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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Was die Porträts betrifft, so zeigen sie im Allgemeinen, wie viel reiche
Leute es heut zu Tage giebt, die das Vergnügen bezahlen können, sich so
imposant, als es sich thun läßt, zur Schau gestellt zu sehen. Am meisten
künstlerisch bei solchen Aufgaben weiß Gustav Greis zu verfahren, indem er
den äußerlichen Effect vermeidet und auf den von Zuthaten unbeeinträchtigten
Ausdruck des individuellen Lebens mit Glück ausgeht. Das Porträt einer
eleganten Salondame prunkt dennoch nicht mit dem Effect, Sammt. Seide
und Juwelen wiederzugeben, wie sie am Kauftisch glänzen. Auch ist es keine
jener Zurschausitzungen oder Zurschaustellungen. Die Dame stützt sich, wie in
zwanglos bewegter Unterhaltung, vorübergehend mit beiden Händen auf die¬
selbe Stelle des Divans, was der ganzen Figur einen äußerst lebenswahren
Ausdruck verleiht.

Unter den plastischen Bildwerken ist Begas habendes Mädchen, in Mar¬
mor ausgeführt, der Gegenstand der Bewunderung oder des verwerfenden
Tadels. Denn dieser Künstler hat es dahin gebracht, daß er nur noch Be¬
wunderer oder Feinde zählt. Eine Stellung, die zuweilen dem wahren Genie,
zuweilen auch der falschen Prätention zu Theil wird. Wir möchten uns, einige
Wünsche vorbehalten, für die Bewunderer des Künstlers und für die Echtheit
seiner genialen Kraft erklären. Aber den Streit, den seine Werke bereits erregt
haben, können wir hier nicht ausfechten. Was die vorliegende Figur betrifft,
so drängt sich ihr lebensvoller Reiz auch dem Widerwilligen auf. Diese üppigen
und doch jugendlich zarten Formen, die mit dem halb kindlichen Gesicht nicht
in Widerspruch stehen. Aber allerdings ist die Durchbildung der Formen keine
gleichmäßige und an einigen Theilen der Gestalt wird die Ueppigkeit zur Un-
form. Es ist das. was Begas Gegner am meisten an ihm tadeln, daß er
über den glücklichen Wurf des Ganzen, über den Zauber einzelner Partien
unbesorgt wird um andere Partien, die nun ausfallen müssen, wie es die
Anlage fordert, unbekümmert, ob das schön oder wenigstens naturwahr, oder
auch nur möglich ist. Der vollendete Künstler legt seine Werke so an, daß
kein Theil der Ausführung ihn aus das Unschöne, geschweige denn auf das
Felix Cain. Unmögliche bringt.




Berichtigung.


,
D. Red. d. Grenzboten.


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von K. L. Hervig. Druck von Hiithtl Segler in Leipzig.

Was die Porträts betrifft, so zeigen sie im Allgemeinen, wie viel reiche
Leute es heut zu Tage giebt, die das Vergnügen bezahlen können, sich so
imposant, als es sich thun läßt, zur Schau gestellt zu sehen. Am meisten
künstlerisch bei solchen Aufgaben weiß Gustav Greis zu verfahren, indem er
den äußerlichen Effect vermeidet und auf den von Zuthaten unbeeinträchtigten
Ausdruck des individuellen Lebens mit Glück ausgeht. Das Porträt einer
eleganten Salondame prunkt dennoch nicht mit dem Effect, Sammt. Seide
und Juwelen wiederzugeben, wie sie am Kauftisch glänzen. Auch ist es keine
jener Zurschausitzungen oder Zurschaustellungen. Die Dame stützt sich, wie in
zwanglos bewegter Unterhaltung, vorübergehend mit beiden Händen auf die¬
selbe Stelle des Divans, was der ganzen Figur einen äußerst lebenswahren
Ausdruck verleiht.

