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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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war und noch ist, und er wird, Alles in Allem genommen und noch mancher¬
lei Mängel und Schäden zugegeben, geneigt sein, besser von beiden zu denken,
als viele seiner ausgearbeiteten, aber weniger einfachen und weniger geradezu
redenden Berichte ihn zu denken bewogen haben möchten.




Frankreich und die allgemeine Wehrpflicht
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"Mr. M ^-l
Mar Jähns.
XIII.

Als im französischen Ministerrathe der Marschall Leboeuf die Erklärung
abgab, die Armee sei zum Kriege bereit, wurde die Frage an ihn gerichtet,
was er unter diesem Wort verstehe. Und er antwortete mit stolzer Zuver¬
sicht : die Armee sei mit Allem dergestalt ausgerüstet, daß man binnen Jahres¬
frist auch keinen Gamaschenknopf anzuschaffen brauche; sie sei eben ganz und
gar "aredixröt". Die Berechnungen, welche der Kriegsminister dem Kaiser
vorgelegt hatte und welche wir mitgetheilt haben, stimmten vortrefflich auf
dem Papiere. Was für eine bittere Enttäuschung war es daher für Napo¬
leon, als er bei Uebernahme des Oberbefehls, nachdem drei Wochen Mvbil-
machungszeit verstrichen, nicht mehr denn etwa 200,000 Mann in den Cadres
der Rheinarmee vorfand.

In einem vom Kaiser Napoleon inspirirter Memoire") hat er in allge¬
meinen Zügen den Plan gezeichnet, den er für den Feldzug gegen Preußen
entworfen hatte. Da heißt es in der Hauptsache wie folgt:

"Der Kaiser wußte, daß Preußen in kurzer Zeit 900,000 Mann mobil machen
konnte und mit Beihülfe der Südstaaten 1,100,000 Mann, denen Frankreich nur
600.000 Mann entgegenstellen konnte. Und da die Zahl der streitbaren niemals
mehr als die Hälfte des Effectivstandcs enthält, so war Deutschland bereit, 550,000
Mann ans das Schlachtfeld zu führen, während Frankreich nur ungefähr 300,000
Mann hatte, um dem Feinde entgegenzutreten. Um diese numerische Ueberlegenheit
auszugleichen, hätten die Franzosen durch eine äußerst schnelle Bewegung den Rhein
überschreiten, Süddeutschland vom Nordbund trennen und durch den Eclat eines erste"
Erfolges Oesterreich und Italien sich zu Verbündeten machen müssen. Wenn es gelang,



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als viele seiner ausgearbeiteten, aber weniger einfachen und weniger geradezu
redenden Berichte ihn zu denken bewogen haben möchten.




Frankreich und die allgemeine Wehrpflicht
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Als im französischen Ministerrathe der Marschall Leboeuf die Erklärung
abgab, die Armee sei zum Kriege bereit, wurde die Frage an ihn gerichtet,
was er unter diesem Wort verstehe. Und er antwortete mit stolzer Zuver¬
sicht : die Armee sei mit Allem dergestalt ausgerüstet, daß man binnen Jahres¬
frist auch keinen Gamaschenknopf anzuschaffen brauche; sie sei eben ganz und
gar „aredixröt". Die Berechnungen, welche der Kriegsminister dem Kaiser
vorgelegt hatte und welche wir mitgetheilt haben, stimmten vortrefflich auf
dem Papiere. Was für eine bittere Enttäuschung war es daher für Napo¬
leon, als er bei Uebernahme des Oberbefehls, nachdem drei Wochen Mvbil-
machungszeit verstrichen, nicht mehr denn etwa 200,000 Mann in den Cadres
der Rheinarmee vorfand.

In einem vom Kaiser Napoleon inspirirter Memoire") hat er in allge¬
meinen Zügen den Plan gezeichnet, den er für den Feldzug gegen Preußen
entworfen hatte. Da heißt es in der Hauptsache wie folgt:

„Der Kaiser wußte, daß Preußen in kurzer Zeit 900,000 Mann mobil machen
konnte und mit Beihülfe der Südstaaten 1,100,000 Mann, denen Frankreich nur
600.000 Mann entgegenstellen konnte. Und da die Zahl der streitbaren niemals
mehr als die Hälfte des Effectivstandcs enthält, so war Deutschland bereit, 550,000
Mann ans das Schlachtfeld zu führen, während Frankreich nur ungefähr 300,000
Mann hatte, um dem Feinde entgegenzutreten. Um diese numerische Ueberlegenheit
auszugleichen, hätten die Franzosen durch eine äußerst schnelle Bewegung den Rhein
überschreiten, Süddeutschland vom Nordbund trennen und durch den Eclat eines erste»
Erfolges Oesterreich und Italien sich zu Verbündeten machen müssen. Wenn es gelang,



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[0176] war und noch ist, und er wird, Alles in Allem genommen und noch mancher¬ lei Mängel und Schäden zugegeben, geneigt sein, besser von beiden zu denken, als viele seiner ausgearbeiteten, aber weniger einfachen und weniger geradezu redenden Berichte ihn zu denken bewogen haben möchten. Frankreich und die allgemeine Wehrpflicht '"'' «Mr. M ^-l Mar Jähns. XIII. Als im französischen Ministerrathe der Marschall Leboeuf die Erklärung abgab, die Armee sei zum Kriege bereit, wurde die Frage an ihn gerichtet, was er unter diesem Wort verstehe. Und er antwortete mit stolzer Zuver¬ sicht : die Armee sei mit Allem dergestalt ausgerüstet, daß man binnen Jahres¬ frist auch keinen Gamaschenknopf anzuschaffen brauche; sie sei eben ganz und gar „aredixröt". Die Berechnungen, welche der Kriegsminister dem Kaiser vorgelegt hatte und welche wir mitgetheilt haben, stimmten vortrefflich auf dem Papiere. Was für eine bittere Enttäuschung war es daher für Napo¬ leon, als er bei Uebernahme des Oberbefehls, nachdem drei Wochen Mvbil- machungszeit verstrichen, nicht mehr denn etwa 200,000 Mann in den Cadres der Rheinarmee vorfand. In einem vom Kaiser Napoleon inspirirter Memoire") hat er in allge¬ meinen Zügen den Plan gezeichnet, den er für den Feldzug gegen Preußen entworfen hatte. Da heißt es in der Hauptsache wie folgt: „Der Kaiser wußte, daß Preußen in kurzer Zeit 900,000 Mann mobil machen konnte und mit Beihülfe der Südstaaten 1,100,000 Mann, denen Frankreich nur 600.000 Mann entgegenstellen konnte. Und da die Zahl der streitbaren niemals mehr als die Hälfte des Effectivstandcs enthält, so war Deutschland bereit, 550,000 Mann ans das Schlachtfeld zu führen, während Frankreich nur ungefähr 300,000 Mann hatte, um dem Feinde entgegenzutreten. Um diese numerische Ueberlegenheit auszugleichen, hätten die Franzosen durch eine äußerst schnelle Bewegung den Rhein überschreiten, Süddeutschland vom Nordbund trennen und durch den Eclat eines erste» Erfolges Oesterreich und Italien sich zu Verbündeten machen müssen. Wenn es gelang, ") LaniMsns 6ö 1870. D«» okuisc!» cM ont amon« I» oapitulÄtivu no LeMru ?ar un ot'tioisr attÄvIu'! ü, I'neue-ni^or göllüi'»!. -,'.-,'<5-><!.>>!>l-:°>,>'>-'''>'''>!''-''>-»>-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/176>, abgerufen am 22.07.2024.