armee gewesen und 1803 das Gouvernement von Pavia erhalten hatte, war ein leidenschaftlicher Republikaner. Als solcher ließ er sich zu heftigstem öffent¬ lichem Tadel der napoleonischen Politik hinreißen, wurde abgesetzt, ging nach Paris und trat sofort in Umtriebe gegen die Regierung ein. Er wurde ver¬ haftet und, obgleich man ihn keiner strafbaren Handlung überführen konnte, von der Polizei jahrelang hingezerrt, bis man ihn endlich 1812 in ein De- tentionshaus brachte. Aber hier fand er gerade den Heerd für seine Flamme. Mit mehren Royalisten, zumal mit dem kühnen Abbe Lafon, entwarf er einen Plan zum Sturze des mit seinen Heeren im fernen Osten fechtenden Tyrannen. Makler und Lafon entwichen, erschienen in einer Kaserne von Paris und ver¬ kündeten den Truppen, daß Napoleon in Rußland umgekommen sei. Sie wiesen nachgeahmte Senatsverfügungen vor, welche dem General Lamotte (so nannte sich Mallet) die Truppen zur Verfügung stellten und die Republik proclamirten -- und ohne irgend zu zweifeln oder zu widerstreben stellte sich die haranguirte Kohorte bedingungslos zur Verfügung. Ohne zu zaudern besetzte der Commandeur eines Regiments auf schriftlichen Befehl Mallet's die Barrieren der Stadt, um Paris abzusperren. Nun hatte die Unternehmung festen Boden gewonnen. Die frondirenden Generale Guidal und Lahorie, von denen der erstere mit den Engländern conspirirt haben sollte, während der letztere als ehemaliger Stabschef Moreau's verdächtig war, wurden aus dem Gefängnisse von Laforee befreit, und indessen diese Männer, mit gefälschten Senatsbeschlüssen ausgerüstet, die Minister der Polizei und des Krieges ge¬ fangen nahmen und auf die Conciergerie brachten, deren Behörden den Em¬ pörern gläubig gehorchten, wandte sich Mallet, von der Dunkelheit der Nacht beschützt, gegen die Kommandantur. Gouverneur von Paris war Hullie, dieser merkwürdige Genfer, der sich vom Uhrmachergesellen zum Leibjäger eines Ca- valiers, vom revolutionären Deputirten der Pariser Plebs zum Generalad¬ jutanten Buonaparte's entwickelt hatte und den der Kaiser mit Vorliebe grade da verwendete, wo es auf wachsame Festigkeit und kluge Ergebenheit ankam. -- Ihm theilte Mallet das Märchen vom Tode des Kaisers und die Errichtung einer provisorischen Regierung mit, welche in der That gleichzeitig von Lafon auf der Präfectur installirt wurde, und bot ihm den Befehl über die bewaffnete Macht, an, wenn er zur Verfassungsänderung beitragen wollte. Hullie sprach seine Zweifel an dem Tode Napoleon's aus, und als Mallet bemerkte, daß der Gouverneur ihn durch Zögern nur hinzuhalten und Zeit zu gewinnen suchte, schoß er ihm eine Kugel vor den Kopf, begab sich zu dem Chef des Generalstabs Doucet und forderte nun diesen auf, das Commando von Paris zu übernehmen. Hier scheint sich Mallet zuerst unsicher benommen zu' haben, und als er durch einen Adjutanten erkannt, von einem Polizeiofficianten mit Sicherheit recognoscirt war, verlor er die Haltung, suchte er sich mit dem Degen
armee gewesen und 1803 das Gouvernement von Pavia erhalten hatte, war ein leidenschaftlicher Republikaner. Als solcher ließ er sich zu heftigstem öffent¬ lichem Tadel der napoleonischen Politik hinreißen, wurde abgesetzt, ging nach Paris und trat sofort in Umtriebe gegen die Regierung ein. Er wurde ver¬ haftet und, obgleich man ihn keiner strafbaren Handlung überführen konnte, von der Polizei jahrelang hingezerrt, bis man ihn endlich 1812 in ein De- tentionshaus brachte. Aber hier fand er gerade den Heerd für seine Flamme. Mit mehren Royalisten, zumal mit dem kühnen Abbe Lafon, entwarf er einen Plan zum Sturze des mit seinen Heeren im fernen Osten fechtenden Tyrannen. Makler und Lafon entwichen, erschienen in einer Kaserne von Paris und ver¬ kündeten den Truppen, daß Napoleon in Rußland umgekommen sei. Sie wiesen nachgeahmte Senatsverfügungen vor, welche dem General Lamotte (so nannte sich Mallet) die Truppen zur Verfügung stellten und die Republik proclamirten — und ohne irgend zu zweifeln oder zu widerstreben stellte sich die haranguirte Kohorte bedingungslos zur Verfügung. Ohne zu zaudern besetzte der Commandeur eines Regiments auf schriftlichen Befehl Mallet's die Barrieren der Stadt, um Paris abzusperren. Nun hatte die Unternehmung festen Boden gewonnen. Die frondirenden Generale Guidal und Lahorie, von denen der erstere mit den Engländern conspirirt haben sollte, während der letztere als ehemaliger Stabschef Moreau's verdächtig war, wurden aus dem Gefängnisse von Laforee befreit, und indessen diese Männer, mit gefälschten Senatsbeschlüssen