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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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hörten aufzustellen. Es war das eine Grenzbewaffnung, aber zugleich auch ein
Appell an die kriegerische Bevölkerung deutschen Blutes, dessen sich Napoleon
sogar bewußt gewesen zu sein scheint; denn auf den Vorschlag des Ministers,
auch die reinfranzösischen Ostdepartements, wie Doubs, Jura, Am, Saone-et-
Loire, C6te d'Or und Uonne, zu bewaffnen, ging er nicht ein. -- Freilich
mußte er sich sagen, daß eine solche Anordnung vergeblich fein würde, da so¬
gar in den Departements mit deutscher Bevölkerung diese Aushebung der
Nationalgarten mit überaus großen Schwierigkeiten verbunden war. Den
Berichten der Präfecten zufolge, drückte sich davon, wer es irgend vermochte.
Man verweigerte zwar nicht gerade den Gehorsam, aber man fand hundert
Wendungen, sich der Ordre zu entziehen; man stellte sich, um sofort wieder
zu verschwinden. (On se montre et on äisxarait continuellement.)*) Was
halfen da die Reiterpatrouillen, welche die Landschaft durchzogen; wo der gute
Wille fehlte, war trotz aller Präfectenkraft das Erwartete nicht zu beschaffen.
Und wie waren die Ankömmlinge ausgerüstet! Eine Soldatenmütze und eine
leinene Hose -- das war so ziemlich Alles, ja manche erschienen fast ganz ent¬
blößt. Die höchste Zahl, auf welche man diese Kohorten und Legionen zu
bringen hoffte, aber nie gebracht hat, war 10,800; zur Besetzung der 6 festen
Plätze, zu deren Bewachung man sie ausgerufen, bedürfte man aber, der An¬
gabe des Marschalls Victor zufolge, 33,000 Mann. Dabei liefen die Kohorten
allabendlich auseinander; die Leute gehörten zumeist der Umgebung der
Festungen an, gingen zu ihren Frauen schlafen und beeilten sich keineswegs,
früh wiederzukommen.

Man kann den Nationalgarten ihr unsoldatisches Verhalten übrigens
kaum verdenken, wenn man hört, wie sie seitens der Regierung behandelt
wurden. Marschall Marmont, der die ihm zugewiesenen Kohorten in regel¬
mäßige Verpflegung genommen, wurde deßhalb -von Berthier getadelt.
Nicht minder machte man ihm Vorwürfe, daß er den Nationalgarten Gewehre
gegeben habe, mit denen man wirklich schießen könne, statt sie mit Ausschuß
zu bewaffnen. Empört wieß er das Verlangen, ihnen die guten Gewehre wieder
abzunehmen, zurück. "O'est eoinxromettre eviäemiueut le Service - . .; e'est
ä^outgr et uumilier ach Zeus, <mi out besoin ä'etre euoouiAFö^I" -- So
tief war bei den leitenden Persönlichkeiten das Mißtrauen in die eigentliche
Masse des Volkes, daß man die Erbärmlichkeit solcher halben und lächerlichen
Maßregeln, wie die Vertheilung unbrauchbarer Gewehre nicht scheute. Man
fürchtete diese "icleoloZie, <mi g, xroelamö le xrindxe ac I'insurrection eomme
um äevoir"; und indem man nun die Jnsurrection der Grenzprovinzen als
eine Pflicht verlangte, wagte man die Bürger nur mit halber Stimme dazu



") Der Pascal der Mosel an den Major-General. 10. November 1813.

hörten aufzustellen. Es war das eine Grenzbewaffnung, aber zugleich auch ein
Appell an die kriegerische Bevölkerung deutschen Blutes, dessen sich Napoleon
sogar bewußt gewesen zu sein scheint; denn auf den Vorschlag des Ministers,
auch die reinfranzösischen Ostdepartements, wie Doubs, Jura, Am, Saone-et-
Loire, C6te d'Or und Uonne, zu bewaffnen, ging er nicht ein. — Freilich
mußte er sich sagen, daß eine solche Anordnung vergeblich fein würde, da so¬
gar in den Departements mit deutscher Bevölkerung diese Aushebung der
Nationalgarten mit überaus großen Schwierigkeiten verbunden war. Den
Berichten der Präfecten zufolge, drückte sich davon, wer es irgend vermochte.
Man verweigerte zwar nicht gerade den Gehorsam, aber man fand hundert
Wendungen, sich der Ordre zu entziehen; man stellte sich, um sofort wieder
zu verschwinden. (On se montre et on äisxarait continuellement.)*) Was
halfen da die Reiterpatrouillen, welche die Landschaft durchzogen; wo der gute
Wille fehlte, war trotz aller Präfectenkraft das Erwartete nicht zu beschaffen.
Und wie waren die Ankömmlinge ausgerüstet! Eine Soldatenmütze und eine
leinene Hose — das war so ziemlich Alles, ja manche erschienen fast ganz ent¬
blößt. Die höchste Zahl, auf welche man diese Kohorten und Legionen zu
bringen hoffte, aber nie gebracht hat, war 10,800; zur Besetzung der 6 festen
Plätze, zu deren Bewachung man sie ausgerufen, bedürfte man aber, der An¬
gabe des Marschalls Victor zufolge, 33,000 Mann. Dabei liefen die Kohorten
allabendlich auseinander; die Leute gehörten zumeist der Umgebung der
Festungen an, gingen zu ihren Frauen schlafen und beeilten sich keineswegs,
früh wiederzukommen.

