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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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werden, wie von uns. Aber die Schrift bietet wenig, um sich diese Gunst
zu erhalten. Wenn der Verfasser sich dazu hinreichend vorgebildet erachtet
hätte, um sich an eine Characteristik des Strebens, der Leistungen, der Größe
der Auffassung und der Vielseitigkeit der Disciplinen des preußischen statisti¬
schen Bureaus im Vergleich zu andern deutschen und ausländischen dieser Art
zu wagen und diese Aufgabe mit einer auf der Höhe der Zeit und ihres
Wissens stehenden Gründlichkeit zu behandeln und durchzuführen: so wäre
seine Arbeit, gleichviel ob mehr oder minder gelungen, doch um ihres Strebens
willen achtbar gewesen. Aber was wird uns hier geboten? Im ersten Ab¬
schnitt die "Vorgeschichte des königlich preußisch statistischen Bureaus", im
zweiten "die geschichtliche Entwickelung des königlich preußisch statistischen
Bureaus in den Jahren 1805 bis 1872" -- also schon an sich ein Stoff,
auf welchem nach Böckh's Vorgang nur noch für Aehrenlese eine Tagelohn
zu gewinnen war. Und dann: Diese dürre Aufzählung von Namen, Daten
und Registrandenabschriften, versetzt mit einigen uralten Anecdoten, die selbst
den alten Napoleon auf Se. Helena nicht verschonen, nennt das außerordent¬
liche Mitglied des statistischen Seminars zu Berlin "Vorgeschichte" und
"Geschichte" der preußischen Statistik? Und was bietet das Buch im Uebrigen ?
nominell in den vier weiteren Abschnitten gerade genug, nämlich "die
Organisation und Verwaltung des königlich preußisch statistischen Bureaus",
sodann auch die "geschichtliche, Entwickelung des Seminars des preußisch
statistischen Bureaus", "die Bibliothek des königlich statistischen Bureaus"
und endlich die "Publicationen des königlich preußisch statistischen Bureaus".
Thatsächlich aber nur einige beliebige Bemerkungen über alle diese Stoffe,
wie sie etwa ein Calculator oder Registrator leisten würde, wenn er zu seinem
jähen Schrecken von seinem Chef den Auftrag erhielte, ein Buch des vor¬
liegenden Titels und Inhaltes in Eile abzufassen.

Aber damit ist die schwächste Seite dieses Werkes des außerordentlichen
Mitgliedes des königlich preußisch statistischen Seminars noch nicht berührt.
Das Buch ist nämlich bei Lichte besehen in allen Abschnitten eine ebenso
grobe und unnütze Schmeichelei auf den Chef des preußisch statistischen
Bureaus den Geheimen Rath Ernst Engel, wie eine dreiste Ueberhebung
über eine ganze Anzahl von Volkswirthen, die zwar nicht Mitglieder des
Berliner statistischen Seminars sind, wie der Herr Verfasser, aber dagegen
seit einigen zwanzig Jahren öffentliche Beweise ihrer Leistungsfähigkeit und
ihres Wissens abgelegt haben. -- Diese Art von Engelmacherei ist jedenfalls
wenig nach dem Geschmack des hochverdienten Leiters des ersten statistischen
Bureaus des Continentes, und wenig nach dem Geschmacke des deutschen
gebildeten Publikums.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum.
Verlag von K. L. Herbig. -- Druck von Hiithel "K Legler in Leipzig.

werden, wie von uns. Aber die Schrift bietet wenig, um sich diese Gunst
zu erhalten. Wenn der Verfasser sich dazu hinreichend vorgebildet erachtet
hätte, um sich an eine Characteristik des Strebens, der Leistungen, der Größe
der Auffassung und der Vielseitigkeit der Disciplinen des preußischen statisti¬
schen Bureaus im Vergleich zu andern deutschen und ausländischen dieser Art
zu wagen und diese Aufgabe mit einer auf der Höhe der Zeit und ihres
Wissens stehenden Gründlichkeit zu behandeln und durchzuführen: so wäre
seine Arbeit, gleichviel ob mehr oder minder gelungen, doch um ihres Strebens
willen achtbar gewesen. Aber was wird uns hier geboten? Im ersten Ab¬
schnitt die „Vorgeschichte des königlich preußisch statistischen Bureaus", im
zweiten „die geschichtliche Entwickelung des königlich preußisch statistischen
Bureaus in den Jahren 1805 bis 1872" — also schon an sich ein Stoff,
auf welchem nach Böckh's Vorgang nur noch für Aehrenlese eine Tagelohn
zu gewinnen war. Und dann: Diese dürre Aufzählung von Namen, Daten
und Registrandenabschriften, versetzt mit einigen uralten Anecdoten, die selbst
den alten Napoleon auf Se. Helena nicht verschonen, nennt das außerordent¬
liche Mitglied des statistischen Seminars zu Berlin „Vorgeschichte" und
„Geschichte" der preußischen Statistik? Und was bietet das Buch im Uebrigen ?
nominell in den vier weiteren Abschnitten gerade genug, nämlich „die
Organisation und Verwaltung des königlich preußisch statistischen Bureaus",
sodann auch die „geschichtliche, Entwickelung des Seminars des preußisch
statistischen Bureaus", „die Bibliothek des königlich statistischen Bureaus"
und endlich die „Publicationen des königlich preußisch statistischen Bureaus".
Thatsächlich aber nur einige beliebige Bemerkungen über alle diese Stoffe,
wie sie etwa ein Calculator oder Registrator leisten würde, wenn er zu seinem
jähen Schrecken von seinem Chef den Auftrag erhielte, ein Buch des vor¬
liegenden Titels und Inhaltes in Eile abzufassen.

Aber damit ist die schwächste Seite dieses Werkes des außerordentlichen
Mitgliedes des königlich preußisch statistischen Seminars noch nicht berührt.
Das Buch ist nämlich bei Lichte besehen in allen Abschnitten eine ebenso
grobe und unnütze Schmeichelei auf den Chef des preußisch statistischen
Bureaus den Geheimen Rath Ernst Engel, wie eine dreiste Ueberhebung
über eine ganze Anzahl von Volkswirthen, die zwar nicht Mitglieder des
Berliner statistischen Seminars sind, wie der Herr Verfasser, aber dagegen
seit einigen zwanzig Jahren öffentliche Beweise ihrer Leistungsfähigkeit und
ihres Wissens abgelegt haben. — Diese Art von Engelmacherei ist jedenfalls
wenig nach dem Geschmack des hochverdienten Leiters des ersten statistischen
Bureaus des Continentes, und wenig nach dem Geschmacke des deutschen
gebildeten Publikums.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum.
Verlag von K. L. Herbig. — Druck von Hiithel «K Legler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/128>, abgerufen am 30.06.2024.