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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Johannes Cicero und Joachim Nestor, wählten sich hier ihre Ruhestätte.
Wie viel von großartigen Entwürfen, wie viel von hochfliegenden Plänen
deckt diese Erde! Die Fürsten des Ballenstädtischen Hauses haben, soviel auch
die Zeit an ihren Bildern verwischt hat, einen eigenthümlich scharf ausge¬
prägten Charakter. Die Familie gibt ein volles Bild von mittelalterlicher
Individualität; -- stets darin einig und einander sämmtlich gleich, wie sie
ihr Fürstenamt ausübten, gehen sonst in Thaten und Denkweise die einzelnen
Glieder des Hauses weit auseinander.

Das Bild des Stifters von Lehnin, des Markgrafen Otto I.. ist fast
ganz erblaßt. Von dem Inhalt einer 14jährigen Regierung wissen wir nicht
mehr als einen Wendenzug in die Ruppiner Gegend, einen Krieg gegen Pom¬
mern, eine Eroberung von Demmin. Es bleibt die Stiftung unsres Klosters
das einzige Ereigniß, das dem farblosen Bilde etwas Leben verleiht, zumal
da durch die Gründung von Lehnin 1180 die Cisterzienser in die Mark ge¬
rufen wurden. Drüben über der Elbe lag Kloster Sittichenbach, 1140 gestif¬
tet, -- von dorther kam der Lehniner Convent, der dann wiederum die an¬
dern märkischen Klöster besetzte. Wenn aber je eine Gesellschaftsklasse bewie¬
sen hat, wie segensreich ein liebevolles Eingehen in die nächstliegenden Ver¬
hältnisse des Lebens wirkt, so sind das die Cisterzienser. In kurzer Zeit hat¬
ten sie Sitte und Lebensweise des märkischen Landvolkes angenommen und
belehrten dasselbe in unmittelbarster Weise durch ihre rastlose Thätigkeit.
Mögen diese Mönche in der groben, schwarz-weißen Tracht, mit ihren von
harter Arbeit und der Luft der Wildniß gebräunten Gesichtern immerhin die
Hacke besser zu handhaben, als ihr Brevier zu lesen verstanden haben, --
der Segen treuer Arbeit folgte ihren Fußspuren; ihr Beschützer Otto I. er¬
warb sich durch ihre Berufung ein nicht geringeres Verdienst um die Colonisa-
tion der Mark als sein Vater, der einst die Johanniter, die Templer, die
Prämonstratenser ins Land gerufen.

In den beiden nächsten Ballenstädtern, in Otto II. und Albrecht II., die
ebenfalls in Lehnin ruhen, zeigt sich zuerst jene vorhin berührte Verschieden¬
heit des Charakters; Otto II. war ein unwandelbar treuer Waiblinger, zu
wiederholten Malen daher im Bann und in fortwährende Kriege mit Magde¬
burg verwickelt, die ihn auch hinderten, das Kreuz zu nehmen, sein Bruder
Albrecht dagegen war ein unverzagter Anhänger König Otto's IV., dem
Welsen nicht allein fest verbunden während seines kurzen Glückes, sondern
auch in Noth und Gefahr. Brandenburger fochten neben dem braunschwei-
gischen Banner gegen die Franzosen bei Bovines, Brandenburger geleiteten
den verlassenen, gebannten Herrscher in seine Erdtaube. Otto war edelmüthig
genug, den Freund, als er die welfische Sache verloren sah, seiner Bundespflicht
zu entlassen; -- Albrecht blieb auf seiner Seite. So nahm er in seine Gruft


Johannes Cicero und Joachim Nestor, wählten sich hier ihre Ruhestätte.
Wie viel von großartigen Entwürfen, wie viel von hochfliegenden Plänen
deckt diese Erde! Die Fürsten des Ballenstädtischen Hauses haben, soviel auch
die Zeit an ihren Bildern verwischt hat, einen eigenthümlich scharf ausge¬
prägten Charakter. Die Familie gibt ein volles Bild von mittelalterlicher
Individualität; — stets darin einig und einander sämmtlich gleich, wie sie
ihr Fürstenamt ausübten, gehen sonst in Thaten und Denkweise die einzelnen
Glieder des Hauses weit auseinander.

Das Bild des Stifters von Lehnin, des Markgrafen Otto I.. ist fast
ganz erblaßt. Von dem Inhalt einer 14jährigen Regierung wissen wir nicht
mehr als einen Wendenzug in die Ruppiner Gegend, einen Krieg gegen Pom¬
mern, eine Eroberung von Demmin. Es bleibt die Stiftung unsres Klosters
das einzige Ereigniß, das dem farblosen Bilde etwas Leben verleiht, zumal
da durch die Gründung von Lehnin 1180 die Cisterzienser in die Mark ge¬
rufen wurden. Drüben über der Elbe lag Kloster Sittichenbach, 1140 gestif¬
tet, — von dorther kam der Lehniner Convent, der dann wiederum die an¬
dern märkischen Klöster besetzte. Wenn aber je eine Gesellschaftsklasse bewie¬
sen hat, wie segensreich ein liebevolles Eingehen in die nächstliegenden Ver¬
hältnisse des Lebens wirkt, so sind das die Cisterzienser. In kurzer Zeit hat¬
ten sie Sitte und Lebensweise des märkischen Landvolkes angenommen und
belehrten dasselbe in unmittelbarster Weise durch ihre rastlose Thätigkeit.
Mögen diese Mönche in der groben, schwarz-weißen Tracht, mit ihren von
harter Arbeit und der Luft der Wildniß gebräunten Gesichtern immerhin die
Hacke besser zu handhaben, als ihr Brevier zu lesen verstanden haben, —
der Segen treuer Arbeit folgte ihren Fußspuren; ihr Beschützer Otto I. er¬
warb sich durch ihre Berufung ein nicht geringeres Verdienst um die Colonisa-
tion der Mark als sein Vater, der einst die Johanniter, die Templer, die
Prämonstratenser ins Land gerufen.

