Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Armee unter General B o ur b a k i: XV., XVIIl., XX, Corps, etwa 90,000
Mann stark.--II. Armee unter General Chanzy: XVI., XVII., XXI,, XIX. und
XXV. Corps, etwa 150 bis 170,000 Mann stark. -- Nord-Armee unter General
Faid herbe: XXII. und XXIII. Corps, etwa 50,000 Mann stark. -- Corps von
Le Havre unter General Briand, etwa 20,000 Mann stark. -- Ost-Armee
unter verschiedenen Generalen: das Corps Garibaldi's. die selbstständige Division
Cremer und das in Bildung begriffene XXIV. Armee-Corps.*)

Die I. und II. Armee waren aus den Streitkräften gebildet, welche ur¬
sprünglich als Loire- und West-Armee formirt gewesen waren. Und zwar
bestand anfangs die Loire-Armee unter Aurelles de Paladine aus dem
XV. und XVI. Armee-Corps, zu denen sich später das XVII. und XVIII.
gesellten. Die West-Armee unter Keratry setzte sich allmählig aus dem
XIX., XX. und XXI. Corps zusammen, von denen indessen die beiden ersteren
später zur Loire-Armee herangezogen wurden, während das XXI. Corps im
Lager von Conlie verblieb.

Im Osten hatte von Anfang an eine schwer zu durchblickende Ver¬
wirrung geherrscht. Die autonomen Neigungen, welche sich in Marseille,
Lyon und anderen Städten, Hand in Hand mit föderalistischen und socia¬
listischen Bestrebungen zeigten, stellten die Autorität der Regierung von Tours
lange Zeit hindurch geradezu in Frage. Die "Armee von Lyon", welche sich
zu Anfang des Volkskrieges bildete, stand ganz unter dem Einfluß dieser
Strömungen.

Hier traten also ganz dieselben Erscheinungen hervor, welche einst in der
Zeit der ersten Revolution alle Bande der Disciplin unter den Truppen und
den Freiwilligen derart lockerten, daß zuletzt Niemand ihrer Herr war. --
Die Ernennung des Generals Cambriels zum Befehlshaber der Ostregion
hätte diese Verhältnisse vielleicht bessern und ordnen können, wenn nicht das
Erscheinen Garibaldi's neue Verwickelungen und Schwierigkeiten bereitet
hätte. Dieser war, hingerissen von dem Nebelbilde einer Wiedergeburt "der
großen französischen Republik" am 9. October zu Tours erschienen und hatte
Frankreich seinen Degen zur Verfügung gestellt. "Der hat uns gerade noch
gefehlt!" soll Cremieuxaus gerufen haben, als seine Ankunft gemeldet ward.**)




") Es ist eine eigenthümliche, ächt französische Erscheinung, daß die Nummern der Armee-
Corps derart angeordnet wurden, daß man nicht nur diejenigen anrechnete, welche in Ge¬
fangenschaft abgeführt waren, also nicht mehr bestanden (7 bis IX), sondern auch diejenigen,
welche gar niemals errichtet worden waren (X bis XII). Gombetta ahmte dabei das Vorbild
Napoleon's I. nach, und beide leitete der französische Instinkt, zu blenden und zu bestechen.
") Diese Truppe bestand ans! I. Brigade lBossak) 4001 Mann, 2. Brig. "Delpcch) 2088
M., 3. Brig. (Mcnotti Garibaldi) 5500 M., 4. Brig. (Ricciotti Garibaldi) 1157 M. -- Ar¬
tillerie 571 M., Cavallerie 520 M., Jsolirte Freicorps 1585 M., Verschiedene Branchen 1985
M. Zusammen 17,440 M. -- Nach Angaben von Jessto White Mario in der "Reform"
zu Florenz.

