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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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wirkliche Assimilirung des bayerischen Heeres mit dem deutschen werde sich
erst dann vollziehen, wenn man dort auf den Weg Badens oder wenigstens
den Württembergs einlenke. Die Reservatrechte böten hierfür jedoch wenig
Hoffnung, zumal dieselben Bayern ein Planet jeder von Berlin ausgehenden
militärischen Anordnung verstatteten. Das einfache ion Meet lege die Reichsge¬
walt in militärischen Dingen Bayern gegenüber lahm. Der Unzulänglichkeit
des Neichsinspectionsrechtes war schon oben gedacht worden.

Um so nothwendiger müsse man auf Erfüllung aller der Umstände dringen,
welche in der bayerischerseits übernommenen Gleichstellung der Formation,
Organisation und Ausbildung der Truppen eingeschlossen liegen. Dahin ge¬
höre zunächst die vollständige Einführung der preußischen Reglements, Com-
mandos und Signale. Sodann müsse der Besuch der preußischen Kriegs¬
akademie freiwillig sich meldenden bayerischen Officieren gestattet sein. Dem
entschiedenen Mangel an tüchtigen Unterofsicieren müsse in Bayern durch die
Einführung von Unterofficiersschulen nach preußischem Muster abgeholfen
werden. Eine engere Kameradschaft und erhöhter Corpsgeist werde unter den
bayerischen Officieren zu erzielen sein, wenn nach preußischem Avancements¬
modus bis zum Stabsofficier das Avancement nicht durch die ganze Armee,
sondern durch das Regiment stattfinde. Auch in Bezug auf das Verhältniß
der einzelnen Waffengattungen sei in Bayern der normale Zustand des Reichs¬
heeres noch nicht vollkommen hergestellt. Denn es fehlen in Bayern in Ver¬
gleich mit Preußen und Sachsen zwei volle Cavallerieregimenter ä 5 Escadrons,
deren Einrichtung die Reichsgewalt zu fordern den vollsten Grund habe. Eine
sehr kräftige Einwirkung auf diese mannigfach disparaten Verhältnisse des
bayerischen Heerwesens verspricht sich der Verfasser von der Befugniß des
Reiches, den bayerischen Mobilmachungsplan festzustellen, mindestens zu contro-
liren. Das setze auf weiten Gebieten Gleichheit der Gesetzgebung voraus.
Auch habe Bayern schon jetzt die Herstellung der vollen Uebereinstimmung
in der Bewaffnung, Ausrüstung und den Gradabzeichen -- freilich leider
mit Ausnahme der gemeinsamen Jnfanterieschußwaffe -- in Aussicht genommen.
Den größten Erfolg aber gegen den bayerischen Separatismus verspricht sich
der Verfasser mit Recht von der Entwickelung der Militärgesetzgebung des Reiches.
Jeder gesetzgeberische Act der Einheit auf militärischem Gebiet ist ein nationaler
Fortschritt und allseitig gleichmäßige Stärkung deutscher Wehrkraft eine der
wichtigsten Aufgaben, die dem großen Vaterlande erstehen.

Und in dieser Zuversicht sollen uns auch die lächerlichen Ueberhebungen
der bayerischen Kammern nicht stören, deren anmaßende Ansprüche auf authen¬
tische Interpretation des Reichsmilitärstrafgesetzes und auf ein Obergutachten
über das Reichsmilitärbudget der Verfasser im dritten Abschnitt seiner Arbeit


wirkliche Assimilirung des bayerischen Heeres mit dem deutschen werde sich
erst dann vollziehen, wenn man dort auf den Weg Badens oder wenigstens
den Württembergs einlenke. Die Reservatrechte böten hierfür jedoch wenig
Hoffnung, zumal dieselben Bayern ein Planet jeder von Berlin ausgehenden
militärischen Anordnung verstatteten. Das einfache ion Meet lege die Reichsge¬
walt in militärischen Dingen Bayern gegenüber lahm. Der Unzulänglichkeit
des Neichsinspectionsrechtes war schon oben gedacht worden.

Um so nothwendiger müsse man auf Erfüllung aller der Umstände dringen,
welche in der bayerischerseits übernommenen Gleichstellung der Formation,
Organisation und Ausbildung der Truppen eingeschlossen liegen. Dahin ge¬
höre zunächst die vollständige Einführung der preußischen Reglements, Com-
mandos und Signale. Sodann müsse der Besuch der preußischen Kriegs¬
akademie freiwillig sich meldenden bayerischen Officieren gestattet sein. Dem
entschiedenen Mangel an tüchtigen Unterofsicieren müsse in Bayern durch die
Einführung von Unterofficiersschulen nach preußischem Muster abgeholfen
werden. Eine engere Kameradschaft und erhöhter Corpsgeist werde unter den
bayerischen Officieren zu erzielen sein, wenn nach preußischem Avancements¬
modus bis zum Stabsofficier das Avancement nicht durch die ganze Armee,
sondern durch das Regiment stattfinde. Auch in Bezug auf das Verhältniß
der einzelnen Waffengattungen sei in Bayern der normale Zustand des Reichs¬
heeres noch nicht vollkommen hergestellt. Denn es fehlen in Bayern in Ver¬
gleich mit Preußen und Sachsen zwei volle Cavallerieregimenter ä 5 Escadrons,
deren Einrichtung die Reichsgewalt zu fordern den vollsten Grund habe. Eine
sehr kräftige Einwirkung auf diese mannigfach disparaten Verhältnisse des
bayerischen Heerwesens verspricht sich der Verfasser von der Befugniß des
Reiches, den bayerischen Mobilmachungsplan festzustellen, mindestens zu contro-
liren. Das setze auf weiten Gebieten Gleichheit der Gesetzgebung voraus.
Auch habe Bayern schon jetzt die Herstellung der vollen Uebereinstimmung
in der Bewaffnung, Ausrüstung und den Gradabzeichen — freilich leider
mit Ausnahme der gemeinsamen Jnfanterieschußwaffe — in Aussicht genommen.
Den größten Erfolg aber gegen den bayerischen Separatismus verspricht sich
der Verfasser mit Recht von der Entwickelung der Militärgesetzgebung des Reiches.
Jeder gesetzgeberische Act der Einheit auf militärischem Gebiet ist ein nationaler
Fortschritt und allseitig gleichmäßige Stärkung deutscher Wehrkraft eine der
wichtigsten Aufgaben, die dem großen Vaterlande erstehen.

Und in dieser Zuversicht sollen uns auch die lächerlichen Ueberhebungen
der bayerischen Kammern nicht stören, deren anmaßende Ansprüche auf authen¬
tische Interpretation des Reichsmilitärstrafgesetzes und auf ein Obergutachten
über das Reichsmilitärbudget der Verfasser im dritten Abschnitt seiner Arbeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/243>, abgerufen am 22.07.2024.