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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Wer sah je schön're Blüthe wohl?
Der Vöglein Stimm' klingt mannichfalt,
In dichtem Laube steht der Wald,
Deß wird manch traurig Herze froh!"

Aber nach der Freude des Lenzes und der Liebe kommt der trübe Herbst.
Da ziehen wehmüthige Gedanken in das Herz des Dichters ein, Gedanken über
die Vergänglichkeit der schönen Natur, Gedanken an die ferne Geliebte,
die ihn mit ihrem "durchlauchtig rothen Mund" bis auf den Tod verwun¬
det hat.


"Ich bin verwund't von zweier Hände Leide-,
Rathet, ob das Freude mir vertreibe,
Es falben lichte Blumen auf der Haide,
So leid' ich Noth von einem reinen Weibe."

Auch der religiöse Grundton seiner Zeit verläugnet sich bei ihm nicht, er
stellt seine Liebe in Gottes Hand und singt:


"Ja Herr Gott, durch Deine Güte
Wollst Du der Minniglichen pflegen.
Mit steter Treue sie behüte
Und send' ihr Deinen reichen Segen!"

So ist Markgraf Otto durch sein Dichterwort über Jahrhunderte hinaus
noch verbunden mit unserem Gemüth.

Noch ein Leichengepränge wie das Otto's mit dem Pfeile sollte in den
Mauern des Klosters stattfinden, eh' sich die Choriner Fürstengruft für immer
schloß. Noch eine Gestalt rufen wir aus den Grüften, prächtig wie Otto und
hochstrebend wie er, aber bald dahin geschwunden wie der Schein der Winter¬
sonne, den Markgrafen Woldemar. Es war bezeichnend für den Geistesflug
des Jünglings, daß er die erste Stadt, die er gründete, Arnscrone nannte.
Er ist ein ächtes Kind seiner Zeit, tapfer bis zur Verwegenheit, demüthig
fromm, vor allen Dingen begabt mit dem weiten Blick und dem Unterneh¬
mungsgeiste seines Hauses, daneben prunkend eitel, rücksichtslos ehrgeizig, sinn¬
lich und selbst grausam. Sein Leben war unstäte und flüchtig, -- wir sehen
ihn auf seinem abenteuerlichen Turnier vor Rostock, sehen ihn dann den rit¬
terlichen Hülfezug für die bedrängte Hansastadt Stralsund unternehmen, dann
bei Gransee gegen Heinrich den Löwen von Mecklenburg kämpfen, -- er stürzt
schwer verwundet vom Roß, aus wär' es mit dem Herrscherhaus von Bran¬
denburg, hätten nicht die treuen Grafen von Mannsfeld und von Regenstein
mit Schild und Leib den Herrn gedeckt. Wie seine Vorfahren, versuchte auch
Woldemar die höchste Würde der Christenheit seinem Hause zu verschaffen, die
Untreue des Nicolaus von Buch vereitelte seine Pläne.

Durch Woldemar's letzte Lebensjahre zieht sich fortlaufend eine wehmü-


Wer sah je schön're Blüthe wohl?
Der Vöglein Stimm' klingt mannichfalt,
In dichtem Laube steht der Wald,
Deß wird manch traurig Herze froh!"

Aber nach der Freude des Lenzes und der Liebe kommt der trübe Herbst.
Da ziehen wehmüthige Gedanken in das Herz des Dichters ein, Gedanken über
die Vergänglichkeit der schönen Natur, Gedanken an die ferne Geliebte,
die ihn mit ihrem „durchlauchtig rothen Mund" bis auf den Tod verwun¬
det hat.


„Ich bin verwund't von zweier Hände Leide-,
Rathet, ob das Freude mir vertreibe,
Es falben lichte Blumen auf der Haide,
So leid' ich Noth von einem reinen Weibe."

Auch der religiöse Grundton seiner Zeit verläugnet sich bei ihm nicht, er
stellt seine Liebe in Gottes Hand und singt:


„Ja Herr Gott, durch Deine Güte
Wollst Du der Minniglichen pflegen.
Mit steter Treue sie behüte
Und send' ihr Deinen reichen Segen!"

So ist Markgraf Otto durch sein Dichterwort über Jahrhunderte hinaus
noch verbunden mit unserem Gemüth.

Noch ein Leichengepränge wie das Otto's mit dem Pfeile sollte in den
Mauern des Klosters stattfinden, eh' sich die Choriner Fürstengruft für immer
schloß. Noch eine Gestalt rufen wir aus den Grüften, prächtig wie Otto und
hochstrebend wie er, aber bald dahin geschwunden wie der Schein der Winter¬
sonne, den Markgrafen Woldemar. Es war bezeichnend für den Geistesflug
des Jünglings, daß er die erste Stadt, die er gründete, Arnscrone nannte.
Er ist ein ächtes Kind seiner Zeit, tapfer bis zur Verwegenheit, demüthig
fromm, vor allen Dingen begabt mit dem weiten Blick und dem Unterneh¬
mungsgeiste seines Hauses, daneben prunkend eitel, rücksichtslos ehrgeizig, sinn¬
lich und selbst grausam. Sein Leben war unstäte und flüchtig, — wir sehen
ihn auf seinem abenteuerlichen Turnier vor Rostock, sehen ihn dann den rit¬
terlichen Hülfezug für die bedrängte Hansastadt Stralsund unternehmen, dann
bei Gransee gegen Heinrich den Löwen von Mecklenburg kämpfen, — er stürzt
schwer verwundet vom Roß, aus wär' es mit dem Herrscherhaus von Bran¬
denburg, hätten nicht die treuen Grafen von Mannsfeld und von Regenstein
mit Schild und Leib den Herrn gedeckt. Wie seine Vorfahren, versuchte auch
Woldemar die höchste Würde der Christenheit seinem Hause zu verschaffen, die
Untreue des Nicolaus von Buch vereitelte seine Pläne.

Durch Woldemar's letzte Lebensjahre zieht sich fortlaufend eine wehmü-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/426>, abgerufen am 22.12.2024.