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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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"Freiwilligen des Königs": in erster Linie die Studenten mit ihren'^ Professo¬
ren. Sie haßten den Kaiser der Conscription wegen und dachten es auf diese
Art den Universitäten Deutschlands gleich zu thun. Auch vom östlichen Frank¬
reich aus, wo sonst gerade die buonapartistischen Sympathien sehr lebendig
waren, wurde der König gebeten, die Bildung von Freischaaren unter dem
Namen der "Jäger Henri's IV." zu genehmigen.*)

Alles das aber war Strohfeuer und in der Armee verhallte des Königs
Ruf ganz wirkungslos. Zwar die Marschälle, die Generale, die Officiere
höherer Grade sahen im Allgemeinen die Rückkehr Napoleon's mit ungünstigen
Augen an. Sie waren müde und wollten genießen, und ihrer Viele hatten
sich so undankbar und schonungslos von ihrem ehemaligen Herrn und Meister
losgesagt, daß sie nicht ohne tiefe Scham vor ihn hintreten konnten. Aber
die unteren Chargen dachten anders, und sie entschieden die Sache durch die
Macht der Masse.

Als von Dijon, wo damals viele Officiere auf Halbsold wohnten, die
Garnison gegen Lyon ausrücken sollte, empörte sie sich unter Führung der
Bonapartisten und unter den Augen des Marschalls Ney, welcher nicht da¬
gegen einschritt. -- Ney war nach des Kaisers Landung sogleich von seinem
Landsitze nach Paris geeilt und hatte dem Könige erklärt: Napoleon müsse
verrückt geworden sein; er gehöre nach Charenton ins Irrenhaus; er selbst
wolle ihn in einem Käfige dorthin bringen. Ney trat dann die Führung des
bedeutendsten, dem Kaiser gegenüberstehenden Heerkörpers an; aber als er die
Abneigung der Soldaten für die Lilien zu fechten, erkannte, als er von Ber¬
trand schmeichelhafte Aufforderungen und Zusicherungen des Kaisers empfing,
da riß ihn der Augenblick hin und er vereinigte sich mit Napoleon bei Auxerre.
So treulos und schamlos handelte der "Bravste der Braven".*) Er war der
einzige Marschall, welcher sich vor dem Einzuge des Kaisers in Paris für
dessen Sache entschied. Im Uebrigen waren es (wie Napoleon selbst bei jeder
Gelegenheit wiederholte) die gemeinen Soldaten, die Unterofficiere, die Unter¬
lieutenants, die ihn auf den Thron zurückführten. Die Wiederherstellung




*) ?Ä,ug.eK<Z as Henrx IV. on VkÄwnAes roxÄos on 1815.
") Die Entschuldigung, ja Verherrlichung welche Ney's Verhalten in späterer Zeit leider
sogar in Deutschland gesunden, wäre 1815 schwer begriffen worden. Sehr treffend ist ein
Epigramm, das damals in der Spener'schen Zeitung erschien: Abrechnung des Marschalls
Ney mit Napoleon:

Es ist einerlei, ,

Sagt nun Marschall Ney,

Dein Eid

Ist Meineid;

Und mein Eid?

Ist -- Dein Eid.

„Freiwilligen des Königs": in erster Linie die Studenten mit ihren'^ Professo¬
ren. Sie haßten den Kaiser der Conscription wegen und dachten es auf diese
Art den Universitäten Deutschlands gleich zu thun. Auch vom östlichen Frank¬
reich aus, wo sonst gerade die buonapartistischen Sympathien sehr lebendig
waren, wurde der König gebeten, die Bildung von Freischaaren unter dem
Namen der „Jäger Henri's IV." zu genehmigen.*)

Alles das aber war Strohfeuer und in der Armee verhallte des Königs
Ruf ganz wirkungslos. Zwar die Marschälle, die Generale, die Officiere
höherer Grade sahen im Allgemeinen die Rückkehr Napoleon's mit ungünstigen
Augen an. Sie waren müde und wollten genießen, und ihrer Viele hatten
sich so undankbar und schonungslos von ihrem ehemaligen Herrn und Meister
losgesagt, daß sie nicht ohne tiefe Scham vor ihn hintreten konnten. Aber
die unteren Chargen dachten anders, und sie entschieden die Sache durch die
Macht der Masse.