I. Armee unter General B o ur b a k i: XV., XVIIl., XX, Corps, etwa 90,000
Mann stark.—II. Armee unter General Chanzy: XVI., XVII., XXI,, XIX. und
XXV. Corps, etwa 150 bis 170,000 Mann stark. — Nord-Armee unter General
Faid herbe: XXII. und XXIII. Corps, etwa 50,000 Mann stark. — Corps von
Le Havre unter General Briand, etwa 20,000 Mann stark. — Ost-Armee
unter verschiedenen Generalen: das Corps Garibaldi's. die selbstständige Division
Cremer und das in Bildung begriffene XXIV. Armee-Corps.*)

Die I. und II. Armee waren aus den Streitkräften gebildet, welche ur¬
sprünglich als Loire- und West-Armee formirt gewesen waren. Und zwar
bestand anfangs die Loire-Armee unter Aurelles de Paladine aus dem
XV. und XVI. Armee-Corps, zu denen sich später das XVII. und XVIII.
gesellten. Die West-Armee unter Keratry setzte sich allmählig aus dem
XIX., XX. und XXI. Corps zusammen, von denen indessen die beiden ersteren
später zur Loire-Armee herangezogen wurden, während das XXI. Corps im
Lager von Conlie verblieb.

Im Osten hatte von Anfang an eine schwer zu durchblickende Ver¬
wirrung geherrscht. Die autonomen Neigungen, welche sich in Marseille,
Lyon und anderen Städten, Hand in Hand mit föderalistischen und socia¬
listischen Bestrebungen zeigten, stellten die Autorität der Regierung von Tours
lange Zeit hindurch geradezu in Frage. Die „Armee von Lyon", welche sich
zu Anfang des Volkskrieges bildete, stand ganz unter dem Einfluß dieser
Strömungen.

Hier traten also ganz dieselben Erscheinungen hervor, welche einst in der
Zeit der ersten Revolution alle Bande der Disciplin unter den Truppen und
den Freiwilligen derart lockerten, daß zuletzt Niemand ihrer Herr war. —
Die Ernennung des Generals Cambriels zum Befehlshaber der Ostregion
hätte diese Verhältnisse vielleicht bessern und ordnen können, wenn nicht das
Erscheinen Garibaldi's neue Verwickelungen und Schwierigkeiten bereitet
hätte. Dieser war, hingerissen von dem Nebelbilde einer Wiedergeburt „der
großen französischen Republik" am 9. October zu Tours erschienen und hatte
Frankreich seinen Degen zur Verfügung gestellt. „Der hat uns gerade noch
gefehlt!" soll Cremieuxaus gerufen haben, als seine Ankunft gemeldet ward.**)




