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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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befriedigende Lösung dieser Aufgabe ist unmöglich." Um die Lücken der
Off leiern o rps zu füllen, wendete man drei Hauptmittel an: Erstens ver¬
doppelte man die Stärke der Compagnien, um die Zahl der erforderlichen
Hauptleute auf die Hälfte herabzusetzen, da ein guter Capitcnn bekanntlich
das am schwersten zu findende Stück des Räderwerks ist. Diese Maßregel
war natürlich bei Truppen ohne Schule und Mannszucht doppelt bedenklich
und gefährlich. Zweitens warb man im größten Maßstabe Officiere aller
Grade aus den Reihen der Armee, indem man die Corpsführer ermächtigte,
aus den Unterofficieren, ja selbst aus den Gemeinen zu schöpfen, und drittens
gestattete man in der Hilfsarmee die Ernennung von Nichtsoldaten und von
Fremden zu Officieren, wobei die Verhältnisse während des amerikanischen
Bürgerkrieges als Vorbild dienten.*)

Es versteht sich von selbst, daß bei den hastigen Neuernennungen eine
Menge oft schwerer und widerwärtiger Mißgriffe vorkamen, zumal selbst für die
vorhandenen Officiere jeder Anhalt zur Beurtheilung ihrer Antecedention fehlte,
da die Personalacten des Kriegsministeriums in Paris lagen. -- Alles in
Allem aber muß man anerkennen, daß auch auf diesem Gebiete in kurzer
Frist Außerordentliches geleistet worden ist und sich die organisatorische Energie
der Franzosen glänzend bewährt hat.

Wenn mit den durch die geschilderten Maßregeln ausgebrachten Heeres¬
massen der große Krieg geführt werden sollte, so wollte ein Erlaß vom 14.
Oel. 1870 die örtliche Vertheidigung in den Departements, den
kleinen Krieg, organisiren. Er bestimmte, daß jedes Departement, dessen
Grenzen weniger als 100 Kilometer vom Feinde entfernt sei, dadurch von
Rechtswegen als "im Kriegszustande befindlich" erklärt sei. Unter dem kom-
mandirenden General des Departements sollte dann sofort ein "militärischer
Ausschuß" zusammentreten, um dem Feinde alle Arten von Vorräthen zu
entziehen, die Wege zu sperren, Feldschanzen aufzuwerfen, Defileen zu verthei¬
digen, ja, wenn es sein mußte, Alles das, was dem Feinde Nutzen bringen
könne, zu vernichten. Ergänzende Bestimmungen vom 23. und 29. Oktober
regelten die Art der Ausführung der "Verödung". Die Bevölkerung hat
sich namentlich in letzterer Beziehung meist spröde gezeigt; denn die Zerstörung
der Straßen, Gebäude und Lebensmittel traf sie selbst ja natürlich noch weit
härter als den Feind.

Fassen wir nun, so weit es der beschränkte Raum erlaubt, die Armeen ins
Auge, welche mit den durch die Regierung zu Tours aufgebrachten Streit¬
kräften ins Feld gestellt wurden. Es waren das gegen Ende des Jahres
1870, im Augenblicke der suprömes ekkvrts as Trance die folgenden:



') de Freycinet a. a. O.

befriedigende Lösung dieser Aufgabe ist unmöglich." Um die Lücken der
Off leiern o rps zu füllen, wendete man drei Hauptmittel an: Erstens ver¬
doppelte man die Stärke der Compagnien, um die Zahl der erforderlichen
Hauptleute auf die Hälfte herabzusetzen, da ein guter Capitcnn bekanntlich
das am schwersten zu findende Stück des Räderwerks ist. Diese Maßregel
war natürlich bei Truppen ohne Schule und Mannszucht doppelt bedenklich
und gefährlich. Zweitens warb man im größten Maßstabe Officiere aller
Grade aus den Reihen der Armee, indem man die Corpsführer ermächtigte,
aus den Unterofficieren, ja selbst aus den Gemeinen zu schöpfen, und drittens
gestattete man in der Hilfsarmee die Ernennung von Nichtsoldaten und von
Fremden zu Officieren, wobei die Verhältnisse während des amerikanischen
Bürgerkrieges als Vorbild dienten.*)

Es versteht sich von selbst, daß bei den hastigen Neuernennungen eine
Menge oft schwerer und widerwärtiger Mißgriffe vorkamen, zumal selbst für die
vorhandenen Officiere jeder Anhalt zur Beurtheilung ihrer Antecedention fehlte,
da die Personalacten des Kriegsministeriums in Paris lagen. — Alles in
Allem aber muß man anerkennen, daß auch auf diesem Gebiete in kurzer
Frist Außerordentliches geleistet worden ist und sich die organisatorische Energie
der Franzosen glänzend bewährt hat.