Man kann den Nationalgarten ihr unsoldatisches Verhalten übrigens
kaum verdenken, wenn man hört, wie sie seitens der Regierung behandelt
wurden. Marschall Marmont, der die ihm zugewiesenen Kohorten in regel¬
mäßige Verpflegung genommen, wurde deßhalb -von Berthier getadelt.
Nicht minder machte man ihm Vorwürfe, daß er den Nationalgarten Gewehre
gegeben habe, mit denen man wirklich schießen könne, statt sie mit Ausschuß
zu bewaffnen. Empört wieß er das Verlangen, ihnen die guten Gewehre wieder
abzunehmen, zurück. „O'est eoinxromettre eviäemiueut le Service - . .; e'est
ä^outgr et uumilier ach Zeus, <mi out besoin ä'etre euoouiAFö^I" — So
tief war bei den leitenden Persönlichkeiten das Mißtrauen in die eigentliche
Masse des Volkes, daß man die Erbärmlichkeit solcher halben und lächerlichen
Maßregeln, wie die Vertheilung unbrauchbarer Gewehre nicht scheute. Man
fürchtete diese „icleoloZie, <mi g, xroelamö le xrindxe ac I'insurrection eomme
um äevoir"; und indem man nun die Jnsurrection der Grenzprovinzen als
eine Pflicht verlangte, wagte man die Bürger nur mit halber Stimme dazu



") Der Pascal der Mosel an den Major-General. 10. November 1813.
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[0362] hörten aufzustellen. Es war das eine Grenzbewaffnung, aber zugleich auch ein Appell an die kriegerische Bevölkerung deutschen Blutes, dessen sich Napoleon sogar bewußt gewesen zu sein scheint; denn auf den Vorschlag des Ministers, auch die reinfranzösischen Ostdepartements, wie Doubs, Jura, Am, Saone-et- Loire, C6te d'Or und Uonne, zu bewaffnen, ging er nicht ein. — Freilich mußte er sich sagen, daß eine solche Anordnung vergeblich fein würde, da so¬ gar in den Departements mit deutscher Bevölkerung diese Aushebung der Nationalgarten mit überaus großen Schwierigkeiten verbunden war. Den Berichten der Präfecten zufolge, drückte sich davon, wer es irgend vermochte. Man verweigerte zwar nicht gerade den Gehorsam, aber man fand hundert Wendungen, sich der Ordre zu entziehen; man stellte sich, um sofort wieder zu verschwinden. (On se montre et on äisxarait continuellement.)*) Was halfen da die Reiterpatrouillen, welche die Landschaft durchzogen; wo der gute Wille fehlte, war trotz aller Präfectenkraft das Erwartete nicht zu beschaffen. Und wie waren die Ankömmlinge ausgerüstet! Eine Soldatenmütze und eine leinene Hose — das war so ziemlich Alles, ja manche erschienen fast ganz ent¬ blößt. Die höchste Zahl, auf welche man diese Kohorten und Legionen zu bringen hoffte, aber nie gebracht hat, war 10,800; zur Besetzung der 6 festen Plätze, zu deren Bewachung man sie ausgerufen, bedürfte man aber, der An¬ gabe des Marschalls Victor zufolge, 33,000 Mann. Dabei liefen die Kohorten allabendlich auseinander; die Leute gehörten zumeist der Umgebung der Festungen an, gingen zu ihren Frauen schlafen und beeilten sich keineswegs, früh wiederzukommen. Man kann den Nationalgarten ihr unsoldatisches Verhalten übrigens kaum verdenken, wenn man hört, wie sie seitens der Regierung behandelt wurden. Marschall Marmont, der die ihm zugewiesenen Kohorten in regel¬ mäßige Verpflegung genommen, wurde deßhalb -von Berthier getadelt. Nicht minder machte man ihm Vorwürfe, daß er den Nationalgarten Gewehre gegeben habe, mit denen man wirklich schießen könne, statt sie mit Ausschuß zu bewaffnen. Empört wieß er das Verlangen, ihnen die guten Gewehre wieder abzunehmen, zurück. „O'est eoinxromettre eviäemiueut le Service - . .; e'est ä^outgr et uumilier ach Zeus, <mi out besoin ä'etre euoouiAFö^I" — So tief war bei den leitenden Persönlichkeiten das Mißtrauen in die eigentliche Masse des Volkes, daß man die Erbärmlichkeit solcher halben und lächerlichen Maßregeln, wie die Vertheilung unbrauchbarer Gewehre nicht scheute. Man fürchtete diese „icleoloZie, <mi g, xroelamö le xrindxe ac I'insurrection eomme um äevoir"; und indem man nun die Jnsurrection der Grenzprovinzen als eine Pflicht verlangte, wagte man die Bürger nur mit halber Stimme dazu ") Der Pascal der Mosel an den Major-General. 10. November 1813.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/362>, abgerufen am 22.12.2024.