Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

preußischen Vorbilde nachzueifern. -- Als Frucht ihrer Berathungen ver¬
öffentlichte die Commission am 12. December schon ein Memoire, in welchem
es heißt:

"Das Project zur Reorganisation der Armee gründet sich auf die Er¬
wägung, daß Frankreich, um seinen Rang in Europa zu bewahren, im Stande
sein muß, eine Armee von (Alles in Allem) 800.000 Mann aufzustellen.
Zu diesen 800,000 Mann muß jedoch nothwendigerweise noch eine bewaffnete
Macht hinzukommen, welche die Ordnung im Inneren aufrecht erhält und
Küsten und Festungen besetzt, indeß die Armee an den Grenzen kämpft."

Im Einzelnen stellte der Plan 3 Kategorien Wehrpflichtiger auf: Stehen-
des Heer, Reserve, mobile Nationalgarde. Im stehenden Heer oder in
der Reserve sollte die Dienstzeit 6 Jahre und demnächst nach Austritt
aus der einen oder andern Kategorie noch 3 Jahre in der mobilen Natio¬
nalgarde, im Ganzen also 9 Jahre dauern. Zur mobilen National¬
garde sollten auch alle Diejenigen gehören, welche sich
vom Dienst im stehenden Heere losgekauft hatten. --
Die Reserve, wie die bisherige äeuxiömcz portion des Contingents aus
den Dienstpflichtigen hoher Losungsnummern bestehend, sollte wie jene in
besonderen Depots auserercirt werden und zur freien und unbedingten Ver¬
fügung der Regierung stehn. Man wollte sie in zwei Aufgebote (promior
et Leeonil dan) theilen, von denen das erstere auch im Frieden zur Comple-
tirung der Cadres einberufen werden könnte, während der zweite Ban nur
zur Uebung herangezogen werden sollte. Das Minimalmaß wurde um
1 Centimeter herabgesetzt.

Der Moniteur begleitete den Entwurf noch mit einigen offiziösen Er¬
läuterungen, welcher den Franzosen zu Gemüthe führte, wie es ein Fehler
der bisherigen Sitte sei, daß man den Waffendienst als Steuer, nicht als
Pflicht aufgefaßt und daher die Stellvertretung als Recht statt als Toleranz
beansprucht habe; über die Dotation und Eroneratiou aber brach er gradezu
den Stab mit den bezeichnenden Worten: "II xout arriver un i'oui-, on la
c-uffe as ciotation ait beaucvux 6'g.rxent et le M?s ML "sse^ Ac sol-
äats".

Marschall Randon war mit den Ideen des Entwurfs nicht einverstanden
und so übernahm der eigentliche Autor desselben, Marschall Niet, an seiner
Statt das Kriegsministerium.

Randon war jedoch nicht der Einzige, der sich mit jenem Entwürfe unzu¬
frieden zeigte. Er kannte die Stimmung der Franzosen offenbar besser als
Niet; denn eine gewaltige Erregung und Entrüstung des Publikums begrüßte



') Moniteur vom 12. Decbr. 1866.

preußischen Vorbilde nachzueifern. — Als Frucht ihrer Berathungen ver¬
öffentlichte die Commission am 12. December schon ein Memoire, in welchem
es heißt:

„Das Project zur Reorganisation der Armee gründet sich auf die Er¬
wägung, daß Frankreich, um seinen Rang in Europa zu bewahren, im Stande
sein muß, eine Armee von (Alles in Allem) 800.000 Mann aufzustellen.
Zu diesen 800,000 Mann muß jedoch nothwendigerweise noch eine bewaffnete
Macht hinzukommen, welche die Ordnung im Inneren aufrecht erhält und
Küsten und Festungen besetzt, indeß die Armee an den Grenzen kämpft."