Wenn mit den durch die geschilderten Maßregeln ausgebrachten Heeres¬
massen der große Krieg geführt werden sollte, so wollte ein Erlaß vom 14.
Oel. 1870 die örtliche Vertheidigung in den Departements, den
kleinen Krieg, organisiren. Er bestimmte, daß jedes Departement, dessen
Grenzen weniger als 100 Kilometer vom Feinde entfernt sei, dadurch von
Rechtswegen als „im Kriegszustande befindlich" erklärt sei. Unter dem kom-
mandirenden General des Departements sollte dann sofort ein „militärischer
Ausschuß" zusammentreten, um dem Feinde alle Arten von Vorräthen zu
entziehen, die Wege zu sperren, Feldschanzen aufzuwerfen, Defileen zu verthei¬
digen, ja, wenn es sein mußte, Alles das, was dem Feinde Nutzen bringen
könne, zu vernichten. Ergänzende Bestimmungen vom 23. und 29. Oktober
regelten die Art der Ausführung der „Verödung". Die Bevölkerung hat
sich namentlich in letzterer Beziehung meist spröde gezeigt; denn die Zerstörung
der Straßen, Gebäude und Lebensmittel traf sie selbst ja natürlich noch weit
härter als den Feind.

Fassen wir nun, so weit es der beschränkte Raum erlaubt, die Armeen ins
Auge, welche mit den durch die Regierung zu Tours aufgebrachten Streit¬
kräften ins Feld gestellt wurden. Es waren das gegen Ende des Jahres
1870, im Augenblicke der suprömes ekkvrts as Trance die folgenden:



') de Freycinet a. a. O.
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[0231] befriedigende Lösung dieser Aufgabe ist unmöglich." Um die Lücken der Off leiern o rps zu füllen, wendete man drei Hauptmittel an: Erstens ver¬ doppelte man die Stärke der Compagnien, um die Zahl der erforderlichen Hauptleute auf die Hälfte herabzusetzen, da ein guter Capitcnn bekanntlich das am schwersten zu findende Stück des Räderwerks ist. Diese Maßregel war natürlich bei Truppen ohne Schule und Mannszucht doppelt bedenklich und gefährlich. Zweitens warb man im größten Maßstabe Officiere aller Grade aus den Reihen der Armee, indem man die Corpsführer ermächtigte, aus den Unterofficieren, ja selbst aus den Gemeinen zu schöpfen, und drittens gestattete man in der Hilfsarmee die Ernennung von Nichtsoldaten und von Fremden zu Officieren, wobei die Verhältnisse während des amerikanischen Bürgerkrieges als Vorbild dienten.*) Es versteht sich von selbst, daß bei den hastigen Neuernennungen eine Menge oft schwerer und widerwärtiger Mißgriffe vorkamen, zumal selbst für die vorhandenen Officiere jeder Anhalt zur Beurtheilung ihrer Antecedention fehlte, da die Personalacten des Kriegsministeriums in Paris lagen. — Alles in Allem aber muß man anerkennen, daß auch auf diesem Gebiete in kurzer Frist Außerordentliches geleistet worden ist und sich die organisatorische Energie der Franzosen glänzend bewährt hat. Wenn mit den durch die geschilderten Maßregeln ausgebrachten Heeres¬ massen der große Krieg geführt werden sollte, so wollte ein Erlaß vom 14. Oel. 1870 die örtliche Vertheidigung in den Departements, den kleinen Krieg, organisiren. Er bestimmte, daß jedes Departement, dessen Grenzen weniger als 100 Kilometer vom Feinde entfernt sei, dadurch von Rechtswegen als „im Kriegszustande befindlich" erklärt sei. Unter dem kom- mandirenden General des Departements sollte dann sofort ein „militärischer Ausschuß" zusammentreten, um dem Feinde alle Arten von Vorräthen zu entziehen, die Wege zu sperren, Feldschanzen aufzuwerfen, Defileen zu verthei¬ digen, ja, wenn es sein mußte, Alles das, was dem Feinde Nutzen bringen könne, zu vernichten. Ergänzende Bestimmungen vom 23. und 29. Oktober regelten die Art der Ausführung der „Verödung". Die Bevölkerung hat sich namentlich in letzterer Beziehung meist spröde gezeigt; denn die Zerstörung der Straßen, Gebäude und Lebensmittel traf sie selbst ja natürlich noch weit härter als den Feind. Fassen wir nun, so weit es der beschränkte Raum erlaubt, die Armeen ins Auge, welche mit den durch die Regierung zu Tours aufgebrachten Streit¬ kräften ins Feld gestellt wurden. Es waren das gegen Ende des Jahres 1870, im Augenblicke der suprömes ekkvrts as Trance die folgenden: ') de Freycinet a. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/231>, abgerufen am 22.07.2024.