In den beiden nächsten Ballenstädtern, in Otto II. und Albrecht II., die
ebenfalls in Lehnin ruhen, zeigt sich zuerst jene vorhin berührte Verschieden¬
heit des Charakters; Otto II. war ein unwandelbar treuer Waiblinger, zu
wiederholten Malen daher im Bann und in fortwährende Kriege mit Magde¬
burg verwickelt, die ihn auch hinderten, das Kreuz zu nehmen, sein Bruder
Albrecht dagegen war ein unverzagter Anhänger König Otto's IV., dem
Welsen nicht allein fest verbunden während seines kurzen Glückes, sondern
auch in Noth und Gefahr. Brandenburger fochten neben dem braunschwei-
gischen Banner gegen die Franzosen bei Bovines, Brandenburger geleiteten
den verlassenen, gebannten Herrscher in seine Erdtaube. Otto war edelmüthig
genug, den Freund, als er die welfische Sache verloren sah, seiner Bundespflicht
zu entlassen; — Albrecht blieb auf seiner Seite. So nahm er in seine Gruft


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[0383] Johannes Cicero und Joachim Nestor, wählten sich hier ihre Ruhestätte. Wie viel von großartigen Entwürfen, wie viel von hochfliegenden Plänen deckt diese Erde! Die Fürsten des Ballenstädtischen Hauses haben, soviel auch die Zeit an ihren Bildern verwischt hat, einen eigenthümlich scharf ausge¬ prägten Charakter. Die Familie gibt ein volles Bild von mittelalterlicher Individualität; — stets darin einig und einander sämmtlich gleich, wie sie ihr Fürstenamt ausübten, gehen sonst in Thaten und Denkweise die einzelnen Glieder des Hauses weit auseinander. Das Bild des Stifters von Lehnin, des Markgrafen Otto I.. ist fast ganz erblaßt. Von dem Inhalt einer 14jährigen Regierung wissen wir nicht mehr als einen Wendenzug in die Ruppiner Gegend, einen Krieg gegen Pom¬ mern, eine Eroberung von Demmin. Es bleibt die Stiftung unsres Klosters das einzige Ereigniß, das dem farblosen Bilde etwas Leben verleiht, zumal da durch die Gründung von Lehnin 1180 die Cisterzienser in die Mark ge¬ rufen wurden. Drüben über der Elbe lag Kloster Sittichenbach, 1140 gestif¬ tet, — von dorther kam der Lehniner Convent, der dann wiederum die an¬ dern märkischen Klöster besetzte. Wenn aber je eine Gesellschaftsklasse bewie¬ sen hat, wie segensreich ein liebevolles Eingehen in die nächstliegenden Ver¬ hältnisse des Lebens wirkt, so sind das die Cisterzienser. In kurzer Zeit hat¬ ten sie Sitte und Lebensweise des märkischen Landvolkes angenommen und belehrten dasselbe in unmittelbarster Weise durch ihre rastlose Thätigkeit. Mögen diese Mönche in der groben, schwarz-weißen Tracht, mit ihren von harter Arbeit und der Luft der Wildniß gebräunten Gesichtern immerhin die Hacke besser zu handhaben, als ihr Brevier zu lesen verstanden haben, — der Segen treuer Arbeit folgte ihren Fußspuren; ihr Beschützer Otto I. er¬ warb sich durch ihre Berufung ein nicht geringeres Verdienst um die Colonisa- tion der Mark als sein Vater, der einst die Johanniter, die Templer, die Prämonstratenser ins Land gerufen. In den beiden nächsten Ballenstädtern, in Otto II. und Albrecht II., die ebenfalls in Lehnin ruhen, zeigt sich zuerst jene vorhin berührte Verschieden¬ heit des Charakters; Otto II. war ein unwandelbar treuer Waiblinger, zu wiederholten Malen daher im Bann und in fortwährende Kriege mit Magde¬ burg verwickelt, die ihn auch hinderten, das Kreuz zu nehmen, sein Bruder Albrecht dagegen war ein unverzagter Anhänger König Otto's IV., dem Welsen nicht allein fest verbunden während seines kurzen Glückes, sondern auch in Noth und Gefahr. Brandenburger fochten neben dem braunschwei- gischen Banner gegen die Franzosen bei Bovines, Brandenburger geleiteten den verlassenen, gebannten Herrscher in seine Erdtaube. Otto war edelmüthig genug, den Freund, als er die welfische Sache verloren sah, seiner Bundespflicht zu entlassen; — Albrecht blieb auf seiner Seite. So nahm er in seine Gruft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/383>, abgerufen am 22.07.2024.