Im Einzelnen stellte der Plan 3 Kategorien Wehrpflichtiger auf: Stehen-
des Heer, Reserve, mobile Nationalgarde. Im stehenden Heer oder in
der Reserve sollte die Dienstzeit 6 Jahre und demnächst nach Austritt
aus der einen oder andern Kategorie noch 3 Jahre in der mobilen Natio¬
nalgarde, im Ganzen also 9 Jahre dauern. Zur mobilen National¬
garde sollten auch alle Diejenigen gehören, welche sich
vom Dienst im stehenden Heere losgekauft hatten. —
Die Reserve, wie die bisherige äeuxiömcz portion des Contingents aus
den Dienstpflichtigen hoher Losungsnummern bestehend, sollte wie jene in
besonderen Depots auserercirt werden und zur freien und unbedingten Ver¬
fügung der Regierung stehn. Man wollte sie in zwei Aufgebote (promior
et Leeonil dan) theilen, von denen das erstere auch im Frieden zur Comple-
tirung der Cadres einberufen werden könnte, während der zweite Ban nur
zur Uebung herangezogen werden sollte. Das Minimalmaß wurde um
1 Centimeter herabgesetzt.

Der Moniteur begleitete den Entwurf noch mit einigen offiziösen Er¬
läuterungen, welcher den Franzosen zu Gemüthe führte, wie es ein Fehler
der bisherigen Sitte sei, daß man den Waffendienst als Steuer, nicht als
Pflicht aufgefaßt und daher die Stellvertretung als Recht statt als Toleranz
beansprucht habe; über die Dotation und Eroneratiou aber brach er gradezu
den Stab mit den bezeichnenden Worten: „II xout arriver un i'oui-, on la
c-uffe as ciotation ait beaucvux 6'g.rxent et le M?s ML »sse^ Ac sol-
äats".

Marschall Randon war mit den Ideen des Entwurfs nicht einverstanden
und so übernahm der eigentliche Autor desselben, Marschall Niet, an seiner
Statt das Kriegsministerium.

Randon war jedoch nicht der Einzige, der sich mit jenem Entwürfe unzu¬
frieden zeigte. Er kannte die Stimmung der Franzosen offenbar besser als
Niet; denn eine gewaltige Erregung und Entrüstung des Publikums begrüßte



