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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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schen Ostküste, nach Amerika und Australien. Peking steht durch den Kaiser-
canal und dessen Seitencanäle vermittelst des Hoangho, Uangtsekiang u. A.
in Verbindung mit den vorzüglichsten Handelsplätzen des weiten chinesischen
Reiches. Ungeheuere Kohlenlager in China (in den Provinzen Petschili und
Shansi), von denen schon Freiherr von Richthofen berichtet hat, und andere
kostbare Materialquellen des Bodens werden mit dem Bau der russisch-chine¬
sischen Weltbahn aufgeschlossen, eine Bevölkerung von 780 Millionen Seelen
an beiden Endpunkten wird mit ihrem Gewerbesteiß und Handel einander
nahe gerückt, die Cultur und Civilisation aber in einem bisher ungeahnten
Maße gefördert werden. Die Resultate des Planes ergeben sich am klarsten
aus nachfolgenden Zahlen. Von London nach China sind gegenwärtig er¬
forderlich :

s) bis New-York..........10 Tage.
d) von New-Uork bis San Francisco . . 7 "
o) von San Francisco bis Shcmgai ... 30 "
zusammen 47 Tage Zeit.

Auf der europäisch-chinesischen Bahn werden bei einer Weglänge von ca. 1330
Meilen künftig 8 Tage gebraucht werden (7 Meilen pro Stunde). Das Re¬
sultat ist also eine Ersparniß von 39 Tagen für den Verkehr Europas mit
China. Eben so muß der amerikanisch-chinesische Verkehr einer gänzlichen
Umgestaltung entgegengehen; denn auch für New-Aork ergiebt sich, gegenüber
der Dauer von 30 Tagen Seefahrt bis Shanghai dz. Tim-thir, auf dem
Wege New-York-Rotterdam- (oder Ostende) Moskau-Tim-tfin ein Zeitgewinn
von 12 Tagen, ungerechnet den Umstand, daß auf dem zuletztgedachten Wege
die Centren der Cultur berührt werden, während die Seefahrt durch den Pa-
cific-Ocean dieses Vortheils gänzlich entbehrt.

Die Rentabilität des Unternehmens steht außer Zweifel, da demselben
der ganze Personenverkehr Europas und Nord-Amerikas mit Ostasien und
die kolossale Güterbewegung von Asien nach Europa zufallen müssen; bei
jährlich 2^/2 Millionen Lasten Transitguts würde der Transitverkehr nach or.
Meissel's Veranschlagungen allein 222 Millionen Thaler Einnahme ergeben,
der Personenverkehr etwa 200 Millionen Thaler, Summen, welche die Ver¬
zinsung des auf 1080 Millionen Thaler (800,000 Thaler pro Meile) anzu¬
nehmenden Anlagekapitals reichlich zu decken im Stande wären, auch wenn
die Betriebskosten u. f. w. eine ungewöhnliche Höhe erreichen sollten.

Noch vor wenigen Jahrzehnten würden Projekte dieser Art als Erzeug¬
nisse einer ausschweifenden Phantasie angesehen und mit einem mitleidigen
Lächeln aufgenommen worden sein. Die Gegenwart denkt anders. Erst vor
Kurzem hat sie im Osten zwei Continente getrennt, um eine Weltverbindungs¬
straße zu schaffen, und denkt bereits daran, auch im Westen die amerikanische


schen Ostküste, nach Amerika und Australien. Peking steht durch den Kaiser-
canal und dessen Seitencanäle vermittelst des Hoangho, Uangtsekiang u. A.
in Verbindung mit den vorzüglichsten Handelsplätzen des weiten chinesischen
Reiches. Ungeheuere Kohlenlager in China (in den Provinzen Petschili und
Shansi), von denen schon Freiherr von Richthofen berichtet hat, und andere
kostbare Materialquellen des Bodens werden mit dem Bau der russisch-chine¬
sischen Weltbahn aufgeschlossen, eine Bevölkerung von 780 Millionen Seelen
an beiden Endpunkten wird mit ihrem Gewerbesteiß und Handel einander
nahe gerückt, die Cultur und Civilisation aber in einem bisher ungeahnten
Maße gefördert werden. Die Resultate des Planes ergeben sich am klarsten
aus nachfolgenden Zahlen. Von London nach China sind gegenwärtig er¬
forderlich :

s) bis New-York..........10 Tage.
d) von New-Uork bis San Francisco . . 7 „
o) von San Francisco bis Shcmgai ... 30 „
zusammen 47 Tage Zeit.

Auf der europäisch-chinesischen Bahn werden bei einer Weglänge von ca. 1330
Meilen künftig 8 Tage gebraucht werden (7 Meilen pro Stunde). Das Re¬
sultat ist also eine Ersparniß von 39 Tagen für den Verkehr Europas mit
China. Eben so muß der amerikanisch-chinesische Verkehr einer gänzlichen
Umgestaltung entgegengehen; denn auch für New-Aork ergiebt sich, gegenüber
der Dauer von 30 Tagen Seefahrt bis Shanghai dz. Tim-thir, auf dem
Wege New-York-Rotterdam- (oder Ostende) Moskau-Tim-tfin ein Zeitgewinn
von 12 Tagen, ungerechnet den Umstand, daß auf dem zuletztgedachten Wege
die Centren der Cultur berührt werden, während die Seefahrt durch den Pa-
cific-Ocean dieses Vortheils gänzlich entbehrt.

Die Rentabilität des Unternehmens steht außer Zweifel, da demselben
der ganze Personenverkehr Europas und Nord-Amerikas mit Ostasien und
die kolossale Güterbewegung von Asien nach Europa zufallen müssen; bei
jährlich 2^/2 Millionen Lasten Transitguts würde der Transitverkehr nach or.
Meissel's Veranschlagungen allein 222 Millionen Thaler Einnahme ergeben,
der Personenverkehr etwa 200 Millionen Thaler, Summen, welche die Ver¬
zinsung des auf 1080 Millionen Thaler (800,000 Thaler pro Meile) anzu¬
nehmenden Anlagekapitals reichlich zu decken im Stande wären, auch wenn
die Betriebskosten u. f. w. eine ungewöhnliche Höhe erreichen sollten.

Noch vor wenigen Jahrzehnten würden Projekte dieser Art als Erzeug¬
nisse einer ausschweifenden Phantasie angesehen und mit einem mitleidigen
Lächeln aufgenommen worden sein. Die Gegenwart denkt anders. Erst vor
Kurzem hat sie im Osten zwei Continente getrennt, um eine Weltverbindungs¬
straße zu schaffen, und denkt bereits daran, auch im Westen die amerikanische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/350>, abgerufen am 29.06.2024.