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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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der die Persönlichkeit vernichtet und den Charakter des katholischen Klerus so
tief corrumpirt hat.

Zwangsmaßregeln aller Art wurden ins Leben gerufen, die sämmtlichen
Docenten sollten das katholische Glaubensbekenntniß beschwören und zwei der
bedeutendsten, die sich dessen weigerten, wurden sofort des Landes verwiesen.
Das letztere Mittel erwies sich bald von geläufiger Brauchbarkeit, so oft man
sich eines begabten Gegners entledigen wollte, und leider bot Herzog Wilhelm
in München, den die Societät persönlich bestürmte, willfährig seine Hand zu
solchem Terrorismus. Immer weiter wußten die Jesuiten in die philosophi¬
sche Facultät sich einzudrängen. Schritt für Schritt wie es die Taktik des
Ordens ist und schon 1S88 verfügte ein herzogliches Decret, daß die genannte
Facultät nun ausschließlich mit ihnen zu besetzen sei.

Ihr Einfluß steigerte sich noch, nachdem zwei Männer an die Regierung
kamen, die ehedem als Studirende der Hochschule angehört hatten. Es sind
dies Kaiser Ferdinand II. und Churfürst Max I. von Bayern. Wie weit
man ging, mag daraus erkannt werden, daß nun den Professoren sogar ein
Eid auf die (damals noch ganz streitige) unbefleckte Empfängnis; abgenommen
wurde und daß man bei allen Buchhändlern Haussuchungen in Scene setzte, um
unkatholische Schriften aus der Welt zu räumen. Unter solchen Umständen
konnten weder die Talente, die unter den Lehrkräften vielfach vorhanden waren,
noch die materiellen Zuflüsse, die der Hochschule anheimfielen, Bedeutendes leisten,
die Lebensader jeder Universität, die Freiheit war unterbunden.

Den ersten Bruch mit diesem System versuchten die aufklärenden Ten¬
denzen des 18. Jahrhunderts und hier ist es die medicinische Facultät, der
ein hervorragendes Verdienst gebührt. Auch Churfürst Max Joseph III.,
dessen milder Charakter wenigstens zur Toleranz neigte, auch wo er an Ein¬
sicht seine Zeit nicht überragte, schuf vieles Förderliche für die Universität, vor
Allem, indem er die einzelnen Lehrgegenstände in richtige Proportion brachte
und verschiedene Mißbräuche, die sich in der Thätigkeit des Docirens entwickelt
hatten, unterdrückte. Einen abermaligen Schritt zur Reaction rief indessen
die Stiftung des sogenannten Illuminatenordens hervor, der schon nach einem
Jahre verboten und mit der höchsten Energie verfolgt ward.

Radical war indessen der Systemwechsel erst unter Churfürst Max IV.,
dem nachmaligen ersten Könige von Bayern, unter dessen Regierung eine
Reihe von Thatsachen fielen. die vom tiefsten Einfluß auf die Entwicklung
des akademischen Lebens wurden. Hieher gehört in erster Reihe die Verlegung
der Hochschule zunächst freilich nur nach Landshut. Ingolstadt, dessen Be¬
festigung in den traurigen Kriegen des 18. Jahrhunderts immer mehr in den
Vordergrund getreten war, bot damit nicht mehr jene Garantien, welche die
Stadt zu Anfang ausgezeichnet, und die Gefahren der Napoleonischen Kriege


der die Persönlichkeit vernichtet und den Charakter des katholischen Klerus so
tief corrumpirt hat.

Zwangsmaßregeln aller Art wurden ins Leben gerufen, die sämmtlichen
Docenten sollten das katholische Glaubensbekenntniß beschwören und zwei der
bedeutendsten, die sich dessen weigerten, wurden sofort des Landes verwiesen.
Das letztere Mittel erwies sich bald von geläufiger Brauchbarkeit, so oft man
sich eines begabten Gegners entledigen wollte, und leider bot Herzog Wilhelm
in München, den die Societät persönlich bestürmte, willfährig seine Hand zu
solchem Terrorismus. Immer weiter wußten die Jesuiten in die philosophi¬
sche Facultät sich einzudrängen. Schritt für Schritt wie es die Taktik des
Ordens ist und schon 1S88 verfügte ein herzogliches Decret, daß die genannte
Facultät nun ausschließlich mit ihnen zu besetzen sei.

Ihr Einfluß steigerte sich noch, nachdem zwei Männer an die Regierung
kamen, die ehedem als Studirende der Hochschule angehört hatten. Es sind
dies Kaiser Ferdinand II. und Churfürst Max I. von Bayern. Wie weit
man ging, mag daraus erkannt werden, daß nun den Professoren sogar ein
Eid auf die (damals noch ganz streitige) unbefleckte Empfängnis; abgenommen
wurde und daß man bei allen Buchhändlern Haussuchungen in Scene setzte, um
unkatholische Schriften aus der Welt zu räumen. Unter solchen Umständen
konnten weder die Talente, die unter den Lehrkräften vielfach vorhanden waren,
noch die materiellen Zuflüsse, die der Hochschule anheimfielen, Bedeutendes leisten,
die Lebensader jeder Universität, die Freiheit war unterbunden.

Den ersten Bruch mit diesem System versuchten die aufklärenden Ten¬
denzen des 18. Jahrhunderts und hier ist es die medicinische Facultät, der
ein hervorragendes Verdienst gebührt. Auch Churfürst Max Joseph III.,
dessen milder Charakter wenigstens zur Toleranz neigte, auch wo er an Ein¬
sicht seine Zeit nicht überragte, schuf vieles Förderliche für die Universität, vor
Allem, indem er die einzelnen Lehrgegenstände in richtige Proportion brachte
und verschiedene Mißbräuche, die sich in der Thätigkeit des Docirens entwickelt
hatten, unterdrückte. Einen abermaligen Schritt zur Reaction rief indessen
die Stiftung des sogenannten Illuminatenordens hervor, der schon nach einem
Jahre verboten und mit der höchsten Energie verfolgt ward.

Radical war indessen der Systemwechsel erst unter Churfürst Max IV.,
dem nachmaligen ersten Könige von Bayern, unter dessen Regierung eine
Reihe von Thatsachen fielen. die vom tiefsten Einfluß auf die Entwicklung
des akademischen Lebens wurden. Hieher gehört in erster Reihe die Verlegung
der Hochschule zunächst freilich nur nach Landshut. Ingolstadt, dessen Be¬
festigung in den traurigen Kriegen des 18. Jahrhunderts immer mehr in den
Vordergrund getreten war, bot damit nicht mehr jene Garantien, welche die
Stadt zu Anfang ausgezeichnet, und die Gefahren der Napoleonischen Kriege


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/317>, abgerufen am 22.12.2024.