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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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monstratenser-Ordens gründete, begraben liegt als in Ballenstädt. Außer ihm
wurde hier auch die Markgräfin Judith, Gemahlin Otto's I., bestattet, --
wie der Grabstein sie nennt, die genas. I'olonorum.

Als Bauwerk ist der Brandenburger Dom, theils noch romanisch, theils
in frühgothischen Stil, von hohem Interesse. Diese rundbogigen Arkaden,
diese allegorischen Figuren des Westportals, der bekannte Fuchs, der in der
Mönchskutte den Gänsen predigt, besonders aber die Krypta des Doms mit
ihren Doppelsäulen und den phantastischen Menschen- und Thiergestalten,
haben auch schon lange die verdiente Aufmerksamkeit gefunden. All' die viel¬
fachen Denkmale der Kirche von weltlichen und geistlichen Größen aber ver¬
schwinden gegen die Bedeutung, welche der Dom als Grabeskirche des ersten
Ballenstädters hat.

Vermuthlich in der schönen, geheimnißvoll düsteren Krypta, welche dem
Dienst der Apostelfürsten Peter und Paul gewidmet war, haben wir Albrecht's
Gruft zu suchen. Wir lehnen an einer dieser eiskalten Steinsäulen und vor
unserm Blick steigt das 12. Jahrhundert herauf, da man diese altsächsische
Nittergestalt und die Wendenfigur in das Capital einmeißelte. Der Kampf
zwischen Waiblingern und Welsen durchtobt das Reich, -- Albrecht nimmt
Partei, aus Pflicht und Neigung und Nothwendigkeit zugleich auf kaiserlicher
Seite. So gewaltig aber auch dieser Mann um das Herzogthum Sachsen
rang, er mußte bei Mimtrberg, Lüneburg und Bardeviek den Welsen weichen.
Und doch, -- welch' segensvolle Fügung der Vorsehung! In Sachsen hätte
er sich vielleicht durch nichts vor seinen Standesgenossen ausgezeichnet, -- in
Brandenburg wurde er Gründer einer weltgeschichtlichen Macht. Seine Zeit,
die in hohen Wogen ging, hat auch ihn fort und fort aus der Höhe in die
Tiefe geschleudert; -- einst, als sein Stammschloß Anhalt in den Flammen
aufging, schien ihm nichts zu bleiben, als das elende Loos eines Verbannten,
-- aber in einem Muth, der durch das Unglück nur gestählt, nicht gebeugt
werden konnte, war er seines Volkes Vorbild. Ein reichbewegtes Leben, --
ein Leben, das aber nicht, wie manch' andre, tüchtige, gleichzeitige Kraft in
der Unzahl Fehden, die er ausgefochten hat, aufging, sondern von höheren
Zielen, der Treue gegen Kaiser und Reich und der Christianisirung des deut¬
schen Ostens, beseelt war. Albrecht und der brandenburgische Adel haben nicht
auf Kreuzzügen für die Ehre der Christenheit gestritten, >-- nur als Pilger
betrat der Fürst 1158 die heiligen Stätten, -- mit Hellem, umsichtigen Blick
fand er hier in nächster Nähe ein Ziel, das ebenfalls den höchsten Ideen der
Zeit, den religiösen, nicht fremd war. Größer aber noch als in der Erobe¬
rung, zeigt sich Albrecht in der Organisirung seines Landes. Es waren mühe¬
volle Kriegszüge, zu denen sein Heerruf erschallte, mit dem Schwert mußten
sich die Sachsen den Weg durch Wald und Dickicht hauen, aber fröhlich ex-


monstratenser-Ordens gründete, begraben liegt als in Ballenstädt. Außer ihm
wurde hier auch die Markgräfin Judith, Gemahlin Otto's I., bestattet, —
wie der Grabstein sie nennt, die genas. I'olonorum.

Als Bauwerk ist der Brandenburger Dom, theils noch romanisch, theils
in frühgothischen Stil, von hohem Interesse. Diese rundbogigen Arkaden,
diese allegorischen Figuren des Westportals, der bekannte Fuchs, der in der
Mönchskutte den Gänsen predigt, besonders aber die Krypta des Doms mit
ihren Doppelsäulen und den phantastischen Menschen- und Thiergestalten,
haben auch schon lange die verdiente Aufmerksamkeit gefunden. All' die viel¬
fachen Denkmale der Kirche von weltlichen und geistlichen Größen aber ver¬
schwinden gegen die Bedeutung, welche der Dom als Grabeskirche des ersten
Ballenstädters hat.

Vermuthlich in der schönen, geheimnißvoll düsteren Krypta, welche dem
Dienst der Apostelfürsten Peter und Paul gewidmet war, haben wir Albrecht's
Gruft zu suchen. Wir lehnen an einer dieser eiskalten Steinsäulen und vor
unserm Blick steigt das 12. Jahrhundert herauf, da man diese altsächsische
Nittergestalt und die Wendenfigur in das Capital einmeißelte. Der Kampf
zwischen Waiblingern und Welsen durchtobt das Reich, — Albrecht nimmt
Partei, aus Pflicht und Neigung und Nothwendigkeit zugleich auf kaiserlicher
Seite. So gewaltig aber auch dieser Mann um das Herzogthum Sachsen
rang, er mußte bei Mimtrberg, Lüneburg und Bardeviek den Welsen weichen.
Und doch, — welch' segensvolle Fügung der Vorsehung! In Sachsen hätte
er sich vielleicht durch nichts vor seinen Standesgenossen ausgezeichnet, — in
Brandenburg wurde er Gründer einer weltgeschichtlichen Macht. Seine Zeit,
die in hohen Wogen ging, hat auch ihn fort und fort aus der Höhe in die
Tiefe geschleudert; — einst, als sein Stammschloß Anhalt in den Flammen
aufging, schien ihm nichts zu bleiben, als das elende Loos eines Verbannten,
— aber in einem Muth, der durch das Unglück nur gestählt, nicht gebeugt
werden konnte, war er seines Volkes Vorbild. Ein reichbewegtes Leben, —
ein Leben, das aber nicht, wie manch' andre, tüchtige, gleichzeitige Kraft in
der Unzahl Fehden, die er ausgefochten hat, aufging, sondern von höheren
Zielen, der Treue gegen Kaiser und Reich und der Christianisirung des deut¬
schen Ostens, beseelt war. Albrecht und der brandenburgische Adel haben nicht
auf Kreuzzügen für die Ehre der Christenheit gestritten, >— nur als Pilger
betrat der Fürst 1158 die heiligen Stätten, — mit Hellem, umsichtigen Blick
fand er hier in nächster Nähe ein Ziel, das ebenfalls den höchsten Ideen der
Zeit, den religiösen, nicht fremd war. Größer aber noch als in der Erobe¬
rung, zeigt sich Albrecht in der Organisirung seines Landes. Es waren mühe¬
volle Kriegszüge, zu denen sein Heerruf erschallte, mit dem Schwert mußten
sich die Sachsen den Weg durch Wald und Dickicht hauen, aber fröhlich ex-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/381>, abgerufen am 22.12.2024.