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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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erkenntniß gefällt hatten, irgend etwas darüber gesagt haben, wie der Stau¬
penschlag ins Werk zu setzen sei. Ich ließ also sofort den Profoßen kommen,
und theilte ihm mit, daß der Brandstifter außer lebenslänglichem Zuchthaus
zu Staupenschlag verurtheilt sei; er möge daher alles bereit halten, daß die
Strafe morgen in der Frühe vollstreckt werden könne. "Zu Befehl", erwie¬
derte er und ging.

Schon nach einer Stunde erschien indessen der Mann wieder und pflanzte
sich vor mir in meldender Haltung auf.

"Herr Rath," sagte er bestimmt, "das geht nicht."

"Was geht nicht?"

"Das mit dem Taubenschlag."

"Was mit dem Taubenschlag?" erwiderte ich halb verwundert, halb ärger¬
lich, in eine andere Arbeit vertieft.

"In den Taubenschlag können wir den Brandstifter nicht setzen, da kommt
er schöne raus, wenn er nicht in der ersten Nacht erfriert."

"Wer hat denn was vom Taubenschlag gesagt?" rief ich, mühsam das
Lachen unterdrückend. "Staupenschlag," sagte ich, "gestäupt" soll der Brand¬
stifter werden. Potz tausend, Profoß, Sie müssen doch wissen, was "Staupen¬
schlag ist, und "stäupen" -- das steht ja schon in der Bibel."

"Nee, Herr Rath, das is mich in meinem Leben noch nicht vorgekommen.
"Das wird man ooch blos so 'ne Neuerung sind, Herr Rath, von meine
jeliebte Vaterstadt Berlin, womit sie den Spitzbuben nicht mehr ordentlich
weh thun." Sein Gemüth schien sichtlich bekümmert. -- "Na, holen Sie
mal den Scharfrichter," sagte ich. "Was, so eklig ist der Staubenschlag!"
sagte er und ging.

Der Scharfrichter kam. "Sie werden morgen früh an einem Verurtheilten
den Staupenschlag zu vollziehen haben," sagte ich, "halten Sie sich bereit." --
"Wie wird denn das gemacht?" fragteer. "Ja, das müssen Sie doch wissen,
Scharfrichter, dafür sind Sie ja da; das können Sie doch nicht vom Richter
verlangen?"

"Das weiß ich nicht," sagte er bestimmt, "das steht nicht in unsrer Lade,
Herr Rath. Rädern kann ich einen, Herr Rath, von oben und unten, hängen
und köpfen zu allseitiger Zufriedenheit -- aber Staupschlagen, das nehmen
Sie mir nicht übel, Herr Rath, das verschimpfirt das Handwerk, das verstehe
ich nicht, das hat Vater und Großvater auch nicht gethan."

"Nun wissen Sie, Herr Scharfrichter," erwiderte ich, um zu Ehren des
preußischen Staates unter allen Umständen meine Amtswürde zu wahren,
"der Staupenschlag ist eine uralte Strafe, die wir schon von den alten Römern
überkommen haben, und die überall im deutschen Reiche in ganz besonderem
Ansehen steht; deswegen wird sie auch so selten geübt, und fast überall anders.


erkenntniß gefällt hatten, irgend etwas darüber gesagt haben, wie der Stau¬
penschlag ins Werk zu setzen sei. Ich ließ also sofort den Profoßen kommen,
und theilte ihm mit, daß der Brandstifter außer lebenslänglichem Zuchthaus
zu Staupenschlag verurtheilt sei; er möge daher alles bereit halten, daß die
Strafe morgen in der Frühe vollstreckt werden könne. „Zu Befehl", erwie¬
derte er und ging.

Schon nach einer Stunde erschien indessen der Mann wieder und pflanzte
sich vor mir in meldender Haltung auf.

„Herr Rath," sagte er bestimmt, „das geht nicht."

„Was geht nicht?"

„Das mit dem Taubenschlag."

„Was mit dem Taubenschlag?" erwiderte ich halb verwundert, halb ärger¬
lich, in eine andere Arbeit vertieft.

„In den Taubenschlag können wir den Brandstifter nicht setzen, da kommt
er schöne raus, wenn er nicht in der ersten Nacht erfriert."

„Wer hat denn was vom Taubenschlag gesagt?" rief ich, mühsam das
Lachen unterdrückend. „Staupenschlag," sagte ich, „gestäupt" soll der Brand¬
stifter werden. Potz tausend, Profoß, Sie müssen doch wissen, was „Staupen¬
schlag ist, und „stäupen" — das steht ja schon in der Bibel."

