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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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von dem Abflußsystem gelangte.--Mein letztes Werk bestand in der
Verfolgung der Centrallinie des Abflußsystems bis in das Gebiet der Kanni¬
balen, die Manyuema oder kurzweg Mcmyema genannt werden. In dieser
Linie befinden sich vier große Seen. Ich war in der Nähe des vierten, als
ich zur Umkehr gezwungen wurde. Er ist drei bis vier Miles breit und
kann an keiner Stelle zu irgend einer Jahreszeit durchwatet werden. Es giebt
zwei westliche Abzüge. Der Lufira oder Bartle-Freres-Fluß') fließt in den¬
selben beim Hamolondo-See. Dann fließt der große Fluß Lomami ebenfalls
in denselben und zwar durch den Lincolnsee und scheint den westlichen
Arm des Nils zu bilden, aus welchem Petherick Handel trieb
(ana to tora tus gestern g-rin ol ddo ZMe on niet ?cet<zriek ti-antea).
Ich kenne nun ungefähr 600 Miles der Wasserseite und unglücklicherweise
ist das siebente Hundert das interessanteste, denn dort entspringen, wenn ich
nicht irre, vier Quellen von einem irdischen Hügel (eartnen mouvä) und jede
wird nach kurzer Entfernung ein großer Strom. Zwei von ihnen nehmen
ihren Lauf nördlich nach Aegypten, Lufira und Lomami und zwei südlich
nach dem inneren Aethiopien, der Liambai oder obere Zambesi und Kafue.
Sind dies nicht die Quellen des Nils, deren der Schreiber der Minerva in
Sais Herodot gegenüber Erwähnung that?"

Nein, Mr. Livingstone, das sind nicht die Nilquellen! Sir Henry Raw-
linson hat vollkommen recht, wenn er gegenüber diesen Phantasien "des
Doctors" auf die Forschungen unseres Landsmanns Georg Schweinfurth
hinweist, welche allerdings Livingstone noch unbekannt sind, und von denen
ein nicht wissenschaftlich gebildeter Zeitungsreporter, wie Stanley, ihm auch
keine Mittheilungen machen konnte. Unser Landsmann hat nun im Früh¬
jahr 1870 zwischen dem 3. und 4. ° nördlicher Breite die Wasserseite zwischen
den westlichen Nilzuflüssen, dem Bachr-el-Ghazal ("der Nilarm, auf welchem
Petherick Handel trieb") und den Centralafrikanischen Flüssen nachgewiesen.
Er fand dort den großen nach Westen strömenden Nellefluß, welcher wahr¬
scheinlich der obere Lauf des in den Tsadsee minderten Shari ist. Damit
ist aber jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß Livingstones Lufira und Lomami den
oberen Lauf des Bachr-el-Ghasal darstellen. Diese Flüsse können nur die
oberen Gewässer des Congo darstellen oder in den Luta-Nzige, den von Baker
entdeckten sog. Albert-See münden. Ein Drittes giebt es einfach nicht. Wir



') Bartle Frere ist ein um Indien sehr verdienter Mann; der neue Name ist aber über¬
flüssig. Livingstone treibt schändlichen Unfug mit der Namengebung und wir Deutschen er¬
kennen seine zahlreichen Victorias und Muschisons, Alberts und Lincolns ze. nicht an. Wir
behalten die einheimischen Namen bei. Da, wo keine Namen vorhanden, da mag man taufen
-- sonst aber nicht. Und wie geschmacklos sind die englischen Namen. Victoria und Albert,
Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard!

von dem Abflußsystem gelangte.--Mein letztes Werk bestand in der
Verfolgung der Centrallinie des Abflußsystems bis in das Gebiet der Kanni¬
balen, die Manyuema oder kurzweg Mcmyema genannt werden. In dieser
Linie befinden sich vier große Seen. Ich war in der Nähe des vierten, als
ich zur Umkehr gezwungen wurde. Er ist drei bis vier Miles breit und
kann an keiner Stelle zu irgend einer Jahreszeit durchwatet werden. Es giebt
zwei westliche Abzüge. Der Lufira oder Bartle-Freres-Fluß') fließt in den¬
selben beim Hamolondo-See. Dann fließt der große Fluß Lomami ebenfalls
in denselben und zwar durch den Lincolnsee und scheint den westlichen
Arm des Nils zu bilden, aus welchem Petherick Handel trieb
(ana to tora tus gestern g-rin ol ddo ZMe on niet ?cet<zriek ti-antea).
Ich kenne nun ungefähr 600 Miles der Wasserseite und unglücklicherweise
ist das siebente Hundert das interessanteste, denn dort entspringen, wenn ich
nicht irre, vier Quellen von einem irdischen Hügel (eartnen mouvä) und jede
wird nach kurzer Entfernung ein großer Strom. Zwei von ihnen nehmen
ihren Lauf nördlich nach Aegypten, Lufira und Lomami und zwei südlich
nach dem inneren Aethiopien, der Liambai oder obere Zambesi und Kafue.
Sind dies nicht die Quellen des Nils, deren der Schreiber der Minerva in
Sais Herodot gegenüber Erwähnung that?"

