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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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preußische Beamtenwelt solchen Dingen feindlich entgegengearbeitet, daß sie
ihm dies verhindert habe, ist wenigstens Bunsen's Annahme gewesen. Wir
haben eben nicht das Material zu sagen, was eigentlich oder welche Persön¬
lichkeit Bunsen von Berlin und der Staatsleitung fern gehalten habe. Genug,
er ist nicht zum Ministerposten gelangt, er hat vielmehr 1841--1834, fast
13 Jahre lang, Preußen in London vertreten.

Ueberschauen wir im Ganzen seine Londoner Thätigkeit, so wird im
Ganzen dasselbe Urtheil wie über die römische Zeit gesprochen werden können.
In der Londoner Gesellschaft, in politischen wie kirchlichen und wissenschaft¬
lichen Kreisen nahm er die ehrenvollste Stellung ein; man fühlt sich, dieser
Biographie gegenüber, fast versucht, den oft gehörten Ausspruch zu wiederholen,
daß Bunsen vortrefflich die deutsche Wissenschaft der englischen Gelehrtenwelt
bekannt gemacht, sie dort zu hohem Ansehen gebracht, sie nachdrucksvoll und
würdig vertreten. Bunsen, selbst ein Mann der Wissenschaft, war gerade für
diese Seite geeigneter als seine Vorgänger und Nachfolger. Und da es ihm
gelang, vortreffliche persönliche Beziehungen zu gewinnen, sowohl zu der
königlichen Familie, als zu den leitenden Persönlichkeiten aller englischen Par¬
teien, da er, wie wir sahen, zu den näheren Freunden und Vertrauten auch
seines königlichen Herrn gerechnet werden durfte, so brachte er bald eine sehr
angenehme Temperatur des Verkehres zwischen England und Preußen zu
Stande. Er setzte es durch, daß König Friedrich Wilhelm zur Taufe des
Prinzen von Wales in London erschien. Die Schöpfung des preußisch¬
englischen Bisthumes in Jerusalem war sein Verdienst. Zu einer Bethätigung
diplomatischer Kunst war lange keine Gelegenheit geboten. Auf die allgemeine
Weltlage hat er nicht Einfluß geübt, was nach neuerdings gegebenen Auf¬
schlüssen von seinem Vorgänger in London, Heinrich von Bülow, in gewissem
Sinne gerühmt werden kann.

Seine eigentlich politische Leistung bis zur Revolution ist seine Arbeit
auf den Geist Friedrich Wilhelm's in der kirchlichen Frage und in der An¬
gelegenheit einer preußischen Verfassung. Es ist sehr zu bedauern, daß der
vollständige Briefwechsel des Königs und seines Freundes noch nicht hat
mitgetheilt werden können. Die Veröffentlichung desselben würde eine be¬
deutende Lücke unserer historischen Kenntniß auszufüllen im Stande sein, --
hoffen wir, daß nicht allzulange er uns vorenthalten bleiben wird. So viel
wir hier sehen, hat Bunsen die Nothwendigkeit preußischer Reichsstände immer
wieder betont, und der königlichen Aengstlichkeit, nicht zu viele und zu tief
eingreifende Rechte zu concediren, zur Aufstellung eines kühnen, weitgehenden
Programmes zugeredet. Wir lesen hierj Denkschriften Bunsen's, durch die
er einzelne eigenthümliche Details, mit denen der König die Stände bekleiden
wollte, als untauglich oder zweckwidrig darlegte. 1843 schien der König he-


preußische Beamtenwelt solchen Dingen feindlich entgegengearbeitet, daß sie
ihm dies verhindert habe, ist wenigstens Bunsen's Annahme gewesen. Wir
haben eben nicht das Material zu sagen, was eigentlich oder welche Persön¬
lichkeit Bunsen von Berlin und der Staatsleitung fern gehalten habe. Genug,
er ist nicht zum Ministerposten gelangt, er hat vielmehr 1841—1834, fast
13 Jahre lang, Preußen in London vertreten.

Ueberschauen wir im Ganzen seine Londoner Thätigkeit, so wird im
Ganzen dasselbe Urtheil wie über die römische Zeit gesprochen werden können.
In der Londoner Gesellschaft, in politischen wie kirchlichen und wissenschaft¬
lichen Kreisen nahm er die ehrenvollste Stellung ein; man fühlt sich, dieser
Biographie gegenüber, fast versucht, den oft gehörten Ausspruch zu wiederholen,
daß Bunsen vortrefflich die deutsche Wissenschaft der englischen Gelehrtenwelt
bekannt gemacht, sie dort zu hohem Ansehen gebracht, sie nachdrucksvoll und
würdig vertreten. Bunsen, selbst ein Mann der Wissenschaft, war gerade für
diese Seite geeigneter als seine Vorgänger und Nachfolger. Und da es ihm
gelang, vortreffliche persönliche Beziehungen zu gewinnen, sowohl zu der
königlichen Familie, als zu den leitenden Persönlichkeiten aller englischen Par¬
teien, da er, wie wir sahen, zu den näheren Freunden und Vertrauten auch
seines königlichen Herrn gerechnet werden durfte, so brachte er bald eine sehr
angenehme Temperatur des Verkehres zwischen England und Preußen zu
Stande. Er setzte es durch, daß König Friedrich Wilhelm zur Taufe des
Prinzen von Wales in London erschien. Die Schöpfung des preußisch¬
englischen Bisthumes in Jerusalem war sein Verdienst. Zu einer Bethätigung
diplomatischer Kunst war lange keine Gelegenheit geboten. Auf die allgemeine
Weltlage hat er nicht Einfluß geübt, was nach neuerdings gegebenen Auf¬
schlüssen von seinem Vorgänger in London, Heinrich von Bülow, in gewissem
Sinne gerühmt werden kann.

Seine eigentlich politische Leistung bis zur Revolution ist seine Arbeit
auf den Geist Friedrich Wilhelm's in der kirchlichen Frage und in der An¬
gelegenheit einer preußischen Verfassung. Es ist sehr zu bedauern, daß der
vollständige Briefwechsel des Königs und seines Freundes noch nicht hat
mitgetheilt werden können. Die Veröffentlichung desselben würde eine be¬
deutende Lücke unserer historischen Kenntniß auszufüllen im Stande sein, —
hoffen wir, daß nicht allzulange er uns vorenthalten bleiben wird. So viel
wir hier sehen, hat Bunsen die Nothwendigkeit preußischer Reichsstände immer
wieder betont, und der königlichen Aengstlichkeit, nicht zu viele und zu tief
eingreifende Rechte zu concediren, zur Aufstellung eines kühnen, weitgehenden
Programmes zugeredet. Wir lesen hierj Denkschriften Bunsen's, durch die
er einzelne eigenthümliche Details, mit denen der König die Stände bekleiden
wollte, als untauglich oder zweckwidrig darlegte. 1843 schien der König he-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/131>, abgerufen am 02.07.2024.