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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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wärtigen und, wie wir oben angedeutet, die Seele des Widerstandes. Er
beherrschte Juarez vollständig, übersah ihn in allen Stücken und wird gewiß
seine besten Kräfte daran setzen um Mexiko zu heben und aus der chronischen
Anarchie herauszureißen.

Wird dies möglich sein? Wir hier sehen die Zustände in unserer Nach¬
barrepublik mit Kopfschütteln und gerechtem Bedenken an, wir haben keinen
Glauben an die glückliche Zukunft Mexikos, so lange es nicht eine andere
Bevölkerung hat oder die gegenwärtige mit anderem Blute gekreuzt worden
ist. Das spanische Blut existirt in Mexiko nur noch in homöopathischer Ver¬
dünnung und die Jndianerrace dominirt ganz entschieden. Darin liegt der
Grund zu der fortgesetzten Anarchie, denn der Indianer will und kann nicht
sich ganz in unsere Cultur- und Civilisationsverhältnisse hineinfinden.

Kaltblütig haben früher unsere Blätter die Frage der Annectirung Mexikos
durch die Union erwogen und diese Frage wird auch jetzt wieder ventilirt.
Aber, so sagt man, eine Eroberung Mexikos oder nur einiger Provinzen
desselben, z. B. des silberreichen Sonora, würde den immer noch unzufriedenen
Elementen des Südens einen Zuwachs gewähren. Darum abwarten. Die
Mexikaner aber, wie sie nun wirklich sind, haben durch die Anarchie, welche
länger als ein halbes Jahrhundert ihr Land zerrüttet, sonnenklar bewiesen,
daß sie zur Selbstregierung nicht befähigt sind, daß eine Republik bei ihnen
eigentlich ein unmögliches Ding ist. Es geht ihnen wie den meisten anderen
südamerikanischen Republiken, die auch fortwährend in anarchischen Wirren
umhertummeln, aus einen Bürgerkrieg in den anderen verfallen und wo ein
Mann des Säbels oder ein von außen octroyirter Monarch die höchste Gewalt
an sich reißt.

In Mexiko nun hätte die Monarchie Maximilian's sich wohl behaupten
können, wenn wir sie nicht angegriffen und untergraben hätten. Wir hatten
die Monroedoctrin und dieser zu Gefallen mußte der Habsburger untergehen;
was aus Mexiko vor der Hand wurde, war uns gleichgiltig. Es lebe die Monroe¬
doctrin riefen wir -- und Maximilian fiel. Wann Mexiko unsere Beute wird, ist
nur eine Frage der Zeit; wir werden dort das herrschende Volk, aber wir
treffen dort nicht auf dahinsterbende Prärie- und Waldindianer, wie hier im
Gebiete der Union, sondern auf ackerbautreibende, zäh aufhaltende und sich
vermehrende Indianer, dazu Creolen und Mischlinge. Es werden neue Racen-
gegensätze geschaffen und wir haben noch an dem alten mit den Negern genug
zu verdauen. Wo das hinaus soll?

"Die einstige Eroberung Mexikos," so sagte mir dieser Tage ein Mann,
welcher in der gegenwärtigen Wahlcampagne eine hervorragende Rolle als
Agitator spielt, "bringt uns dem Tage näher an dem die Union in verschiedene
Theile zerfallen muß." Es ist richtig, Weltreiche will die Natur nicht; der


wärtigen und, wie wir oben angedeutet, die Seele des Widerstandes. Er
beherrschte Juarez vollständig, übersah ihn in allen Stücken und wird gewiß
seine besten Kräfte daran setzen um Mexiko zu heben und aus der chronischen
Anarchie herauszureißen.

Wird dies möglich sein? Wir hier sehen die Zustände in unserer Nach¬
barrepublik mit Kopfschütteln und gerechtem Bedenken an, wir haben keinen
Glauben an die glückliche Zukunft Mexikos, so lange es nicht eine andere
Bevölkerung hat oder die gegenwärtige mit anderem Blute gekreuzt worden
ist. Das spanische Blut existirt in Mexiko nur noch in homöopathischer Ver¬
dünnung und die Jndianerrace dominirt ganz entschieden. Darin liegt der
Grund zu der fortgesetzten Anarchie, denn der Indianer will und kann nicht
sich ganz in unsere Cultur- und Civilisationsverhältnisse hineinfinden.

Kaltblütig haben früher unsere Blätter die Frage der Annectirung Mexikos
durch die Union erwogen und diese Frage wird auch jetzt wieder ventilirt.
Aber, so sagt man, eine Eroberung Mexikos oder nur einiger Provinzen
desselben, z. B. des silberreichen Sonora, würde den immer noch unzufriedenen
Elementen des Südens einen Zuwachs gewähren. Darum abwarten. Die
Mexikaner aber, wie sie nun wirklich sind, haben durch die Anarchie, welche
länger als ein halbes Jahrhundert ihr Land zerrüttet, sonnenklar bewiesen,
daß sie zur Selbstregierung nicht befähigt sind, daß eine Republik bei ihnen
eigentlich ein unmögliches Ding ist. Es geht ihnen wie den meisten anderen
südamerikanischen Republiken, die auch fortwährend in anarchischen Wirren
umhertummeln, aus einen Bürgerkrieg in den anderen verfallen und wo ein
Mann des Säbels oder ein von außen octroyirter Monarch die höchste Gewalt
an sich reißt.

In Mexiko nun hätte die Monarchie Maximilian's sich wohl behaupten
können, wenn wir sie nicht angegriffen und untergraben hätten. Wir hatten
die Monroedoctrin und dieser zu Gefallen mußte der Habsburger untergehen;
was aus Mexiko vor der Hand wurde, war uns gleichgiltig. Es lebe die Monroe¬
doctrin riefen wir — und Maximilian fiel. Wann Mexiko unsere Beute wird, ist
nur eine Frage der Zeit; wir werden dort das herrschende Volk, aber wir
treffen dort nicht auf dahinsterbende Prärie- und Waldindianer, wie hier im
Gebiete der Union, sondern auf ackerbautreibende, zäh aufhaltende und sich
vermehrende Indianer, dazu Creolen und Mischlinge. Es werden neue Racen-
gegensätze geschaffen und wir haben noch an dem alten mit den Negern genug
zu verdauen. Wo das hinaus soll?

„Die einstige Eroberung Mexikos," so sagte mir dieser Tage ein Mann,
welcher in der gegenwärtigen Wahlcampagne eine hervorragende Rolle als
Agitator spielt, „bringt uns dem Tage näher an dem die Union in verschiedene
Theile zerfallen muß." Es ist richtig, Weltreiche will die Natur nicht; der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/462>, abgerufen am 23.07.2024.