Als von Dijon, wo damals viele Officiere auf Halbsold wohnten, die
Garnison gegen Lyon ausrücken sollte, empörte sie sich unter Führung der
Bonapartisten und unter den Augen des Marschalls Ney, welcher nicht da¬
gegen einschritt. — Ney war nach des Kaisers Landung sogleich von seinem
Landsitze nach Paris geeilt und hatte dem Könige erklärt: Napoleon müsse
verrückt geworden sein; er gehöre nach Charenton ins Irrenhaus; er selbst
wolle ihn in einem Käfige dorthin bringen. Ney trat dann die Führung des
bedeutendsten, dem Kaiser gegenüberstehenden Heerkörpers an; aber als er die
Abneigung der Soldaten für die Lilien zu fechten, erkannte, als er von Ber¬
trand schmeichelhafte Aufforderungen und Zusicherungen des Kaisers empfing,
da riß ihn der Augenblick hin und er vereinigte sich mit Napoleon bei Auxerre.
So treulos und schamlos handelte der „Bravste der Braven".*) Er war der
einzige Marschall, welcher sich vor dem Einzuge des Kaisers in Paris für
dessen Sache entschied. Im Uebrigen waren es (wie Napoleon selbst bei jeder
Gelegenheit wiederholte) die gemeinen Soldaten, die Unterofficiere, die Unter¬
lieutenants, die ihn auf den Thron zurückführten. Die Wiederherstellung




*) ?Ä,ug.eK<Z as Henrx IV. on VkÄwnAes roxÄos on 1815.
") Die Entschuldigung, ja Verherrlichung welche Ney's Verhalten in späterer Zeit leider
sogar in Deutschland gesunden, wäre 1815 schwer begriffen worden. Sehr treffend ist ein
Epigramm, das damals in der Spener'schen Zeitung erschien: Abrechnung des Marschalls
Ney mit Napoleon:

Es ist einerlei, ,

Sagt nun Marschall Ney,

Dein Eid

Ist Meineid;

Und mein Eid?

Ist — Dein Eid.

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[0407] „Freiwilligen des Königs": in erster Linie die Studenten mit ihren'^ Professo¬ ren. Sie haßten den Kaiser der Conscription wegen und dachten es auf diese Art den Universitäten Deutschlands gleich zu thun. Auch vom östlichen Frank¬ reich aus, wo sonst gerade die buonapartistischen Sympathien sehr lebendig waren, wurde der König gebeten, die Bildung von Freischaaren unter dem Namen der „Jäger Henri's IV." zu genehmigen.*) Alles das aber war Strohfeuer und in der Armee verhallte des Königs Ruf ganz wirkungslos. Zwar die Marschälle, die Generale, die Officiere höherer Grade sahen im Allgemeinen die Rückkehr Napoleon's mit ungünstigen Augen an. Sie waren müde und wollten genießen, und ihrer Viele hatten sich so undankbar und schonungslos von ihrem ehemaligen Herrn und Meister losgesagt, daß sie nicht ohne tiefe Scham vor ihn hintreten konnten. Aber die unteren Chargen dachten anders, und sie entschieden die Sache durch die Macht der Masse. Als von Dijon, wo damals viele Officiere auf Halbsold wohnten, die Garnison gegen Lyon ausrücken sollte, empörte sie sich unter Führung der Bonapartisten und unter den Augen des Marschalls Ney, welcher nicht da¬ gegen einschritt. — Ney war nach des Kaisers Landung sogleich von seinem Landsitze nach Paris geeilt und hatte dem Könige erklärt: Napoleon müsse verrückt geworden sein; er gehöre nach Charenton ins Irrenhaus; er selbst wolle ihn in einem Käfige dorthin bringen. Ney trat dann die Führung des bedeutendsten, dem Kaiser gegenüberstehenden Heerkörpers an; aber als er die Abneigung der Soldaten für die Lilien zu fechten, erkannte, als er von Ber¬ trand schmeichelhafte Aufforderungen und Zusicherungen des Kaisers empfing, da riß ihn der Augenblick hin und er vereinigte sich mit Napoleon bei Auxerre. So treulos und schamlos handelte der „Bravste der Braven".*) Er war der einzige Marschall, welcher sich vor dem Einzuge des Kaisers in Paris für dessen Sache entschied. Im Uebrigen waren es (wie Napoleon selbst bei jeder Gelegenheit wiederholte) die gemeinen Soldaten, die Unterofficiere, die Unter¬ lieutenants, die ihn auf den Thron zurückführten. Die Wiederherstellung *) ?Ä,ug.eK<Z as Henrx IV. on VkÄwnAes roxÄos on 1815. ") Die Entschuldigung, ja Verherrlichung welche Ney's Verhalten in späterer Zeit leider sogar in Deutschland gesunden, wäre 1815 schwer begriffen worden. Sehr treffend ist ein Epigramm, das damals in der Spener'schen Zeitung erschien: Abrechnung des Marschalls Ney mit Napoleon: Es ist einerlei, , Sagt nun Marschall Ney, Dein Eid Ist Meineid; Und mein Eid? Ist — Dein Eid.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/407>, abgerufen am 22.12.2024.