") Es ist eine eigenthümliche, ächt französische Erscheinung, daß die Nummern der Armee-
Corps derart angeordnet wurden, daß man nicht nur diejenigen anrechnete, welche in Ge¬
fangenschaft abgeführt waren, also nicht mehr bestanden (7 bis IX), sondern auch diejenigen,
welche gar niemals errichtet worden waren (X bis XII). Gombetta ahmte dabei das Vorbild
Napoleon's I. nach, und beide leitete der französische Instinkt, zu blenden und zu bestechen.
") Diese Truppe bestand ans! I. Brigade lBossak) 4001 Mann, 2. Brig. «Delpcch) 2088
M., 3. Brig. (Mcnotti Garibaldi) 5500 M., 4. Brig. (Ricciotti Garibaldi) 1157 M. — Ar¬
tillerie 571 M., Cavallerie 520 M., Jsolirte Freicorps 1585 M., Verschiedene Branchen 1985
M. Zusammen 17,440 M. — Nach Angaben von Jessto White Mario in der „Reform"
zu Florenz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128686"/>
            <p xml:id="ID_683"> I. Armee unter General B o ur b a k i: XV., XVIIl., XX, Corps, etwa 90,000<lb/>
Mann stark.&#x2014;II. Armee unter General Chanzy: XVI., XVII., XXI,, XIX. und<lb/>
XXV. Corps, etwa 150 bis 170,000 Mann stark. &#x2014; Nord-Armee unter General<lb/>
Faid herbe: XXII. und XXIII. Corps, etwa 50,000 Mann stark. &#x2014; Corps von<lb/>
Le Havre unter General Briand, etwa 20,000 Mann stark. &#x2014; Ost-Armee<lb/>
unter verschiedenen Generalen: das Corps Garibaldi's. die selbstständige Division<lb/>
Cremer und das in Bildung begriffene XXIV. Armee-Corps.*)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_684"> Die I. und II. Armee waren aus den Streitkräften gebildet, welche ur¬<lb/>
sprünglich als Loire- und West-Armee formirt gewesen waren. Und zwar<lb/>
bestand anfangs die Loire-Armee unter Aurelles de Paladine aus dem<lb/>
XV. und XVI. Armee-Corps, zu denen sich später das XVII. und XVIII.<lb/>
gesellten. Die West-Armee unter Keratry setzte sich allmählig aus dem<lb/>
XIX., XX. und XXI. Corps zusammen, von denen indessen die beiden ersteren<lb/>
später zur Loire-Armee herangezogen wurden, während das XXI. Corps im<lb/>
Lager von Conlie verblieb.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_685"> Im Osten hatte von Anfang an eine schwer zu durchblickende Ver¬<lb/>
wirrung geherrscht. Die autonomen Neigungen, welche sich in Marseille,<lb/>
Lyon und anderen Städten, Hand in Hand mit föderalistischen und socia¬<lb/>
listischen Bestrebungen zeigten, stellten die Autorität der Regierung von Tours<lb/>
lange Zeit hindurch geradezu in Frage. Die &#x201E;Armee von Lyon", welche sich<lb/>
zu Anfang des Volkskrieges bildete, stand ganz unter dem Einfluß dieser<lb/>
Strömungen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_686" next="#ID_687"> Hier traten also ganz dieselben Erscheinungen hervor, welche einst in der<lb/>
Zeit der ersten Revolution alle Bande der Disciplin unter den Truppen und<lb/>
den Freiwilligen derart lockerten, daß zuletzt Niemand ihrer Herr war. &#x2014;<lb/>
Die Ernennung des Generals Cambriels zum Befehlshaber der Ostregion<lb/>
hätte diese Verhältnisse vielleicht bessern und ordnen können, wenn nicht das<lb/>
Erscheinen Garibaldi's neue Verwickelungen und Schwierigkeiten bereitet<lb/>
hätte. Dieser war, hingerissen von dem Nebelbilde einer Wiedergeburt &#x201E;der<lb/>
großen französischen Republik" am 9. October zu Tours erschienen und hatte<lb/>
Frankreich seinen Degen zur Verfügung gestellt. &#x201E;Der hat uns gerade noch<lb/>
gefehlt!" soll Cremieuxaus gerufen haben, als seine Ankunft gemeldet ward.**)</p><lb/>
            <note xml:id="FID_147" place="foot"> ") Es ist eine eigenthümliche, ächt französische Erscheinung, daß die Nummern der Armee-<lb/>
Corps derart angeordnet wurden, daß man nicht nur diejenigen anrechnete, welche in Ge¬<lb/>
fangenschaft abgeführt waren, also nicht mehr bestanden (7 bis IX), sondern auch diejenigen,<lb/>
