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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Italien mit Einschluß Roms herrschende Monarchen, die Karolinger, endlich
die deutschen Könige in ihrer Eigenschaft als römische Kaiser machten im
Lauf der Jahrhunderte von diesem Rechte Gebrauch.

Allmählich verwandelte sich das Bestätigungsrecht in die Befugniß zu
einem Einspruch, wenn die Wahl der Cardinäle auf eine Persönlichkeit gefal¬
len war, welche der obersten weltlichen Macht oder zuletzt mehreren bestimm¬
ten Mächten Bedenken erweckte. Noch bei dem letzten Conclave wurde dieses
Ablehnungsrecht den Souveränen von Frankreich, Oesterreich, Spanien und
Portugal als unbestreitbar zuerkannt, und da die Verkündigung des Unfehl-
barkeits-Dogmas hierin keine Aenderung bewirkt haben kann, so gebührt jenes
Recht den gedachten vier Mächten noch heute völlig unverkürzt. Infolge der
Ereignisse der neuesten Zeit muß dasselbe aber noch zwei andern Fürsten
Europas eingeräumt werden: dem König von Italien und dem deutschen
Kaiser.

Karl der Große und seine nächsten Nachfolger betheiligten sich bei der
Wahl des römischen Bischofs unmittelbar. Später behielten sich die karolin-
gischen Könige nur die Bestätigung des Gewählten vor, ein Recht, welches
von den römischen Kaisern deutscher Nation übernommen und, wie bemerkt,
später auf das Veto gegen mißliebige Persönlichkeiten beschränkt wurde. Die
österreichischen Kaiser übten dann dieses Recht als Nachfolger der deutschen
Kaiser, die französischen Könige als Karolinger, die Könige von Spanien als
Nachfolger Karl.s des Fünften aus.

Seitdem aber der römische Bischof durch das Concil von 1870 die übri¬
gen Bischöfe in eine untergeordnete Stellung herabgedrückt hat, seitdem er
ihnen gegenüber unbeschränkter Herr der Kirche und der Gewissen aller Ka¬
tholiken geworden ist, die ihm, dem Unfehlbarer, bei Conflicten zwischen Kirche
und Staat mehr Gehorsam schulden als der weltlichen Obrigkeit, ist das Recht
der mittelbaren Betheiligung der Regierungen an der Papstwahl nicht so sehr
aus jenem alten Verhältniß, als aus der Pflicht der Selbsterhaltung herzu¬
leiten. Mit andern Worten, den Staaten muß das Recht des Veto zuerkannt
werden, weil sie die Verpflichtung haben, darüber zu wachen, daß der Stuhl
Petri nicht von wagehalsigen neuerem, welche Rechte und Interesse der
Staaten mißachten, mit einem aus ihrer Mitte, nicht mit einem Manne staats¬
feindlichen Glaubens und Strebens besetzt werde.

Wie im frühen Mittelalter die Päpste aus der Wahl des Volkes von
Rom hervorgingen, so sind in der Gegenwart alle Mitglieder der katholischen
Kirche als die gesetzmäßigen und natürlichen Wähler des Oberhauptes dersel¬
ben anzusehen. Ihr Wahlrecht aber üben sie durch ihre' Regierungen aus.
Die Regierungen als die Vertreter und Willensträger der Völker haben
folglich die unbestreitbare Befugniß, auf die Wahl des Papstes einzuwirken.


Italien mit Einschluß Roms herrschende Monarchen, die Karolinger, endlich
die deutschen Könige in ihrer Eigenschaft als römische Kaiser machten im
Lauf der Jahrhunderte von diesem Rechte Gebrauch.

Allmählich verwandelte sich das Bestätigungsrecht in die Befugniß zu
einem Einspruch, wenn die Wahl der Cardinäle auf eine Persönlichkeit gefal¬
len war, welche der obersten weltlichen Macht oder zuletzt mehreren bestimm¬
ten Mächten Bedenken erweckte. Noch bei dem letzten Conclave wurde dieses
Ablehnungsrecht den Souveränen von Frankreich, Oesterreich, Spanien und
Portugal als unbestreitbar zuerkannt, und da die Verkündigung des Unfehl-
barkeits-Dogmas hierin keine Aenderung bewirkt haben kann, so gebührt jenes
Recht den gedachten vier Mächten noch heute völlig unverkürzt. Infolge der
Ereignisse der neuesten Zeit muß dasselbe aber noch zwei andern Fürsten
Europas eingeräumt werden: dem König von Italien und dem deutschen
Kaiser.

Karl der Große und seine nächsten Nachfolger betheiligten sich bei der
Wahl des römischen Bischofs unmittelbar. Später behielten sich die karolin-
gischen Könige nur die Bestätigung des Gewählten vor, ein Recht, welches
von den römischen Kaisern deutscher Nation übernommen und, wie bemerkt,
später auf das Veto gegen mißliebige Persönlichkeiten beschränkt wurde. Die
österreichischen Kaiser übten dann dieses Recht als Nachfolger der deutschen
Kaiser, die französischen Könige als Karolinger, die Könige von Spanien als
Nachfolger Karl.s des Fünften aus.

