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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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machten es nöthig, ein minder stürmisches Obdach zu suchen. Natürlich war
der Wegzug von Ingolstadt nur der Uebergang zur Verlegung in die
Residenz.

Weiter kommt es in Betracht, daß die Säkularisation der Klöster dem
Universitätsfond bedeutende Mittel zuwies, die in jener Zeit um so schwerer
wogen, da fast alle Kräfte des Staates durch kriegerische Actionen absorbirt
wurden', zum Schlüsse aber muß das erwähnt werden, daß man auch in der
Berufung der Lehrkräfte und in der Organisation des Lehrplans sich den
neueren Ideen anschloß.

Die Durchführung derselben ward allerdings im absolutistischen Geiste
jener Zeit vollzogen, aber es kamen wenigstens die rechten Männer an die
rechte Stelle und so kurz auch das Dominik der Hochschule in Landshut war
(1800--1826), so reich ist es an glänzenden Namen.

Die Uebersiedlung nach München hatte den unbestrittenen Vorzug, daß
die Akademie und die reichen wissenschaftlichen Sammlungen sofort der Hoch¬
schule zu Gute kamen, in politischer Beziehung war ihre Leitung freilich im
Anfang ziemlich disciplinär. Man weiß, daß die Pflege der Kunst, welche
unter König Ludwig I. ein so hohes Uebergewicht erlangte, ihren Rückschlag
auf die Wissenschaften übte; und erst Max II. war es vorbehalten, hier das
Gleichgewicht zu finden. Mit den fünfziger Jahren begann unter dem hef¬
tigsten Widerstand der "Autochthonen" das System der "Berufungen"; einer
der ersten, der ihnen Folge leistete, war Liebig. Sybel, Bluntschli, Jolly,
Windscheid und andere kamen in verschiedenen Zwischenräumen und heute ist
die almii, Ug>dör an der Jsar ein erfreuliches Bild des Zusammenwirkens von
Nord und Süd.

Man sieht, welch großer geschichtlicher Hintergrund dem Feste zur Ver¬
fügung stand, und diesem waren denn auch die Dimensionen der Jubelfeier
selbst ganz ebenbürtig. Sie wuchsen mehr ins Weite als man es ursprüng¬
lich berechnet hatte, schon die Zahl der Theilnehmer, die nahe an 4000 kam,
war überraschend, und die einzelnen Hochschulen hatten ihre bedeutendsten
Namen gesendet, um der Schwesterstadt Ehre zu erweisen. Bekanntlich war
die akademische Betheiligung Anfangs nur für die deutschen Universitäten in
Aussicht genommen, aber neben Oesterreich und der Schweiz wurde auch
Holland, England und Scandinavien beigezogen, veranlaßt durch das Ersuchen
der alas, Natgr in Leyden.

Entsprechend diesen äußeren Verhältnissen war die innere Bedeutung des
Festes. Die Entwicklung, welche Europa vor allem seit dem Jahre 1848
genommen hat, gibt den Beweis, wie tief der Zusammenhang zwischen geistiger
Bildung und politischer Macht ist, und dieß Bewußtsein trat unter den Fest¬
genossen überwältigend zu Tage. Man feierte nicht den ehrwürdigen 400jäh-


machten es nöthig, ein minder stürmisches Obdach zu suchen. Natürlich war
der Wegzug von Ingolstadt nur der Uebergang zur Verlegung in die
Residenz.

Weiter kommt es in Betracht, daß die Säkularisation der Klöster dem
Universitätsfond bedeutende Mittel zuwies, die in jener Zeit um so schwerer
wogen, da fast alle Kräfte des Staates durch kriegerische Actionen absorbirt
wurden', zum Schlüsse aber muß das erwähnt werden, daß man auch in der
Berufung der Lehrkräfte und in der Organisation des Lehrplans sich den
neueren Ideen anschloß.

Die Durchführung derselben ward allerdings im absolutistischen Geiste
jener Zeit vollzogen, aber es kamen wenigstens die rechten Männer an die
rechte Stelle und so kurz auch das Dominik der Hochschule in Landshut war
(1800—1826), so reich ist es an glänzenden Namen.

Die Uebersiedlung nach München hatte den unbestrittenen Vorzug, daß
die Akademie und die reichen wissenschaftlichen Sammlungen sofort der Hoch¬
schule zu Gute kamen, in politischer Beziehung war ihre Leitung freilich im
Anfang ziemlich disciplinär. Man weiß, daß die Pflege der Kunst, welche
unter König Ludwig I. ein so hohes Uebergewicht erlangte, ihren Rückschlag
auf die Wissenschaften übte; und erst Max II. war es vorbehalten, hier das
Gleichgewicht zu finden. Mit den fünfziger Jahren begann unter dem hef¬
tigsten Widerstand der „Autochthonen" das System der „Berufungen"; einer
der ersten, der ihnen Folge leistete, war Liebig. Sybel, Bluntschli, Jolly,
Windscheid und andere kamen in verschiedenen Zwischenräumen und heute ist
die almii, Ug>dör an der Jsar ein erfreuliches Bild des Zusammenwirkens von
Nord und Süd.

Man sieht, welch großer geschichtlicher Hintergrund dem Feste zur Ver¬
fügung stand, und diesem waren denn auch die Dimensionen der Jubelfeier
selbst ganz ebenbürtig. Sie wuchsen mehr ins Weite als man es ursprüng¬
lich berechnet hatte, schon die Zahl der Theilnehmer, die nahe an 4000 kam,
war überraschend, und die einzelnen Hochschulen hatten ihre bedeutendsten
Namen gesendet, um der Schwesterstadt Ehre zu erweisen. Bekanntlich war
die akademische Betheiligung Anfangs nur für die deutschen Universitäten in
Aussicht genommen, aber neben Oesterreich und der Schweiz wurde auch
Holland, England und Scandinavien beigezogen, veranlaßt durch das Ersuchen
der alas, Natgr in Leyden.

Entsprechend diesen äußeren Verhältnissen war die innere Bedeutung des
Festes. Die Entwicklung, welche Europa vor allem seit dem Jahre 1848
genommen hat, gibt den Beweis, wie tief der Zusammenhang zwischen geistiger
Bildung und politischer Macht ist, und dieß Bewußtsein trat unter den Fest¬
genossen überwältigend zu Tage. Man feierte nicht den ehrwürdigen 400jäh-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/318>, abgerufen am 25.08.2024.