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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Vormarsch Bourbakis gegen die Lisaine gerade so lange hemmten, als Werber
Zeit brauchte, um sich nothdürftig zu verschanzen, und daß dieselbe mangel¬
hafte Lebensmitteltransportmethode in erster Linie mit zu der schweren Kata¬
strophe von Pontarlier beigetragen hat.

Das Sanitätswesen hat durch die Delegation von Tours und Bor¬
deaux erhebliche Förderung erhalten. Dieselbe hat für die im Felde stehenden
Corps 368 Beamte aller Grade, hiervon 209 Aerzte, 25 Apotheker und 134
Gehülfen und außerdem 96 Hilfsbeamte in den Hospitälern angestellt. Eine
erschrecklich kleine Zahl von Helfern auf dem Schlachtfelde freilich im Vergleiche
zu dem ärztlichen Personal unsres Heeres und unsrer Hospitäler. Aber im¬
merhin noch etwas größer, als das gesammte unter dem Kaiserthum der
Rheinarmee überwiesene Personal. Daß hierbei die Delegation in Tours für
"die Unglücksfälle, auf welche wir nur zu sehr gefaßt sein mußten" die Sorge
für die französischen Verwundeten mindestens in demselben Maße den Deut¬
schen zu überlassen entschlossen war, als das kaiserliche Frankreich bis Sedan,
geht schlagend aus dem Satze Freycinets hervor (S. 30), daß man mit der
Ausrüstung zu 20 Apothekerwagen, 73 Lazarethwagen, 20 Paar Bestecktaschen,
386 Paar Arzneikasten, 873 Säcken mit Verbandgegenständen, 3680 Tragbahren
u. s. w. "nicht nur alle Armeecorps versorgen, sondern auch eine Reserve für
6 oder 6 neu zu bildende Corps bilden konnte!" Durch Bezahlung an Ge¬
sellschaften und Gemeinden erwarb man im Rücken der Armeen 105,000
Betten. Der Bericht der Direction des Sanitätswesens, den Freycinet mit¬
theilt, und der vermuthlich von dem Chef dieses Departements Dr. Robim
selbst herrührt, ergeht sich in den üblichen Verleumdungen gegen die Deutschen
in Betreff ihrer Behandlung der Verwundeten und Ausübung der Genfer
Convention. Von der Unparteilichkeit Freycinets hätte man erwarten dürfen,
bei Abdruck dieses Berichtes dem Bedürfniß Ausdruck gegeben zu sehen, die
vagen Insinuationen Dr. Robins mit einigen Thatsachen zu belegen, die dem
Delegirten des französischen Kriegsministeriums ja, wenn irgend wem, zur Hand
sein mußten. Aber dieses Bedürfniß einem Berichte gegenüber, der von einem
"Mitgliede des Instituts" herrührte, scheint Freycinet nicht einmal in soweit
empfunden zu haben, als entschiedene Mißverständnisse der Genfer Convention
den tadelnden Urtheilen über Deutschland theilweise zu Grunde liegen.

Um das Officiercorps der vorhandenen Ueberbleibsel einer regulären
Armee von 40--50,000 Mann auf den Bedarf einer zehnfach stärkeren
Armee in kurzer Zeit zu erhöhen, wandte die Kriegsverwaltung Gambettas
drei Mittel an: Verdoppelung der Compagniestärke um die Hälfte der Haupt¬
leute zu ersparen; beliebige Beförderung der geschulten Soldaten und Officiere
der regulären Armee; endlich Errichtung der sogenannten "Hilfsarmee".
Unter dem letzteren Kunstausdruck verstand man die Verleihung des Officiers-


Vormarsch Bourbakis gegen die Lisaine gerade so lange hemmten, als Werber
Zeit brauchte, um sich nothdürftig zu verschanzen, und daß dieselbe mangel¬
hafte Lebensmitteltransportmethode in erster Linie mit zu der schweren Kata¬
strophe von Pontarlier beigetragen hat.

Das Sanitätswesen hat durch die Delegation von Tours und Bor¬
deaux erhebliche Förderung erhalten. Dieselbe hat für die im Felde stehenden
Corps 368 Beamte aller Grade, hiervon 209 Aerzte, 25 Apotheker und 134
Gehülfen und außerdem 96 Hilfsbeamte in den Hospitälern angestellt. Eine
erschrecklich kleine Zahl von Helfern auf dem Schlachtfelde freilich im Vergleiche
zu dem ärztlichen Personal unsres Heeres und unsrer Hospitäler. Aber im¬
merhin noch etwas größer, als das gesammte unter dem Kaiserthum der
Rheinarmee überwiesene Personal. Daß hierbei die Delegation in Tours für
„die Unglücksfälle, auf welche wir nur zu sehr gefaßt sein mußten" die Sorge
für die französischen Verwundeten mindestens in demselben Maße den Deut¬
schen zu überlassen entschlossen war, als das kaiserliche Frankreich bis Sedan,
geht schlagend aus dem Satze Freycinets hervor (S. 30), daß man mit der
Ausrüstung zu 20 Apothekerwagen, 73 Lazarethwagen, 20 Paar Bestecktaschen,
386 Paar Arzneikasten, 873 Säcken mit Verbandgegenständen, 3680 Tragbahren
u. s. w. „nicht nur alle Armeecorps versorgen, sondern auch eine Reserve für
6 oder 6 neu zu bildende Corps bilden konnte!" Durch Bezahlung an Ge¬
sellschaften und Gemeinden erwarb man im Rücken der Armeen 105,000
Betten. Der Bericht der Direction des Sanitätswesens, den Freycinet mit¬
theilt, und der vermuthlich von dem Chef dieses Departements Dr. Robim
selbst herrührt, ergeht sich in den üblichen Verleumdungen gegen die Deutschen
in Betreff ihrer Behandlung der Verwundeten und Ausübung der Genfer
Convention. Von der Unparteilichkeit Freycinets hätte man erwarten dürfen,
bei Abdruck dieses Berichtes dem Bedürfniß Ausdruck gegeben zu sehen, die
vagen Insinuationen Dr. Robins mit einigen Thatsachen zu belegen, die dem
Delegirten des französischen Kriegsministeriums ja, wenn irgend wem, zur Hand
sein mußten. Aber dieses Bedürfniß einem Berichte gegenüber, der von einem
„Mitgliede des Instituts" herrührte, scheint Freycinet nicht einmal in soweit
empfunden zu haben, als entschiedene Mißverständnisse der Genfer Convention
den tadelnden Urtheilen über Deutschland theilweise zu Grunde liegen.