Unter den plastischen Bildwerken ist Begas habendes Mädchen, in Mar¬
mor ausgeführt, der Gegenstand der Bewunderung oder des verwerfenden
Tadels. Denn dieser Künstler hat es dahin gebracht, daß er nur noch Be¬
wunderer oder Feinde zählt. Eine Stellung, die zuweilen dem wahren Genie,
zuweilen auch der falschen Prätention zu Theil wird. Wir möchten uns, einige
Wünsche vorbehalten, für die Bewunderer des Künstlers und für die Echtheit
seiner genialen Kraft erklären. Aber den Streit, den seine Werke bereits erregt
haben, können wir hier nicht ausfechten. Was die vorliegende Figur betrifft,
so drängt sich ihr lebensvoller Reiz auch dem Widerwilligen auf. Diese üppigen
und doch jugendlich zarten Formen, die mit dem halb kindlichen Gesicht nicht
in Widerspruch stehen. Aber allerdings ist die Durchbildung der Formen keine
gleichmäßige und an einigen Theilen der Gestalt wird die Ueppigkeit zur Un-
form. Es ist das. was Begas Gegner am meisten an ihm tadeln, daß er
über den glücklichen Wurf des Ganzen, über den Zauber einzelner Partien
unbesorgt wird um andere Partien, die nun ausfallen müssen, wie es die
Anlage fordert, unbekümmert, ob das schön oder wenigstens naturwahr, oder
auch nur möglich ist. Der vollendete Künstler legt seine Werke so an, daß
kein Theil der Ausführung ihn aus das Unschöne, geschweige denn auf das
Felix Cain. Unmögliche bringt.




Berichtigung.


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D. Red. d. Grenzboten.


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von K. L. Hervig. Druck von Hiithtl Segler in Leipzig.
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[0208] Was die Porträts betrifft, so zeigen sie im Allgemeinen, wie viel reiche Leute es heut zu Tage giebt, die das Vergnügen bezahlen können, sich so imposant, als es sich thun läßt, zur Schau gestellt zu sehen. Am meisten künstlerisch bei solchen Aufgaben weiß Gustav Greis zu verfahren, indem er den äußerlichen Effect vermeidet und auf den von Zuthaten unbeeinträchtigten Ausdruck des individuellen Lebens mit Glück ausgeht. Das Porträt einer eleganten Salondame prunkt dennoch nicht mit dem Effect, Sammt. Seide und Juwelen wiederzugeben, wie sie am Kauftisch glänzen. Auch ist es keine jener Zurschausitzungen oder Zurschaustellungen. Die Dame stützt sich, wie in zwanglos bewegter Unterhaltung, vorübergehend mit beiden Händen auf die¬ selbe Stelle des Divans, was der ganzen Figur einen äußerst lebenswahren Ausdruck verleiht. Unter den plastischen Bildwerken ist Begas habendes Mädchen, in Mar¬ mor ausgeführt, der Gegenstand der Bewunderung oder des verwerfenden Tadels. Denn dieser Künstler hat es dahin gebracht, daß er nur noch Be¬ wunderer oder Feinde zählt. Eine Stellung, die zuweilen dem wahren Genie, zuweilen auch der falschen Prätention zu Theil wird. Wir möchten uns, einige Wünsche vorbehalten, für die Bewunderer des Künstlers und für die Echtheit seiner genialen Kraft erklären. Aber den Streit, den seine Werke bereits erregt haben, können wir hier nicht ausfechten. Was die vorliegende Figur betrifft, so drängt sich ihr lebensvoller Reiz auch dem Widerwilligen auf. Diese üppigen und doch jugendlich zarten Formen, die mit dem halb kindlichen Gesicht nicht in Widerspruch stehen. Aber allerdings ist die Durchbildung der Formen keine gleichmäßige und an einigen Theilen der Gestalt wird die Ueppigkeit zur Un- form. Es ist das. was Begas Gegner am meisten an ihm tadeln, daß er über den glücklichen Wurf des Ganzen, über den Zauber einzelner Partien unbesorgt wird um andere Partien, die nun ausfallen müssen, wie es die Anlage fordert, unbekümmert, ob das schön oder wenigstens naturwahr, oder auch nur möglich ist. Der vollendete Künstler legt seine Werke so an, daß kein Theil der Ausführung ihn aus das Unschöne, geschweige denn auf das Felix Cain. Unmögliche bringt. Berichtigung. , D. Red. d. Grenzboten. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von K. L. Hervig. Druck von Hiithtl Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/208>, abgerufen am 30.06.2024.