„Nee, Herr Rath, das is mich in meinem Leben noch nicht vorgekommen.
„Das wird man ooch blos so 'ne Neuerung sind, Herr Rath, von meine
jeliebte Vaterstadt Berlin, womit sie den Spitzbuben nicht mehr ordentlich
weh thun." Sein Gemüth schien sichtlich bekümmert. — „Na, holen Sie
mal den Scharfrichter," sagte ich. „Was, so eklig ist der Staubenschlag!"
sagte er und ging.

Der Scharfrichter kam. „Sie werden morgen früh an einem Verurtheilten
den Staupenschlag zu vollziehen haben," sagte ich, „halten Sie sich bereit." —
„Wie wird denn das gemacht?" fragteer. „Ja, das müssen Sie doch wissen,
Scharfrichter, dafür sind Sie ja da; das können Sie doch nicht vom Richter
verlangen?"

„Das weiß ich nicht," sagte er bestimmt, „das steht nicht in unsrer Lade,
Herr Rath. Rädern kann ich einen, Herr Rath, von oben und unten, hängen
und köpfen zu allseitiger Zufriedenheit — aber Staupschlagen, das nehmen
Sie mir nicht übel, Herr Rath, das verschimpfirt das Handwerk, das verstehe
ich nicht, das hat Vater und Großvater auch nicht gethan."

„Nun wissen Sie, Herr Scharfrichter," erwiderte ich, um zu Ehren des
preußischen Staates unter allen Umständen meine Amtswürde zu wahren,
„der Staupenschlag ist eine uralte Strafe, die wir schon von den alten Römern
überkommen haben, und die überall im deutschen Reiche in ganz besonderem
Ansehen steht; deswegen wird sie auch so selten geübt, und fast überall anders.


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[0469] erkenntniß gefällt hatten, irgend etwas darüber gesagt haben, wie der Stau¬ penschlag ins Werk zu setzen sei. Ich ließ also sofort den Profoßen kommen, und theilte ihm mit, daß der Brandstifter außer lebenslänglichem Zuchthaus zu Staupenschlag verurtheilt sei; er möge daher alles bereit halten, daß die Strafe morgen in der Frühe vollstreckt werden könne. „Zu Befehl", erwie¬ derte er und ging. Schon nach einer Stunde erschien indessen der Mann wieder und pflanzte sich vor mir in meldender Haltung auf. „Herr Rath," sagte er bestimmt, „das geht nicht." „Was geht nicht?" „Das mit dem Taubenschlag." „Was mit dem Taubenschlag?" erwiderte ich halb verwundert, halb ärger¬ lich, in eine andere Arbeit vertieft. „In den Taubenschlag können wir den Brandstifter nicht setzen, da kommt er schöne raus, wenn er nicht in der ersten Nacht erfriert." „Wer hat denn was vom Taubenschlag gesagt?" rief ich, mühsam das Lachen unterdrückend. „Staupenschlag," sagte ich, „gestäupt" soll der Brand¬ stifter werden. Potz tausend, Profoß, Sie müssen doch wissen, was „Staupen¬ schlag ist, und „stäupen" — das steht ja schon in der Bibel." „Nee, Herr Rath, das is mich in meinem Leben noch nicht vorgekommen. „Das wird man ooch blos so 'ne Neuerung sind, Herr Rath, von meine jeliebte Vaterstadt Berlin, womit sie den Spitzbuben nicht mehr ordentlich weh thun." Sein Gemüth schien sichtlich bekümmert. — „Na, holen Sie mal den Scharfrichter," sagte ich. „Was, so eklig ist der Staubenschlag!" sagte er und ging. Der Scharfrichter kam. „Sie werden morgen früh an einem Verurtheilten den Staupenschlag zu vollziehen haben," sagte ich, „halten Sie sich bereit." — „Wie wird denn das gemacht?" fragteer. „Ja, das müssen Sie doch wissen, Scharfrichter, dafür sind Sie ja da; das können Sie doch nicht vom Richter verlangen?" „Das weiß ich nicht," sagte er bestimmt, „das steht nicht in unsrer Lade, Herr Rath. Rädern kann ich einen, Herr Rath, von oben und unten, hängen und köpfen zu allseitiger Zufriedenheit — aber Staupschlagen, das nehmen Sie mir nicht übel, Herr Rath, das verschimpfirt das Handwerk, das verstehe ich nicht, das hat Vater und Großvater auch nicht gethan." „Nun wissen Sie, Herr Scharfrichter," erwiderte ich, um zu Ehren des preußischen Staates unter allen Umständen meine Amtswürde zu wahren, „der Staupenschlag ist eine uralte Strafe, die wir schon von den alten Römern überkommen haben, und die überall im deutschen Reiche in ganz besonderem Ansehen steht; deswegen wird sie auch so selten geübt, und fast überall anders.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/469>, abgerufen am 01.10.2024.