Seitdem aber der römische Bischof durch das Concil von 1870 die übri¬
gen Bischöfe in eine untergeordnete Stellung herabgedrückt hat, seitdem er
ihnen gegenüber unbeschränkter Herr der Kirche und der Gewissen aller Ka¬
tholiken geworden ist, die ihm, dem Unfehlbarer, bei Conflicten zwischen Kirche
und Staat mehr Gehorsam schulden als der weltlichen Obrigkeit, ist das Recht
der mittelbaren Betheiligung der Regierungen an der Papstwahl nicht so sehr
aus jenem alten Verhältniß, als aus der Pflicht der Selbsterhaltung herzu¬
leiten. Mit andern Worten, den Staaten muß das Recht des Veto zuerkannt
werden, weil sie die Verpflichtung haben, darüber zu wachen, daß der Stuhl
Petri nicht von wagehalsigen neuerem, welche Rechte und Interesse der
Staaten mißachten, mit einem aus ihrer Mitte, nicht mit einem Manne staats¬
feindlichen Glaubens und Strebens besetzt werde.

Wie im frühen Mittelalter die Päpste aus der Wahl des Volkes von
Rom hervorgingen, so sind in der Gegenwart alle Mitglieder der katholischen
Kirche als die gesetzmäßigen und natürlichen Wähler des Oberhauptes dersel¬
ben anzusehen. Ihr Wahlrecht aber üben sie durch ihre' Regierungen aus.
Die Regierungen als die Vertreter und Willensträger der Völker haben
folglich die unbestreitbare Befugniß, auf die Wahl des Papstes einzuwirken.


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[0357] Italien mit Einschluß Roms herrschende Monarchen, die Karolinger, endlich die deutschen Könige in ihrer Eigenschaft als römische Kaiser machten im Lauf der Jahrhunderte von diesem Rechte Gebrauch. Allmählich verwandelte sich das Bestätigungsrecht in die Befugniß zu einem Einspruch, wenn die Wahl der Cardinäle auf eine Persönlichkeit gefal¬ len war, welche der obersten weltlichen Macht oder zuletzt mehreren bestimm¬ ten Mächten Bedenken erweckte. Noch bei dem letzten Conclave wurde dieses Ablehnungsrecht den Souveränen von Frankreich, Oesterreich, Spanien und Portugal als unbestreitbar zuerkannt, und da die Verkündigung des Unfehl- barkeits-Dogmas hierin keine Aenderung bewirkt haben kann, so gebührt jenes Recht den gedachten vier Mächten noch heute völlig unverkürzt. Infolge der Ereignisse der neuesten Zeit muß dasselbe aber noch zwei andern Fürsten Europas eingeräumt werden: dem König von Italien und dem deutschen Kaiser. Karl der Große und seine nächsten Nachfolger betheiligten sich bei der Wahl des römischen Bischofs unmittelbar. Später behielten sich die karolin- gischen Könige nur die Bestätigung des Gewählten vor, ein Recht, welches von den römischen Kaisern deutscher Nation übernommen und, wie bemerkt, später auf das Veto gegen mißliebige Persönlichkeiten beschränkt wurde. Die österreichischen Kaiser übten dann dieses Recht als Nachfolger der deutschen Kaiser, die französischen Könige als Karolinger, die Könige von Spanien als Nachfolger Karl.s des Fünften aus. Seitdem aber der römische Bischof durch das Concil von 1870 die übri¬ gen Bischöfe in eine untergeordnete Stellung herabgedrückt hat, seitdem er ihnen gegenüber unbeschränkter Herr der Kirche und der Gewissen aller Ka¬ tholiken geworden ist, die ihm, dem Unfehlbarer, bei Conflicten zwischen Kirche und Staat mehr Gehorsam schulden als der weltlichen Obrigkeit, ist das Recht der mittelbaren Betheiligung der Regierungen an der Papstwahl nicht so sehr aus jenem alten Verhältniß, als aus der Pflicht der Selbsterhaltung herzu¬ leiten. Mit andern Worten, den Staaten muß das Recht des Veto zuerkannt werden, weil sie die Verpflichtung haben, darüber zu wachen, daß der Stuhl Petri nicht von wagehalsigen neuerem, welche Rechte und Interesse der Staaten mißachten, mit einem aus ihrer Mitte, nicht mit einem Manne staats¬ feindlichen Glaubens und Strebens besetzt werde. Wie im frühen Mittelalter die Päpste aus der Wahl des Volkes von Rom hervorgingen, so sind in der Gegenwart alle Mitglieder der katholischen Kirche als die gesetzmäßigen und natürlichen Wähler des Oberhauptes dersel¬ ben anzusehen. Ihr Wahlrecht aber üben sie durch ihre' Regierungen aus. Die Regierungen als die Vertreter und Willensträger der Völker haben folglich die unbestreitbare Befugniß, auf die Wahl des Papstes einzuwirken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/357>, abgerufen am 23.07.2024.