Um das Officiercorps der vorhandenen Ueberbleibsel einer regulären
Armee von 40—50,000 Mann auf den Bedarf einer zehnfach stärkeren
Armee in kurzer Zeit zu erhöhen, wandte die Kriegsverwaltung Gambettas
drei Mittel an: Verdoppelung der Compagniestärke um die Hälfte der Haupt¬
leute zu ersparen; beliebige Beförderung der geschulten Soldaten und Officiere
der regulären Armee; endlich Errichtung der sogenannten „Hilfsarmee".
Unter dem letzteren Kunstausdruck verstand man die Verleihung des Officiers-


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[0299] Vormarsch Bourbakis gegen die Lisaine gerade so lange hemmten, als Werber Zeit brauchte, um sich nothdürftig zu verschanzen, und daß dieselbe mangel¬ hafte Lebensmitteltransportmethode in erster Linie mit zu der schweren Kata¬ strophe von Pontarlier beigetragen hat. Das Sanitätswesen hat durch die Delegation von Tours und Bor¬ deaux erhebliche Förderung erhalten. Dieselbe hat für die im Felde stehenden Corps 368 Beamte aller Grade, hiervon 209 Aerzte, 25 Apotheker und 134 Gehülfen und außerdem 96 Hilfsbeamte in den Hospitälern angestellt. Eine erschrecklich kleine Zahl von Helfern auf dem Schlachtfelde freilich im Vergleiche zu dem ärztlichen Personal unsres Heeres und unsrer Hospitäler. Aber im¬ merhin noch etwas größer, als das gesammte unter dem Kaiserthum der Rheinarmee überwiesene Personal. Daß hierbei die Delegation in Tours für „die Unglücksfälle, auf welche wir nur zu sehr gefaßt sein mußten" die Sorge für die französischen Verwundeten mindestens in demselben Maße den Deut¬ schen zu überlassen entschlossen war, als das kaiserliche Frankreich bis Sedan, geht schlagend aus dem Satze Freycinets hervor (S. 30), daß man mit der Ausrüstung zu 20 Apothekerwagen, 73 Lazarethwagen, 20 Paar Bestecktaschen, 386 Paar Arzneikasten, 873 Säcken mit Verbandgegenständen, 3680 Tragbahren u. s. w. „nicht nur alle Armeecorps versorgen, sondern auch eine Reserve für 6 oder 6 neu zu bildende Corps bilden konnte!" Durch Bezahlung an Ge¬ sellschaften und Gemeinden erwarb man im Rücken der Armeen 105,000 Betten. Der Bericht der Direction des Sanitätswesens, den Freycinet mit¬ theilt, und der vermuthlich von dem Chef dieses Departements Dr. Robim selbst herrührt, ergeht sich in den üblichen Verleumdungen gegen die Deutschen in Betreff ihrer Behandlung der Verwundeten und Ausübung der Genfer Convention. Von der Unparteilichkeit Freycinets hätte man erwarten dürfen, bei Abdruck dieses Berichtes dem Bedürfniß Ausdruck gegeben zu sehen, die vagen Insinuationen Dr. Robins mit einigen Thatsachen zu belegen, die dem Delegirten des französischen Kriegsministeriums ja, wenn irgend wem, zur Hand sein mußten. Aber dieses Bedürfniß einem Berichte gegenüber, der von einem „Mitgliede des Instituts" herrührte, scheint Freycinet nicht einmal in soweit empfunden zu haben, als entschiedene Mißverständnisse der Genfer Convention den tadelnden Urtheilen über Deutschland theilweise zu Grunde liegen. Um das Officiercorps der vorhandenen Ueberbleibsel einer regulären Armee von 40—50,000 Mann auf den Bedarf einer zehnfach stärkeren Armee in kurzer Zeit zu erhöhen, wandte die Kriegsverwaltung Gambettas drei Mittel an: Verdoppelung der Compagniestärke um die Hälfte der Haupt¬ leute zu ersparen; beliebige Beförderung der geschulten Soldaten und Officiere der regulären Armee; endlich Errichtung der sogenannten „Hilfsarmee". Unter dem letzteren Kunstausdruck verstand man die Verleihung des Officiers-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/299>, abgerufen am 22.07.2024.