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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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man sie am liebsten fortgeschickt hätte. Was Napoleon in Erfurt von ihnen
zu Gesicht bekam, nennt er selbst "das Gespött der Soldaten", und doch
braucht er ihrer mehr und immer mehr. Am 5. Mai nach der Schlacht bei Lützen
schreibt er dem Kriegsminister: "-le ins trouve sur le oliamp av bataille
Sans "Meierg. v'ailleurs ig, eampaMo en U8era deaueeux; it kaut äone en
kvoir pour les remplacer savs taire ac8 avaneements trop raxiäes et qui
u'atteiZnent xas le dut . . . Li vous aveü besoin Ä'oNeiers, 1'g.rin6e ä'Ds-
pÄ^us est une xexiniere illvpuisgdls, .je vous autorise en taire venir."

In dankbarer Anerkennung der außerordentlichen Anstrengungen unserer
preußischen Krümper und Landwehren ist man oft geneigt gewesen, die
Leistungen dieser Aufgebote "gegenüber den altbewährten Schlachthaufen Na¬
poleons" in ein gar zu günstiges Licht zu stellen und dann, auf ein solches
Bild gestützt, für kürzeste Dienstzeit und Milizsysteme zu Plaidiren. Wir haben
deßhalb absichtlich Gelegenheit genommen, einmal im Einzelnen nachzuweisen,
welcher Art jene napoleonischen Schlachthaufen waren, denen
gegenüber denn doch, trotz des schönen Feldzugbeginns bei Möckern, die
Schlachten von Lützen, Bautzen und Dresden, aller hingebenden Tapferkeit der
Alliirten ungeachtet, nicht gewonnen wurden. -- Mit^ dieser Bemerkung soll
und kann übrigens weder der unvergeßlichen und ewig ruhmwürdigen Treue
und Tüchtigkeit des deutschen Volksaufgebots von 1813, noch der Tapferkeit
der jungen französischen Soldaten irgendwie zu nahe getreten werden.

Wie außerordentlich viel den Generalen und zumal Napoleon daran lag,
das Selbstbewußtsein der jungen Soldaten zu heben, das zeigen die über-
schwänglichen Lobeserhebungen nach den ersten Zusammenstößen bei Weißen¬
fels und bei Lützen. Heißt es doch in der "famosen Proclamation vom
3. Mai: "I^a, balg-ille as I^ut^en serg. mise auäessus <Ze8 bli-willes
ü'^usterlits, ä'^culi., ac I'i-ieäla.us et de Noslcona,!" Dies ist denn doch
der Mund zu voll genommen! Welches Lob blieb nun noch übrig? Es ist,
als hätte der Kaiser das gefühlt, denn er hat drei Wochen später angesichts
der entschieden solideren Leistungen seiner Armee bei Bautzen kein Lob mehr
für die Infanterie, sondern gießt nun den Strom der Elogen über die Ca-
vallerie aus, welche jetzt in Stärke von 15.000 Pferden und in ihrem besten
Kern aus Polen und Sachsen zusammengesetzt, unter Latour-Maubourg ver¬
einigt war. Aber mit diesen Lobeserhebungen verbinden sich von Anfang an
bittere Klagen über die furchtbare landverwüstende Unordnung, über den
Mangel an Marsch- und Lager-Disciplin. Zerstreuung rechts und links der
Straßen, Nachzügelei, wildes und zweckloses Schießen in den Cantonnements
durch welches viele Ortschaften in Brand geriethen, jammervolle Verwahrlos
sung der Pferde, die in Schaaren zu den Depots zurückgeführt werden mußten,
und endlich eine vom Tage der Feldzugseröffnung an beginnende und be-


man sie am liebsten fortgeschickt hätte. Was Napoleon in Erfurt von ihnen
zu Gesicht bekam, nennt er selbst „das Gespött der Soldaten", und doch
braucht er ihrer mehr und immer mehr. Am 5. Mai nach der Schlacht bei Lützen
schreibt er dem Kriegsminister: „-le ins trouve sur le oliamp av bataille
Sans «Meierg. v'ailleurs ig, eampaMo en U8era deaueeux; it kaut äone en
kvoir pour les remplacer savs taire ac8 avaneements trop raxiäes et qui
u'atteiZnent xas le dut . . . Li vous aveü besoin Ä'oNeiers, 1'g.rin6e ä'Ds-
pÄ^us est une xexiniere illvpuisgdls, .je vous autorise en taire venir."

In dankbarer Anerkennung der außerordentlichen Anstrengungen unserer
preußischen Krümper und Landwehren ist man oft geneigt gewesen, die
Leistungen dieser Aufgebote „gegenüber den altbewährten Schlachthaufen Na¬
poleons" in ein gar zu günstiges Licht zu stellen und dann, auf ein solches
Bild gestützt, für kürzeste Dienstzeit und Milizsysteme zu Plaidiren. Wir haben
deßhalb absichtlich Gelegenheit genommen, einmal im Einzelnen nachzuweisen,
welcher Art jene napoleonischen Schlachthaufen waren, denen
gegenüber denn doch, trotz des schönen Feldzugbeginns bei Möckern, die
Schlachten von Lützen, Bautzen und Dresden, aller hingebenden Tapferkeit der
Alliirten ungeachtet, nicht gewonnen wurden. — Mit^ dieser Bemerkung soll
und kann übrigens weder der unvergeßlichen und ewig ruhmwürdigen Treue
und Tüchtigkeit des deutschen Volksaufgebots von 1813, noch der Tapferkeit
der jungen französischen Soldaten irgendwie zu nahe getreten werden.

Wie außerordentlich viel den Generalen und zumal Napoleon daran lag,
das Selbstbewußtsein der jungen Soldaten zu heben, das zeigen die über-
schwänglichen Lobeserhebungen nach den ersten Zusammenstößen bei Weißen¬
fels und bei Lützen. Heißt es doch in der "famosen Proclamation vom
3. Mai: „I^a, balg-ille as I^ut^en serg. mise auäessus <Ze8 bli-willes
ü'^usterlits, ä'^culi., ac I'i-ieäla.us et de Noslcona,!" Dies ist denn doch
der Mund zu voll genommen! Welches Lob blieb nun noch übrig? Es ist,
als hätte der Kaiser das gefühlt, denn er hat drei Wochen später angesichts
der entschieden solideren Leistungen seiner Armee bei Bautzen kein Lob mehr
für die Infanterie, sondern gießt nun den Strom der Elogen über die Ca-
vallerie aus, welche jetzt in Stärke von 15.000 Pferden und in ihrem besten
Kern aus Polen und Sachsen zusammengesetzt, unter Latour-Maubourg ver¬
einigt war. Aber mit diesen Lobeserhebungen verbinden sich von Anfang an
bittere Klagen über die furchtbare landverwüstende Unordnung, über den
Mangel an Marsch- und Lager-Disciplin. Zerstreuung rechts und links der
Straßen, Nachzügelei, wildes und zweckloses Schießen in den Cantonnements
durch welches viele Ortschaften in Brand geriethen, jammervolle Verwahrlos
sung der Pferde, die in Schaaren zu den Depots zurückgeführt werden mußten,
und endlich eine vom Tage der Feldzugseröffnung an beginnende und be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/335>, abgerufen am 22.07.2024.