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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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der vierte von Halle, Namens von Lieds, einem Verwandten von Lieths,
aus dem Stift Bremen, gereiset. Wir kamen um ^8 Uhr in Blankenese
und um 4 Uhr zum Kranz. War ein miserabeler garstiger und tiefer Weg
nach Boxtehude, und weil die Herren Studiosi hübsch ihre Commoditc pflegten
und mit dem langen Sitzen in der Wirthsstube und Aufpacken ihrer Kissen
viele Zeit hinbrachten, wurde ich in meinen Propos. des andern Tages um
12 Uhr in Bremen zu sein, verhindert. Ich hatte zwar den Engländer (Reit¬
pferd) in Ottersberg vermuthet, das regnigte Wetter aber hatte meinen
Papa abgeschreckt, selben mir entgegen zu schicken. Doch wie ich zu Guten
ankam, fand ich das Pferd vor, worauf ich dann mit demselben fort avancirte.
Zu den drei Psalm traf ich meine gute Mama an, welche da meiner wartete und
von da mit mir nach Bremen fuhr, da ich dann meinen Papa und alle gute
Freunde bei allem Wohlsein antraf. Weil aber Papa an der Zeit gelegen
war, resolvirten wir uns, unsere Reise fortzusetzen, und fuhren alsbald Abends
als den 11. July noch bis Delmenhorst, allwo wir die Nacht über blieben
und uns des Abends noch in des Herrn Regierungsrath Paulsen Garten
divertirten. Folgenden Tages gingen wir früh von Delmenhorst wieder weg,
und kamen um 11 Uhr bei Oldenburg vor dem Gericht an. Hier trafen
wir einen am 9. July geräderten Soldaten an, welcher seinen Unterofficier
erschossen und auf Ordre des Königs solche harte Strafe empfangen hatte.
Im Oldenburgischen war fast bei jedem Dorf ein Esel aufgerichtet, um,
wenn das Landvolk oder Landmiliz was pecciret, sie mit dem Reiten zu
strafen.

Von Oldenburg nahmen wir unsern Weg auf Wibelstede und von
da auf Kuttenförde, welches Graf Anton zu Varel gehöret und wo ein
Zoll abgegeben werden muß. Böcken, eine Meile davon, ist wieder dänisch
und ein ziemlich großer Flecken. Niemberg hat vor diesem der Gräfin
gleichen Namens gehöret, ist nun aber ans Oldenburgische verfallen, hat noch
ein lustiges Schloß und auch gut Logis. Marx, ein Dorf, ist ostfriesisch,
wie auch die Festung Friedenberg. Von da über Repshoet nach Jever.
Dieses ist eine hübsche nahrhafte Stadt mit einem blosen Wall umgeben, und
durch die darauf gepflanzten Bäume artig anzusehen. Das Schloß lieget ebenfalls
sehr lustig und ist mit einem ziemlich breiten ausgemauerten Graben umgeben.
Es lieget auch continuirlich ein Officier mit 80 bis 60 Soldaten darauf.
Der jetzige heißt Welzin. Weil Papa lange nicht da gewesen und also kein
gutes Wirthshaus wußte, kehrten wir bei Herrn Vogt Große ein, allwo wir
auch sehr willkommen waren und 'magnifique logiret wurden. Nachdem wir
unsere Ankunft an Consul Schubart angemeldet und des Mittags mit einan¬
der bei Herrn Vogt Große gespeiset, gingen wir nach der Mahlzeit zu Hofe
und legten vors Erste unsere Visite bei dem Herrn Hofmarschall Baron von


der vierte von Halle, Namens von Lieds, einem Verwandten von Lieths,
aus dem Stift Bremen, gereiset. Wir kamen um ^8 Uhr in Blankenese
und um 4 Uhr zum Kranz. War ein miserabeler garstiger und tiefer Weg
nach Boxtehude, und weil die Herren Studiosi hübsch ihre Commoditc pflegten
und mit dem langen Sitzen in der Wirthsstube und Aufpacken ihrer Kissen
viele Zeit hinbrachten, wurde ich in meinen Propos. des andern Tages um
12 Uhr in Bremen zu sein, verhindert. Ich hatte zwar den Engländer (Reit¬
pferd) in Ottersberg vermuthet, das regnigte Wetter aber hatte meinen
Papa abgeschreckt, selben mir entgegen zu schicken. Doch wie ich zu Guten
ankam, fand ich das Pferd vor, worauf ich dann mit demselben fort avancirte.
Zu den drei Psalm traf ich meine gute Mama an, welche da meiner wartete und
von da mit mir nach Bremen fuhr, da ich dann meinen Papa und alle gute
Freunde bei allem Wohlsein antraf. Weil aber Papa an der Zeit gelegen
war, resolvirten wir uns, unsere Reise fortzusetzen, und fuhren alsbald Abends
als den 11. July noch bis Delmenhorst, allwo wir die Nacht über blieben
und uns des Abends noch in des Herrn Regierungsrath Paulsen Garten
divertirten. Folgenden Tages gingen wir früh von Delmenhorst wieder weg,
und kamen um 11 Uhr bei Oldenburg vor dem Gericht an. Hier trafen
wir einen am 9. July geräderten Soldaten an, welcher seinen Unterofficier
erschossen und auf Ordre des Königs solche harte Strafe empfangen hatte.
Im Oldenburgischen war fast bei jedem Dorf ein Esel aufgerichtet, um,
wenn das Landvolk oder Landmiliz was pecciret, sie mit dem Reiten zu
strafen.