') Moniteur vom 12. Decbr. 1866.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128596"/>
            <p xml:id="ID_382" prev="#ID_381"> preußischen Vorbilde nachzueifern. &#x2014; Als Frucht ihrer Berathungen ver¬<lb/>
öffentlichte die Commission am 12. December schon ein Memoire, in welchem<lb/>
es heißt:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_383"> &#x201E;Das Project zur Reorganisation der Armee gründet sich auf die Er¬<lb/>
wägung, daß Frankreich, um seinen Rang in Europa zu bewahren, im Stande<lb/>
sein muß, eine Armee von (Alles in Allem) 800.000 Mann aufzustellen.<lb/>
Zu diesen 800,000 Mann muß jedoch nothwendigerweise noch eine bewaffnete<lb/>
Macht hinzukommen, welche die Ordnung im Inneren aufrecht erhält und<lb/>
Küsten und Festungen besetzt, indeß die Armee an den Grenzen kämpft."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_384"> Im Einzelnen stellte der Plan 3 Kategorien Wehrpflichtiger auf: Stehen-<lb/>
des Heer, Reserve, mobile Nationalgarde. Im stehenden Heer oder in<lb/>
der Reserve sollte die Dienstzeit 6 Jahre und demnächst nach Austritt<lb/>
aus der einen oder andern Kategorie noch 3 Jahre in der mobilen Natio¬<lb/>
nalgarde, im Ganzen also 9 Jahre dauern. Zur mobilen National¬<lb/>
garde sollten auch alle Diejenigen gehören, welche sich<lb/>
vom Dienst im stehenden Heere losgekauft hatten. &#x2014;<lb/>
Die Reserve, wie die bisherige äeuxiömcz portion des Contingents aus<lb/>
den Dienstpflichtigen hoher Losungsnummern bestehend, sollte wie jene in<lb/>
besonderen Depots auserercirt werden und zur freien und unbedingten Ver¬<lb/>
fügung der Regierung stehn. Man wollte sie in zwei Aufgebote (promior<lb/>
et Leeonil dan) theilen, von denen das erstere auch im Frieden zur Comple-<lb/>
tirung der Cadres einberufen werden könnte, während der zweite Ban nur<lb/>
zur Uebung herangezogen werden sollte. Das Minimalmaß wurde um<lb/>
1 Centimeter herabgesetzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_385"> Der Moniteur begleitete den Entwurf noch mit einigen offiziösen Er¬<lb/>
läuterungen, welcher den Franzosen zu Gemüthe führte, wie es ein Fehler<lb/>
der bisherigen Sitte sei, daß man den Waffendienst als Steuer, nicht als<lb/>
Pflicht aufgefaßt und daher die Stellvertretung als Recht statt als Toleranz<lb/>
beansprucht habe; über die Dotation und Eroneratiou aber brach er gradezu<lb/>
den Stab mit den bezeichnenden Worten: &#x201E;II xout arriver un i'oui-, on la<lb/>
c-uffe as ciotation ait beaucvux 6'g.rxent et le M?s ML »sse^ Ac sol-<lb/>
äats".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_386"> Marschall Randon war mit den Ideen des Entwurfs nicht einverstanden<lb/>
und so übernahm der eigentliche Autor desselben, Marschall Niet, an seiner<lb/>
Statt das Kriegsministerium.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Randon war jedoch nicht der Einzige, der sich mit jenem Entwürfe unzu¬<lb/>
frieden zeigte. Er kannte die Stimmung der Franzosen offenbar besser als<lb/>
Niet; denn eine gewaltige Erregung und Entrüstung des Publikums begrüßte</p><lb/>
            <note xml:id="FID_67" place="foot"> ') Moniteur vom 12. Decbr. 1866.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0142] preußischen Vorbilde nachzueifern. — Als Frucht ihrer Berathungen ver¬ öffentlichte die Commission am 12. December schon ein Memoire, in welchem es heißt: „Das Project zur Reorganisation der Armee gründet sich auf die Er¬ wägung, daß Frankreich, um seinen Rang in Europa zu bewahren, im Stande sein muß, eine Armee von (Alles in Allem) 800.000 Mann aufzustellen. Zu diesen 800,000 Mann muß jedoch nothwendigerweise noch eine bewaffnete Macht hinzukommen, welche die Ordnung im Inneren aufrecht erhält und Küsten und Festungen besetzt, indeß die Armee an den Grenzen kämpft." Im Einzelnen stellte der Plan 3 Kategorien Wehrpflichtiger auf: Stehen- des Heer, Reserve, mobile Nationalgarde. Im stehenden Heer oder in der Reserve sollte die Dienstzeit 6 Jahre und demnächst nach Austritt aus der einen oder andern Kategorie noch 3 Jahre in der mobilen Natio¬ nalgarde, im Ganzen also 9 Jahre dauern. Zur mobilen National¬ garde sollten auch alle Diejenigen gehören, welche sich vom Dienst im stehenden Heere losgekauft hatten. — Die Reserve, wie die bisherige äeuxiömcz portion des Contingents aus den Dienstpflichtigen hoher Losungsnummern bestehend, sollte wie jene in besonderen Depots auserercirt werden und zur freien und unbedingten Ver¬ fügung der Regierung stehn. Man wollte sie in zwei Aufgebote (promior et Leeonil dan) theilen, von denen das erstere auch im Frieden zur Comple- tirung der Cadres einberufen werden könnte, während der zweite Ban nur zur Uebung herangezogen werden sollte. Das Minimalmaß wurde um 1 Centimeter herabgesetzt. Der Moniteur begleitete den Entwurf noch mit einigen offiziösen Er¬ läuterungen, welcher den Franzosen zu Gemüthe führte, wie es ein Fehler der bisherigen Sitte sei, daß man den Waffendienst als Steuer, nicht als Pflicht aufgefaßt und daher die Stellvertretung als Recht statt als Toleranz beansprucht habe; über die Dotation und Eroneratiou aber brach er gradezu den Stab mit den bezeichnenden Worten: „II xout arriver un i'oui-, on la c-uffe as ciotation ait beaucvux 6'g.rxent et le M?s ML »sse^ Ac sol- äats". Marschall Randon war mit den Ideen des Entwurfs nicht einverstanden und so übernahm der eigentliche Autor desselben, Marschall Niet, an seiner Statt das Kriegsministerium. Randon war jedoch nicht der Einzige, der sich mit jenem Entwürfe unzu¬ frieden zeigte. Er kannte die Stimmung der Franzosen offenbar besser als Niet; denn eine gewaltige Erregung und Entrüstung des Publikums begrüßte ') Moniteur vom 12. Decbr. 1866.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/142
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/142>, abgerufen am 04.07.2024.