Nein, Mr. Livingstone, das sind nicht die Nilquellen! Sir Henry Raw-
linson hat vollkommen recht, wenn er gegenüber diesen Phantasien „des
Doctors" auf die Forschungen unseres Landsmanns Georg Schweinfurth
hinweist, welche allerdings Livingstone noch unbekannt sind, und von denen
ein nicht wissenschaftlich gebildeter Zeitungsreporter, wie Stanley, ihm auch
keine Mittheilungen machen konnte. Unser Landsmann hat nun im Früh¬
jahr 1870 zwischen dem 3. und 4. ° nördlicher Breite die Wasserseite zwischen
den westlichen Nilzuflüssen, dem Bachr-el-Ghazal („der Nilarm, auf welchem
Petherick Handel trieb") und den Centralafrikanischen Flüssen nachgewiesen.
Er fand dort den großen nach Westen strömenden Nellefluß, welcher wahr¬
scheinlich der obere Lauf des in den Tsadsee minderten Shari ist. Damit
ist aber jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß Livingstones Lufira und Lomami den
oberen Lauf des Bachr-el-Ghasal darstellen. Diese Flüsse können nur die
oberen Gewässer des Congo darstellen oder in den Luta-Nzige, den von Baker
entdeckten sog. Albert-See münden. Ein Drittes giebt es einfach nicht. Wir



') Bartle Frere ist ein um Indien sehr verdienter Mann; der neue Name ist aber über¬
flüssig. Livingstone treibt schändlichen Unfug mit der Namengebung und wir Deutschen er¬
kennen seine zahlreichen Victorias und Muschisons, Alberts und Lincolns ze. nicht an. Wir
behalten die einheimischen Namen bei. Da, wo keine Namen vorhanden, da mag man taufen
— sonst aber nicht. Und wie geschmacklos sind die englischen Namen. Victoria und Albert,
Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard!
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[0307] von dem Abflußsystem gelangte.--Mein letztes Werk bestand in der Verfolgung der Centrallinie des Abflußsystems bis in das Gebiet der Kanni¬ balen, die Manyuema oder kurzweg Mcmyema genannt werden. In dieser Linie befinden sich vier große Seen. Ich war in der Nähe des vierten, als ich zur Umkehr gezwungen wurde. Er ist drei bis vier Miles breit und kann an keiner Stelle zu irgend einer Jahreszeit durchwatet werden. Es giebt zwei westliche Abzüge. Der Lufira oder Bartle-Freres-Fluß') fließt in den¬ selben beim Hamolondo-See. Dann fließt der große Fluß Lomami ebenfalls in denselben und zwar durch den Lincolnsee und scheint den westlichen Arm des Nils zu bilden, aus welchem Petherick Handel trieb (ana to tora tus gestern g-rin ol ddo ZMe on niet ?cet<zriek ti-antea). Ich kenne nun ungefähr 600 Miles der Wasserseite und unglücklicherweise ist das siebente Hundert das interessanteste, denn dort entspringen, wenn ich nicht irre, vier Quellen von einem irdischen Hügel (eartnen mouvä) und jede wird nach kurzer Entfernung ein großer Strom. Zwei von ihnen nehmen ihren Lauf nördlich nach Aegypten, Lufira und Lomami und zwei südlich nach dem inneren Aethiopien, der Liambai oder obere Zambesi und Kafue. Sind dies nicht die Quellen des Nils, deren der Schreiber der Minerva in Sais Herodot gegenüber Erwähnung that?" Nein, Mr. Livingstone, das sind nicht die Nilquellen! Sir Henry Raw- linson hat vollkommen recht, wenn er gegenüber diesen Phantasien „des Doctors" auf die Forschungen unseres Landsmanns Georg Schweinfurth hinweist, welche allerdings Livingstone noch unbekannt sind, und von denen ein nicht wissenschaftlich gebildeter Zeitungsreporter, wie Stanley, ihm auch keine Mittheilungen machen konnte. Unser Landsmann hat nun im Früh¬ jahr 1870 zwischen dem 3. und 4. ° nördlicher Breite die Wasserseite zwischen den westlichen Nilzuflüssen, dem Bachr-el-Ghazal („der Nilarm, auf welchem Petherick Handel trieb") und den Centralafrikanischen Flüssen nachgewiesen. Er fand dort den großen nach Westen strömenden Nellefluß, welcher wahr¬ scheinlich der obere Lauf des in den Tsadsee minderten Shari ist. Damit ist aber jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß Livingstones Lufira und Lomami den oberen Lauf des Bachr-el-Ghasal darstellen. Diese Flüsse können nur die oberen Gewässer des Congo darstellen oder in den Luta-Nzige, den von Baker entdeckten sog. Albert-See münden. Ein Drittes giebt es einfach nicht. Wir ') Bartle Frere ist ein um Indien sehr verdienter Mann; der neue Name ist aber über¬ flüssig. Livingstone treibt schändlichen Unfug mit der Namengebung und wir Deutschen er¬ kennen seine zahlreichen Victorias und Muschisons, Alberts und Lincolns ze. nicht an. Wir behalten die einheimischen Namen bei. Da, wo keine Namen vorhanden, da mag man taufen — sonst aber nicht. Und wie geschmacklos sind die englischen Namen. Victoria und Albert, Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/307>, abgerufen am 22.07.2024.