Von Oldenburg nahmen wir unsern Weg auf Wibelstede und von
da auf Kuttenförde, welches Graf Anton zu Varel gehöret und wo ein
Zoll abgegeben werden muß. Böcken, eine Meile davon, ist wieder dänisch
und ein ziemlich großer Flecken. Niemberg hat vor diesem der Gräfin
gleichen Namens gehöret, ist nun aber ans Oldenburgische verfallen, hat noch
ein lustiges Schloß und auch gut Logis. Marx, ein Dorf, ist ostfriesisch,
wie auch die Festung Friedenberg. Von da über Repshoet nach Jever.
Dieses ist eine hübsche nahrhafte Stadt mit einem blosen Wall umgeben, und
durch die darauf gepflanzten Bäume artig anzusehen. Das Schloß lieget ebenfalls
sehr lustig und ist mit einem ziemlich breiten ausgemauerten Graben umgeben.
Es lieget auch continuirlich ein Officier mit 80 bis 60 Soldaten darauf.
Der jetzige heißt Welzin. Weil Papa lange nicht da gewesen und also kein
gutes Wirthshaus wußte, kehrten wir bei Herrn Vogt Große ein, allwo wir
auch sehr willkommen waren und 'magnifique logiret wurden. Nachdem wir
unsere Ankunft an Consul Schubart angemeldet und des Mittags mit einan¬
der bei Herrn Vogt Große gespeiset, gingen wir nach der Mahlzeit zu Hofe
und legten vors Erste unsere Visite bei dem Herrn Hofmarschall Baron von


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[0260] der vierte von Halle, Namens von Lieds, einem Verwandten von Lieths, aus dem Stift Bremen, gereiset. Wir kamen um ^8 Uhr in Blankenese und um 4 Uhr zum Kranz. War ein miserabeler garstiger und tiefer Weg nach Boxtehude, und weil die Herren Studiosi hübsch ihre Commoditc pflegten und mit dem langen Sitzen in der Wirthsstube und Aufpacken ihrer Kissen viele Zeit hinbrachten, wurde ich in meinen Propos. des andern Tages um 12 Uhr in Bremen zu sein, verhindert. Ich hatte zwar den Engländer (Reit¬ pferd) in Ottersberg vermuthet, das regnigte Wetter aber hatte meinen Papa abgeschreckt, selben mir entgegen zu schicken. Doch wie ich zu Guten ankam, fand ich das Pferd vor, worauf ich dann mit demselben fort avancirte. Zu den drei Psalm traf ich meine gute Mama an, welche da meiner wartete und von da mit mir nach Bremen fuhr, da ich dann meinen Papa und alle gute Freunde bei allem Wohlsein antraf. Weil aber Papa an der Zeit gelegen war, resolvirten wir uns, unsere Reise fortzusetzen, und fuhren alsbald Abends als den 11. July noch bis Delmenhorst, allwo wir die Nacht über blieben und uns des Abends noch in des Herrn Regierungsrath Paulsen Garten divertirten. Folgenden Tages gingen wir früh von Delmenhorst wieder weg, und kamen um 11 Uhr bei Oldenburg vor dem Gericht an. Hier trafen wir einen am 9. July geräderten Soldaten an, welcher seinen Unterofficier erschossen und auf Ordre des Königs solche harte Strafe empfangen hatte. Im Oldenburgischen war fast bei jedem Dorf ein Esel aufgerichtet, um, wenn das Landvolk oder Landmiliz was pecciret, sie mit dem Reiten zu strafen. Von Oldenburg nahmen wir unsern Weg auf Wibelstede und von da auf Kuttenförde, welches Graf Anton zu Varel gehöret und wo ein Zoll abgegeben werden muß. Böcken, eine Meile davon, ist wieder dänisch und ein ziemlich großer Flecken. Niemberg hat vor diesem der Gräfin gleichen Namens gehöret, ist nun aber ans Oldenburgische verfallen, hat noch ein lustiges Schloß und auch gut Logis. Marx, ein Dorf, ist ostfriesisch, wie auch die Festung Friedenberg. Von da über Repshoet nach Jever. Dieses ist eine hübsche nahrhafte Stadt mit einem blosen Wall umgeben, und durch die darauf gepflanzten Bäume artig anzusehen. Das Schloß lieget ebenfalls sehr lustig und ist mit einem ziemlich breiten ausgemauerten Graben umgeben. Es lieget auch continuirlich ein Officier mit 80 bis 60 Soldaten darauf. Der jetzige heißt Welzin. Weil Papa lange nicht da gewesen und also kein gutes Wirthshaus wußte, kehrten wir bei Herrn Vogt Große ein, allwo wir auch sehr willkommen waren und 'magnifique logiret wurden. Nachdem wir unsere Ankunft an Consul Schubart angemeldet und des Mittags mit einan¬ der bei Herrn Vogt Große gespeiset, gingen wir nach der Mahlzeit zu Hofe und legten vors Erste unsere Visite bei dem Herrn Hofmarschall Baron von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/260>, abgerufen am 22.07.2024.