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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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daß er zu den Teetotalern gehört, daß er stark zu den Begetarians, d. h.
zu den guten Leuten hinneigt, welche das Fleischessen für unzuträglich und
unvernünftig halten, ja daß er halb und halb an die Lehre der Geister¬
klopfer glaubt, während er doch wieder einer Menge hausbackener Wahr¬
heiten mißtraut, die, wenn wir anders die amerikanischen Spiritualisten rich¬
tig beurtheilen, neun Zehntel derselben tödtlich verletzen müssen. Seine Mit¬
theilung über Margaret Füller, die einige Zeit als ein Mitglied seines Haus¬
halts bei ihm lebte, zeigt zugleich eine gewisse Hinneigung zu den sogenann¬
ten "Weiberrechten", welche nicht geeignet ist, die, welche es mit dem Alten
zu halten gedenken, zufrieden zu stellen, und andererseits einen Glauben an
den heilsamen Einfluß eines "Gatten und etlicher fröhlich umherhüpfender
Kinderchen", welcher die gegen solche Segnungen aufkreischende Schwestern¬
schaft in Wuth versetzen muß.

Diejenigen, welche mehr von Characteren als von Meinungen halten
und der Ansicht sind, daß die Politik eines Präsidenten der Vereinigten
Staaten zwar im Allgemeinen durch das Programm seiner Partei geregelt
wird, daß aber die Klugheit und der Erfolg seiner Verwaltung in großem
Maße von seinen persönlichen Eigenschaften abhängen, namentlich, wo es sich
um einen Mann von starkem Willen voll Selbstvertrauen und leidenschaft¬
lich festgehaltene Ueberzeugungen handelt, werden sich durch diese Aufzeich¬
nungen nicht zu Herrn Greeley hingezogen fühlen. Denn dieselben zeigen
eine nur mittelmäßige Bildung und Erziehung, und ein lebendiges, aber
beschränktes Verständniß, einen gesunden Menschenverstand, der aber so wenig
durch Lernen cultivirt ist, daß er uns keinerlei Sicherheit vor den tollsten
Verirrungen in Betreff solcher Dinge gewährt, welche nicht in das Bereich
seiner eigenen Erfahrungen fallen, und ein zähes Festhalten an vorgefaßten
Meinungen, welchem nur die Leichtfertigkeit gleichkommt, mit der sie sich bei
ihm auf unzureichende und unpassende Voraussetzungen hin bilden.

Kurz, Horace Greeley hat ohne Zweifel seine Tugenden. Aber es ist
ungefähr der letzte, welchen Staatsmänner wählen würden, um ihn mit einem
bedeutenden Maße directer Gewalt und einem noch größeren Maße indirecten
Einflusses auszustatten, den der damit Bekleidete nach seinem Belieben, un-
controlirt von verantwortlichen Räthen und sehr wenig gehindert vom Con-
gresse, ausüben kann.

Für einen beträchtlichen Theil seiner Anhänger im Norden der Union
aber machen die Antecedentien, welche Greeley zum Regenten untauglich er¬
scheinen lassen, und die Eigenthümlichkeiten, welche diese Untauglichkeit be¬
leuchten, gerade seine Hauptanziehungskraft aus. Er ist für sie ein Mann
von persönlicher Bedeutung und zugleich einer Ihresgleichen. Er übt
auf ihre Einbildungskraft allen den Einfluß aus, welcher einer scharf aus-


daß er zu den Teetotalern gehört, daß er stark zu den Begetarians, d. h.
zu den guten Leuten hinneigt, welche das Fleischessen für unzuträglich und
unvernünftig halten, ja daß er halb und halb an die Lehre der Geister¬
klopfer glaubt, während er doch wieder einer Menge hausbackener Wahr¬
heiten mißtraut, die, wenn wir anders die amerikanischen Spiritualisten rich¬
tig beurtheilen, neun Zehntel derselben tödtlich verletzen müssen. Seine Mit¬
theilung über Margaret Füller, die einige Zeit als ein Mitglied seines Haus¬
halts bei ihm lebte, zeigt zugleich eine gewisse Hinneigung zu den sogenann¬
ten „Weiberrechten", welche nicht geeignet ist, die, welche es mit dem Alten
zu halten gedenken, zufrieden zu stellen, und andererseits einen Glauben an
den heilsamen Einfluß eines „Gatten und etlicher fröhlich umherhüpfender
Kinderchen", welcher die gegen solche Segnungen aufkreischende Schwestern¬
schaft in Wuth versetzen muß.

Diejenigen, welche mehr von Characteren als von Meinungen halten
und der Ansicht sind, daß die Politik eines Präsidenten der Vereinigten
Staaten zwar im Allgemeinen durch das Programm seiner Partei geregelt
wird, daß aber die Klugheit und der Erfolg seiner Verwaltung in großem
Maße von seinen persönlichen Eigenschaften abhängen, namentlich, wo es sich
um einen Mann von starkem Willen voll Selbstvertrauen und leidenschaft¬
lich festgehaltene Ueberzeugungen handelt, werden sich durch diese Aufzeich¬
nungen nicht zu Herrn Greeley hingezogen fühlen. Denn dieselben zeigen
eine nur mittelmäßige Bildung und Erziehung, und ein lebendiges, aber
beschränktes Verständniß, einen gesunden Menschenverstand, der aber so wenig
durch Lernen cultivirt ist, daß er uns keinerlei Sicherheit vor den tollsten
Verirrungen in Betreff solcher Dinge gewährt, welche nicht in das Bereich
seiner eigenen Erfahrungen fallen, und ein zähes Festhalten an vorgefaßten
Meinungen, welchem nur die Leichtfertigkeit gleichkommt, mit der sie sich bei
ihm auf unzureichende und unpassende Voraussetzungen hin bilden.

Kurz, Horace Greeley hat ohne Zweifel seine Tugenden. Aber es ist
ungefähr der letzte, welchen Staatsmänner wählen würden, um ihn mit einem
bedeutenden Maße directer Gewalt und einem noch größeren Maße indirecten
Einflusses auszustatten, den der damit Bekleidete nach seinem Belieben, un-
controlirt von verantwortlichen Räthen und sehr wenig gehindert vom Con-
gresse, ausüben kann.

Für einen beträchtlichen Theil seiner Anhänger im Norden der Union
aber machen die Antecedentien, welche Greeley zum Regenten untauglich er¬
scheinen lassen, und die Eigenthümlichkeiten, welche diese Untauglichkeit be¬
leuchten, gerade seine Hauptanziehungskraft aus. Er ist für sie ein Mann
von persönlicher Bedeutung und zugleich einer Ihresgleichen. Er übt
auf ihre Einbildungskraft allen den Einfluß aus, welcher einer scharf aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/172>, abgerufen am 22.07.2024.