ausgerüstet, die Minister der Polizei und des Krieges ge¬ fangen nahmen und auf die Conciergerie brachten, deren Behörden den Em¬ pörern gläubig gehorchten, wandte sich Mallet, von der Dunkelheit der Nacht beschützt, gegen die Kommandantur. Gouverneur von Paris war Hullie, dieser merkwürdige Genfer, der sich vom Uhrmachergesellen zum Leibjäger eines Ca- valiers, vom revolutionären Deputirten der Pariser Plebs zum Generalad¬ jutanten Buonaparte's entwickelt hatte und den der Kaiser mit Vorliebe grade da verwendete, wo es auf wachsame Festigkeit und kluge Ergebenheit ankam. — Ihm theilte Mallet das Märchen vom Tode des Kaisers und die Errichtung einer provisorischen Regierung mit, welche in der That gleichzeitig von Lafon auf der Präfectur installirt wurde, und bot ihm den Befehl über die bewaffnete Macht, an, wenn er zur Verfassungsänderung beitragen wollte. Hullie sprach seine Zweifel an dem Tode Napoleon's aus, und als Mallet bemerkte, daß der Gouverneur ihn durch Zögern nur hinzuhalten und Zeit zu gewinnen suchte, schoß er ihm eine Kugel vor den Kopf, begab sich zu dem Chef des Generalstabs Doucet und forderte nun diesen auf, das Commando von Paris zu übernehmen. Hier scheint sich Mallet zuerst unsicher benommen zu' haben, und als er durch einen Adjutanten erkannt, von einem Polizeiofficianten mit Sicherheit recognoscirt war, verlor er die Haltung, suchte er sich mit dem Degen
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ein leidenschaftlicher Republikaner. Als solcher ließ er sich zu heftigstem öffent¬
lichem Tadel der napoleonischen Politik hinreißen, wurde abgesetzt, ging nach
Paris und trat sofort in Umtriebe gegen die Regierung ein. Er wurde ver¬
haftet und, obgleich man ihn keiner strafbaren Handlung überführen konnte,
von der Polizei jahrelang hingezerrt, bis man ihn endlich 1812 in ein De-
tentionshaus brachte. Aber hier fand er gerade den Heerd für seine Flamme.
Mit mehren Royalisten, zumal mit dem kühnen Abbe Lafon, entwarf er einen
Plan zum Sturze des mit seinen Heeren im fernen Osten fechtenden Tyrannen.
Makler und Lafon entwichen, erschienen in einer Kaserne von Paris und ver¬
kündeten den Truppen, daß Napoleon in Rußland umgekommen sei. Sie
wiesen nachgeahmte Senatsverfügungen vor, welche dem General Lamotte (so
nannte sich Mallet) die Truppen zur Verfügung stellten und die Republik
proclamirten — und ohne irgend zu zweifeln oder zu widerstreben stellte
sich die haranguirte Kohorte bedingungslos zur Verfügung. Ohne zu zaudern
besetzte der Commandeur eines Regiments auf schriftlichen Befehl Mallet's die
Barrieren der Stadt, um Paris abzusperren. Nun hatte die Unternehmung
festen Boden gewonnen. Die frondirenden Generale Guidal und Lahorie,
von denen der erstere mit den Engländern conspirirt haben sollte, während
der letztere als ehemaliger Stabschef Moreau's verdächtig war, wurden aus
dem Gefängnisse von Laforee befreit, und indessen diese Männer, mit gefälschten
Senatsbeschlüssen ausgerüstet, die Minister der Polizei und des Krieges ge¬
fangen nahmen und auf die Conciergerie brachten, deren Behörden den Em¬
pörern gläubig gehorchten, wandte sich Mallet, von der Dunkelheit der Nacht
beschützt, gegen die Kommandantur. Gouverneur von Paris war Hullie, dieser
merkwürdige Genfer, der sich vom Uhrmachergesellen zum Leibjäger eines Ca-
valiers, vom revolutionären Deputirten der Pariser Plebs zum Generalad¬
jutanten Buonaparte's entwickelt hatte und den der Kaiser mit Vorliebe grade
da verwendete, wo es auf wachsame Festigkeit und kluge Ergebenheit ankam.
— Ihm theilte Mallet das Märchen vom Tode des Kaisers und die Errichtung
einer provisorischen Regierung mit, welche in der That gleichzeitig von Lafon auf
der Präfectur installirt wurde, und bot ihm den Befehl über die bewaffnete
Macht, an, wenn er zur Verfassungsänderung beitragen wollte. Hullie sprach
seine Zweifel an dem Tode Napoleon's aus, und als Mallet bemerkte, daß
der Gouverneur ihn durch Zögern nur hinzuhalten und Zeit zu gewinnen
suchte, schoß er ihm eine Kugel vor den Kopf, begab sich zu dem Chef des
Generalstabs Doucet und forderte nun diesen auf, das Commando von Paris
zu übernehmen. Hier scheint sich Mallet zuerst unsicher benommen zu' haben,
und als er durch einen Adjutanten erkannt, von einem Polizeiofficianten mit
Sicherheit recognoscirt war, verlor er die Haltung, suchte er sich mit dem Degen
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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/322>, abgerufen am 29.12.2024.
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