welche gar niemals errichtet worden waren (X bis XII). Gombetta ahmte dabei das Vorbild<lb/>
Napoleon's I. nach, und beide leitete der französische Instinkt, zu blenden und zu bestechen.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_148" place="foot"> ") Diese Truppe bestand ans! I. Brigade lBossak) 4001 Mann, 2. Brig. «Delpcch) 2088<lb/>
M., 3. Brig. (Mcnotti Garibaldi) 5500 M., 4. Brig. (Ricciotti Garibaldi) 1157 M. &#x2014; Ar¬<lb/>
tillerie 571 M., Cavallerie 520 M., Jsolirte Freicorps 1585 M., Verschiedene Branchen 1985<lb/>
M. Zusammen 17,440 M. &#x2014; Nach Angaben von Jessto White Mario in der &#x201E;Reform"<lb/>
zu Florenz.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0232] I. Armee unter General B o ur b a k i: XV., XVIIl., XX, Corps, etwa 90,000 Mann stark.—II. Armee unter General Chanzy: XVI., XVII., XXI,, XIX. und XXV. Corps, etwa 150 bis 170,000 Mann stark. — Nord-Armee unter General Faid herbe: XXII. und XXIII. Corps, etwa 50,000 Mann stark. — Corps von Le Havre unter General Briand, etwa 20,000 Mann stark. — Ost-Armee unter verschiedenen Generalen: das Corps Garibaldi's. die selbstständige Division Cremer und das in Bildung begriffene XXIV. Armee-Corps.*) Die I. und II. Armee waren aus den Streitkräften gebildet, welche ur¬ sprünglich als Loire- und West-Armee formirt gewesen waren. Und zwar bestand anfangs die Loire-Armee unter Aurelles de Paladine aus dem XV. und XVI. Armee-Corps, zu denen sich später das XVII. und XVIII. gesellten. Die West-Armee unter Keratry setzte sich allmählig aus dem XIX., XX. und XXI. Corps zusammen, von denen indessen die beiden ersteren später zur Loire-Armee herangezogen wurden, während das XXI. Corps im Lager von Conlie verblieb. Im Osten hatte von Anfang an eine schwer zu durchblickende Ver¬ wirrung geherrscht. Die autonomen Neigungen, welche sich in Marseille, Lyon und anderen Städten, Hand in Hand mit föderalistischen und socia¬ listischen Bestrebungen zeigten, stellten die Autorität der Regierung von Tours lange Zeit hindurch geradezu in Frage. Die „Armee von Lyon", welche sich zu Anfang des Volkskrieges bildete, stand ganz unter dem Einfluß dieser Strömungen. Hier traten also ganz dieselben Erscheinungen hervor, welche einst in der Zeit der ersten Revolution alle Bande der Disciplin unter den Truppen und den Freiwilligen derart lockerten, daß zuletzt Niemand ihrer Herr war. — Die Ernennung des Generals Cambriels zum Befehlshaber der Ostregion hätte diese Verhältnisse vielleicht bessern und ordnen können, wenn nicht das Erscheinen Garibaldi's neue Verwickelungen und Schwierigkeiten bereitet hätte. Dieser war, hingerissen von dem Nebelbilde einer Wiedergeburt „der großen französischen Republik" am 9. October zu Tours erschienen und hatte Frankreich seinen Degen zur Verfügung gestellt. „Der hat uns gerade noch gefehlt!" soll Cremieuxaus gerufen haben, als seine Ankunft gemeldet ward.**) ") Es ist eine eigenthümliche, ächt französische Erscheinung, daß die Nummern der Armee- Corps derart angeordnet wurden, daß man nicht nur diejenigen anrechnete, welche in Ge¬ fangenschaft abgeführt waren, also nicht mehr bestanden (7 bis IX), sondern auch diejenigen, welche gar niemals errichtet worden waren (X bis XII). Gombetta ahmte dabei das Vorbild Napoleon's I. nach, und beide leitete der französische Instinkt, zu blenden und zu bestechen. ") Diese Truppe bestand ans! I. Brigade lBossak) 4001 Mann, 2. Brig. «Delpcch) 2088 M., 3. Brig. (Mcnotti Garibaldi) 5500 M., 4. Brig. (Ricciotti Garibaldi) 1157 M. — Ar¬ tillerie 571 M., Cavallerie 520 M., Jsolirte Freicorps 1585 M., Verschiedene Branchen 1985 M. Zusammen 17,440 M. — Nach Angaben von Jessto White Mario in der „Reform" zu Florenz.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/232
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/232>, abgerufen am 30.06.2024.