Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.besuchs Alles, was dem Volke seit dem 4. September von der Republik ge¬ In den letzten zehn Jahren hat sich !die Summe der vorhandenen Ar¬ Hr. Fribourg weist sogar in einem so eben erschienen Buche über den Die Gleichstellung der Frauen in ihren Rechten mit dem Mann ist Napoleon III. hatte bekanntlich mehr Neigung zum Socialismus als die besuchs Alles, was dem Volke seit dem 4. September von der Republik ge¬ In den letzten zehn Jahren hat sich !die Summe der vorhandenen Ar¬ Hr. Fribourg weist sogar in einem so eben erschienen Buche über den Die Gleichstellung der Frauen in ihren Rechten mit dem Mann ist Napoleon III. hatte bekanntlich mehr Neigung zum Socialismus als die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128317"/> <p xml:id="ID_1308" prev="#ID_1307"> besuchs Alles, was dem Volke seit dem 4. September von der Republik ge¬<lb/> boten worden"ist. Die Unentgeldlichkeit des Unterrichts, die Befreiung der<lb/> Schule von der Kirche', hat die Republik so wenig durchgesetzt, wie irgend<lb/> eine der früheren monarchischen Regierungen. Der Franzose könnte nachge¬<lb/> rade eingesehen haben, daß an den Revolutionen wenig gewonnen wird. Die<lb/> Männer am Ruder wechseln, aber die Verhältnisse bleiben immer dieselben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1309"> In den letzten zehn Jahren hat sich !die Summe der vorhandenen Ar¬<lb/> beit in Paris ungeheuer vermehrt, und dennoch die Zahl der Arbeiter sich<lb/> vermindert, und zwar nicht blos in den vielen Beschäftigungen die mit der<lb/> Verfertigung von Kleidern in Verbindung stehen, und in denen die Näh¬<lb/> maschine die menschliche Arbeitskraft verdrängt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1310"> Hr. Fribourg weist sogar in einem so eben erschienen Buche über den<lb/> „Pariser Pauperismus" nach, daß die unentbehrlichen Ausgaben einer<lb/> Handwerkerfamilie durch den Lohn zwar aufgebracht werden, daß dieser aber<lb/> nicht die Mittel gewährt, zwei Kinder in die Schule zu schicken oder gar für<lb/> den eigenen Bedarf Bücher oder Zeitungen zu kaufen. In der That nimmt<lb/> der Arbeitslohn kaum in dem Verhältniß der Preise für die nöthigsten Lebens¬<lb/> bedürfnisse zu. Mit der Frauenarbeit ist es nun vollends gar zu schlimm<lb/> beschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1311"> Die Gleichstellung der Frauen in ihren Rechten mit dem Mann ist<lb/> überhaupt, seit die Sam-Simonisten vor vierzig Jahren dieses Banner<lb/> aufpflanzten, in Frankreich nur wenig fortgeschritten, noch lange nicht so¬<lb/> weit wie in Deutschland, geschweige denn etwa zu dem Niveau der Vereinig-<lb/> ten-Staaten. Selbst in Rusland ist die Ehefrau Herrin ihres Vermögens,<lb/> was in Frankreich weder mit dem r^uns cioe-it noch r6glas communal der<lb/> Fall ist; der Mann ist in allen Fällen VKSk 6s ig, (?owmunlmt6. Wir<lb/> brauchen darüber nur auf das Buch Jules Simon's „I/Ouvriörö" zu ver¬<lb/> weisen. Und der Minister für Volksaufklärung ist gegen jeden Verdacht der<lb/> Zuneigung zum Socialismus erhaben. — Ja, komischer Weise hat der Chef<lb/> der Aufklärung in Frankreich zur Progressivität der Menschheit überhaupt<lb/> wenig Zutrauen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1312"> Napoleon III. hatte bekanntlich mehr Neigung zum Socialismus als die<lb/> meisten republikanischen Staatslenker der Gegenwart. Er kann als Vater der<lb/> Associationen gelten, die heute in Frankreich bestehen, und die überall recht<lb/> gut gedeihen, wo sie ihren natürlichen Zweck, das heißt den gegenseitigen Bei¬<lb/> stand unter gegenseitiger Haftung bezwecken. Auch die Sparkassen blühen.<lb/> Dagegen sind die On6s ouvriöres oder Handwerkerhäuser minder gelungen,<lb/> und aus Paris sieht sich der Arbeiter und Handwerker durch die hohen Mieth¬<lb/> zinsen systematisch verdrängt. /</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
besuchs Alles, was dem Volke seit dem 4. September von der Republik ge¬
boten worden"ist. Die Unentgeldlichkeit des Unterrichts, die Befreiung der
Schule von der Kirche', hat die Republik so wenig durchgesetzt, wie irgend
eine der früheren monarchischen Regierungen. Der Franzose könnte nachge¬
rade eingesehen haben, daß an den Revolutionen wenig gewonnen wird. Die
Männer am Ruder wechseln, aber die Verhältnisse bleiben immer dieselben.
