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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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gesprochen und auch seinem Könige wiederholt schon dargelegt. Einer libe¬
ralen Verfassung in Preußen und einer Herstellung größerer Einheit in
Deutschland war er mit Begeisterung ergeben. Diese seine Gesinnung war
bekannt. Und gerade weil man wußte, daß er zu den einflußreichsten Freun¬
den des Königs gehörte, daß er seinen persönlichen Einfluß in der natio¬
nalen und liberalen Richtung schon mehrfach bei Friedrich Wilhelm IV. gel¬
tend gemacht, aus diesen Gründen erwuchs ihm die Aufgabe, den König mit
der Bewegung zu befreunden, ihn für ein thätiges Vorgehen zu gewinnen.
Bunsen mußte Vielen als derjenige Staatsmann erscheinen,, der die natio¬
nale Politik Preußens durchzuführen und zu leiten berufen wäre. Und einen
Anstoß nach dieser Seite zu geben, zu rathen und zu warnen fühlte er sich
gewiß berufen. Mit fester Hand den schwankenden König zu leiten und bei
dem als richtig Erkannten festzuhalten -- dazu war er nicht der Mann. Er
selbst hat im Sommer 1847, als ihm die Nothwendigkeit eines liberalgesinnten,
parlamentarischen Ideen zugänglichen Staatsleiters für Preußen klar ge¬
worden war, die Selbsterkenntniß von sich gehabt, daß "er nur dazu politisch
taugen würde, um vorn oder oben am Mastkorb schauend zeitige Winke zu
geben vor den Stürmen und Klippen, die am Horizonte erscheinen, nicht
aber am Steuerruder zu sitzen." Und so war es auch in der bewegten Zeit
von 1848 und 1849. Rathen und Warnen, Erinnern und Bitten, Erklären
und Erläutern -- das wckr Burlsen's Sache und unermüdlich war er in
diesem Werke. Wiederholt hat er es versucht, vermittelnd und vereinigend
zwischen Berlin und Frankfurt, zwischen der großen deutschen Nationalpartei
und dem preußischen Staate, zwischen der Aristokratie deutschen Geistes und
dem preußischen Königthum die Brücke zu schlagen und so die Bewegung zu
einem guten Ziele zu lenken! --

Anfangs, im Frühlinge und auch noch im Sommer 1848 waren die
Ideen Bunsen's über die deutsche Bewegung sehr unklare und unbestimmte:
ein deutliches Programm staatsmännischer Action hatte er damals noch nicht
ergriffen. Ende Juli dagegen, als er selbst nach Berlin berufen wurde, drang
er nach und nach zur Erkenntniß des Wesentlichen und Wichtigen durch. Es
galt, die Patrioten in Frankfurt, jene große um Gagern geschaarte Partei,
mit der preußischen Negierung in Verbindung zu bringen und zu erhalten.
Es war die Aufgabe Berlin und Frankfurt zu übereinstimmender Action zu
bewegen. Bunsen hat damals sehr gut diesen Gesichtspunkt ergriffen und
auf beiden Seiten ihn geltend gemacht. Ueber seine Conferenzen und Be¬
sprechungen geben eigene Aufzeichnungen uns Aufschluß. In Berlin fand er
doch viel Bedenklichkeiten gegen die Art des Auftretens, auch der National¬
partei in Frankfurt, man traute nur wenig den Parlamentariern. Und in
Frankfurt hatte man große Abneigung gegen das exclusive Preußenthum.


gesprochen und auch seinem Könige wiederholt schon dargelegt. Einer libe¬
ralen Verfassung in Preußen und einer Herstellung größerer Einheit in
Deutschland war er mit Begeisterung ergeben. Diese seine Gesinnung war
bekannt. Und gerade weil man wußte, daß er zu den einflußreichsten Freun¬
den des Königs gehörte, daß er seinen persönlichen Einfluß in der natio¬
nalen und liberalen Richtung schon mehrfach bei Friedrich Wilhelm IV. gel¬
tend gemacht, aus diesen Gründen erwuchs ihm die Aufgabe, den König mit
der Bewegung zu befreunden, ihn für ein thätiges Vorgehen zu gewinnen.
Bunsen mußte Vielen als derjenige Staatsmann erscheinen,, der die natio¬
nale Politik Preußens durchzuführen und zu leiten berufen wäre. Und einen
Anstoß nach dieser Seite zu geben, zu rathen und zu warnen fühlte er sich
gewiß berufen. Mit fester Hand den schwankenden König zu leiten und bei
dem als richtig Erkannten festzuhalten — dazu war er nicht der Mann. Er
selbst hat im Sommer 1847, als ihm die Nothwendigkeit eines liberalgesinnten,
parlamentarischen Ideen zugänglichen Staatsleiters für Preußen klar ge¬
worden war, die Selbsterkenntniß von sich gehabt, daß „er nur dazu politisch
taugen würde, um vorn oder oben am Mastkorb schauend zeitige Winke zu
geben vor den Stürmen und Klippen, die am Horizonte erscheinen, nicht
aber am Steuerruder zu sitzen." Und so war es auch in der bewegten Zeit
von 1848 und 1849. Rathen und Warnen, Erinnern und Bitten, Erklären
und Erläutern — das wckr Burlsen's Sache und unermüdlich war er in
diesem Werke. Wiederholt hat er es versucht, vermittelnd und vereinigend
zwischen Berlin und Frankfurt, zwischen der großen deutschen Nationalpartei
und dem preußischen Staate, zwischen der Aristokratie deutschen Geistes und
dem preußischen Königthum die Brücke zu schlagen und so die Bewegung zu
einem guten Ziele zu lenken! —

Anfangs, im Frühlinge und auch noch im Sommer 1848 waren die
Ideen Bunsen's über die deutsche Bewegung sehr unklare und unbestimmte:
ein deutliches Programm staatsmännischer Action hatte er damals noch nicht
ergriffen. Ende Juli dagegen, als er selbst nach Berlin berufen wurde, drang
er nach und nach zur Erkenntniß des Wesentlichen und Wichtigen durch. Es
galt, die Patrioten in Frankfurt, jene große um Gagern geschaarte Partei,
mit der preußischen Negierung in Verbindung zu bringen und zu erhalten.
Es war die Aufgabe Berlin und Frankfurt zu übereinstimmender Action zu
bewegen. Bunsen hat damals sehr gut diesen Gesichtspunkt ergriffen und
auf beiden Seiten ihn geltend gemacht. Ueber seine Conferenzen und Be¬
sprechungen geben eigene Aufzeichnungen uns Aufschluß. In Berlin fand er
doch viel Bedenklichkeiten gegen die Art des Auftretens, auch der National¬
partei in Frankfurt, man traute nur wenig den Parlamentariern. Und in
Frankfurt hatte man große Abneigung gegen das exclusive Preußenthum.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/133>, abgerufen am 04.07.2024.