte.

Sieht man von den letztgedachten ungeordneten Massen ganz ab und
rechnet überhaupt nur diejenigen Truppen, welche wirklich zur Verwendung
gegen den Feind gekommen sind, so hat Frankreich in dem letzten Kriege nach
Vernichtung seiner eigentlichen Feldarmee, die Ueberbleibsel der letzteren nicht
eingerechnet, noch aufgestellt:

Linientruppen (Marsch-Regimenter:c.) 235,000 Mann
Mohne Nationalgarde und Frei-Corps 335.000 "
National-Garde von Paris 250,000 "
Mobilisirte National-Garde der Provinz 180.000^
1.000.000 Mann.

Die Leistung des Convents ist damit vollständig in den Schatten gestellt,
umsomehr als die active Armee im Jahre 1870 viel vollständiger verloren
war, wie es trotz aller Zerrüttung und Auflösung während der ersten Revo¬
lution der Fall gewesen ist. Auch der Verlust an Officieren durch die Aus¬
wanderung hat in den neunziger Jahren niemals so ungeheure Verhältnisse
angenommen wie der durch die Gefangenschaft im Jahre 1870. Endlich war
damals relativ viel mehr Kriegsmaterial vorhanden als 1870/71 , und wenn
die massenhafte Erzeugung und Herbeischaffung desselben auch durch die Fa¬
brikations- und Verkehrs-Mittel der Neuzeit ungemein erleichtert wurde, so
bleibt die schnelle Ausrüstung der neugeschaffenen Armee doch immer noch eine
bewunderungswürdige Leistung.

Daß trotz so großer Anstrengungen die Entscheidung keine andere war
als die. welche schon durch die Tage bei Metz und Sedan festgestellt worden,
ist höchst lehrreich. Hatte der erste Theil des Feldzuges die Ueberlegenheit
des Heeres der allgemeinen Wehrpflicht über die Conscriptions-Armee mit
Stellvertretung, die Ueberlegenheit eines in fester Treue stehenden, königlichen,
trefflich befehligten Heeres über eine unzuverlässige, kriegsministerielle, nur admi-
nistrirte Armee dargethan, so zeigte nun der Volkskrieg, daß die allgemeine
Wehrpflicht als solche nicht das Entscheidende sei, sondern nur insofern,


garder dürften somit etwa 300,000 Mann betragen haben; doch befanden
sich derer noch in beträchtlicher Anzahl in den Depots.

An einheimischen un d fremden Frei-Corps sind ungefähr 33,000
Mann aufgetreten.

Welche Stärke die Nationalgarde erreicht hat, ist nicht genau festzu¬
stellen. Diejenige von Paris wurde im Laufe der Belagerung aus 260,000
Mann gebracht; die „mobilisirte Nationalgarde" der Provinzen schätzt, wie
schon angegeben, Freycinet auf 180,000 Mann. In den Lagern befanden
sich am Schluß des Krieges circa 700,000 Menschen, denen es jedoch am
nothwendigsten mangelte.

Sieht man von den letztgedachten ungeordneten Massen ganz ab und
rechnet überhaupt nur diejenigen Truppen, welche wirklich zur Verwendung
gegen den Feind gekommen sind, so hat Frankreich in dem letzten Kriege nach
Vernichtung seiner eigentlichen Feldarmee, die Ueberbleibsel der letzteren nicht
eingerechnet, noch aufgestellt:

Linientruppen (Marsch-Regimenter:c.) 235,000 Mann
Mohne Nationalgarde und Frei-Corps 335.000 „
National-Garde von Paris 250,000 „
Mobilisirte National-Garde der Provinz 180.000^
1.000.000 Mann.

Die Leistung des Convents ist damit vollständig in den Schatten gestellt,
umsomehr als die active Armee im Jahre 1870 viel vollständiger verloren
war, wie es trotz aller Zerrüttung und Auflösung während der ersten Revo¬
lution der Fall gewesen ist. Auch der Verlust an Officieren durch die Aus¬
wanderung hat in den neunziger Jahren niemals so ungeheure Verhältnisse
angenommen wie der durch die Gefangenschaft im Jahre 1870. Endlich war
damals relativ viel mehr Kriegsmaterial vorhanden als 1870/71 , und wenn
die massenhafte Erzeugung und Herbeischaffung desselben auch durch die Fa¬
brikations- und Verkehrs-Mittel der Neuzeit ungemein erleichtert wurde, so
bleibt die schnelle Ausrüstung der neugeschaffenen Armee doch immer noch eine
bewunderungswürdige Leistung.

Daß trotz so großer Anstrengungen die Entscheidung keine andere war
als die. welche schon durch die Tage bei Metz und Sedan festgestellt worden,
ist höchst lehrreich. Hatte der erste Theil des Feldzuges die Ueberlegenheit
des Heeres der allgemeinen Wehrpflicht über die Conscriptions-Armee mit
Stellvertretung, die Ueberlegenheit eines in fester Treue stehenden, königlichen,
trefflich befehligten Heeres über eine unzuverlässige, kriegsministerielle, nur admi-
nistrirte Armee dargethan, so zeigte nun der Volkskrieg, daß die allgemeine
Wehrpflicht als solche nicht das Entscheidende sei, sondern nur insofern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/235>, abgerufen am 30.06.2024.