In den letzten zehn Jahren hat sich !die Summe der vorhandenen Ar¬
beit in Paris ungeheuer vermehrt, und dennoch die Zahl der Arbeiter sich
vermindert, und zwar nicht blos in den vielen Beschäftigungen die mit der
Verfertigung von Kleidern in Verbindung stehen, und in denen die Näh¬
maschine die menschliche Arbeitskraft verdrängt hat.
Hr. Fribourg weist sogar in einem so eben erschienen Buche über den
„Pariser Pauperismus" nach, daß die unentbehrlichen Ausgaben einer
Handwerkerfamilie durch den Lohn zwar aufgebracht werden, daß dieser aber
nicht die Mittel gewährt, zwei Kinder in die Schule zu schicken oder gar für
den eigenen Bedarf Bücher oder Zeitungen zu kaufen. In der That nimmt
der Arbeitslohn kaum in dem Verhältniß der Preise für die nöthigsten Lebens¬
bedürfnisse zu. Mit der Frauenarbeit ist es nun vollends gar zu schlimm
beschaffen.
Die Gleichstellung der Frauen in ihren Rechten mit dem Mann ist
überhaupt, seit die Sam-Simonisten vor vierzig Jahren dieses Banner
aufpflanzten, in Frankreich nur wenig fortgeschritten, noch lange nicht so¬
weit wie in Deutschland, geschweige denn etwa zu dem Niveau der Vereinig-
ten-Staaten. Selbst in Rusland ist die Ehefrau Herrin ihres Vermögens,
was in Frankreich weder mit dem r^uns cioe-it noch r6glas communal der
Fall ist; der Mann ist in allen Fällen VKSk 6s ig, (?owmunlmt6. Wir
brauchen darüber nur auf das Buch Jules Simon's „I/Ouvriörö" zu ver¬
weisen. Und der Minister für Volksaufklärung ist gegen jeden Verdacht der
Zuneigung zum Socialismus erhaben. — Ja, komischer Weise hat der Chef
der Aufklärung in Frankreich zur Progressivität der Menschheit überhaupt
wenig Zutrauen.
Napoleon III. hatte bekanntlich mehr Neigung zum Socialismus als die
meisten republikanischen Staatslenker der Gegenwart. Er kann als Vater der
Associationen gelten, die heute in Frankreich bestehen, und die überall recht
gut gedeihen, wo sie ihren natürlichen Zweck, das heißt den gegenseitigen Bei¬
stand unter gegenseitiger Haftung bezwecken. Auch die Sparkassen blühen.
Dagegen sind die On6s ouvriöres oder Handwerkerhäuser minder gelungen,
und aus Paris sieht sich der Arbeiter und Handwerker durch die hohen Mieth¬
zinsen systematisch verdrängt. /
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |