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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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wenn sie nur nutzten! Aber gegenwärtig geht es sehr schlecht, der Wahn¬
sinn glaubt jetzt, der Reichsverweser bringe die goldene Zeit
und denkt nur an ihn. Aber der Rückschlag wird und muß auch kommen
und dann wollen wir thätig seyn. Wenn der Herbst kommt, wendet sich die
Sache.

Also werde gesund und bewahre mir die armen Kinder! Aber die ent¬
behren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm seyn, daß man
dieselben gar nicht sehen kann! Doch ich komme jedenfalls in einiger Zeit
einmal nach Hause und wenn es auch nur auf einige Tage ist. Lebt alle
recht wohl und nehmt Gruß und Kuß von Eurem


Robert."

16--16. July 1848.

Und am 19. Juli schreibt er an dieselbe:

Eb "Liebe Jenny! en komme ich "vom Hofe" und benutze die Minuten, die
mir bleiben, dazu, Dir wenigstens dieses Zettelchen zu schreiben. Den Halloh,
Spectakel und offiziellen Jubel kannst Du aus den Zeitungen lesen; aber
wahrscheinlich hast Du trotz allem Jubel den Reichsverweser und Vermoderer
nicht gesehn und ich muß Dir also melden, daß er ein so erdiges, abgelebtes,
todtes, regungsloses Gesicht hat, daß es den übelsten Eindruck macht und jedes
Fünkchen Hoffnung, welches sich an ihn knüpfte, vernichtet hat. Im Privat¬
verkehr ist er ein achtungswerther, liebenswürdiger Mensch, der aber in jedem
Worte zeigt, daß er eben nur ins Haus taugt, nicht ins politische Leben.
Es ist entsetzlich, daß man diesem Menschen Deutschland vertrauen will; allein
Bestand kann die Sache nicht haben, oder vielmehr, er kann nur eine unbe¬
deutende Puppe seyn, die aber hemmt aus Schritt und Tritt. Daß mich das
Unglück getroffen hat, ihn heute Morgen becomplimentiren zu müssen, wirst
Du schon wissen; es war ein schweres Opfer, welches der Partei gebracht
werden mußte, aber es hat mir auch wieder den Vortheil gebracht, den arm¬
seligen Menschen in der Nähe zu sehen und mich zu überzeugen, daß er ein
wirklicher Vermoderer ist. Das Ministerium, welches wahrscheinlich morgen
an den Tag kommt, wird rein reactionär, aber die Ministerien dauern jetzt
nur vier Wochen. -- Wie werden unsre armen Kinder verlassen seyn jetzt!
es wird mir doch manchmal recht sauer hier zu bleiben, so ununterbrochen
hier zu bleiben und ich muß mich förmlich von dem Gedanken losreißen.
Geht es so fort, so gehe ich jedenfalls einmal auf 8 Tage nach Haus. --
Lebe wohl, liebe Frau, grüße die Kinder und sei auch Du herzlichst gegrüßt
Robert." von Deinem

Sein Heimweh und die Verstimmung über die Haltung der National¬
versammlung nimmt von Woche zu Woche zu. Am 2. August schreibt er
seiner Frau u. A.:


wenn sie nur nutzten! Aber gegenwärtig geht es sehr schlecht, der Wahn¬
sinn glaubt jetzt, der Reichsverweser bringe die goldene Zeit
und denkt nur an ihn. Aber der Rückschlag wird und muß auch kommen
und dann wollen wir thätig seyn. Wenn der Herbst kommt, wendet sich die
Sache.

Also werde gesund und bewahre mir die armen Kinder! Aber die ent¬
behren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm seyn, daß man
dieselben gar nicht sehen kann! Doch ich komme jedenfalls in einiger Zeit
einmal nach Hause und wenn es auch nur auf einige Tage ist. Lebt alle
recht wohl und nehmt Gruß und Kuß von Eurem


Robert.«

16—16. July 1848.

Und am 19. Juli schreibt er an dieselbe:

Eb „Liebe Jenny! en komme ich „vom Hofe" und benutze die Minuten, die
mir bleiben, dazu, Dir wenigstens dieses Zettelchen zu schreiben. Den Halloh,
Spectakel und offiziellen Jubel kannst Du aus den Zeitungen lesen; aber
wahrscheinlich hast Du trotz allem Jubel den Reichsverweser und Vermoderer
nicht gesehn und ich muß Dir also melden, daß er ein so erdiges, abgelebtes,
todtes, regungsloses Gesicht hat, daß es den übelsten Eindruck macht und jedes
Fünkchen Hoffnung, welches sich an ihn knüpfte, vernichtet hat. Im Privat¬
verkehr ist er ein achtungswerther, liebenswürdiger Mensch, der aber in jedem
Worte zeigt, daß er eben nur ins Haus taugt, nicht ins politische Leben.
Es ist entsetzlich, daß man diesem Menschen Deutschland vertrauen will; allein
Bestand kann die Sache nicht haben, oder vielmehr, er kann nur eine unbe¬
deutende Puppe seyn, die aber hemmt aus Schritt und Tritt. Daß mich das
Unglück getroffen hat, ihn heute Morgen becomplimentiren zu müssen, wirst
Du schon wissen; es war ein schweres Opfer, welches der Partei gebracht
werden mußte, aber es hat mir auch wieder den Vortheil gebracht, den arm¬
seligen Menschen in der Nähe zu sehen und mich zu überzeugen, daß er ein
wirklicher Vermoderer ist. Das Ministerium, welches wahrscheinlich morgen
an den Tag kommt, wird rein reactionär, aber die Ministerien dauern jetzt
nur vier Wochen. — Wie werden unsre armen Kinder verlassen seyn jetzt!
es wird mir doch manchmal recht sauer hier zu bleiben, so ununterbrochen
hier zu bleiben und ich muß mich förmlich von dem Gedanken losreißen.
Geht es so fort, so gehe ich jedenfalls einmal auf 8 Tage nach Haus. —
Lebe wohl, liebe Frau, grüße die Kinder und sei auch Du herzlichst gegrüßt
Robert." von Deinem

Sein Heimweh und die Verstimmung über die Haltung der National¬
versammlung nimmt von Woche zu Woche zu. Am 2. August schreibt er
seiner Frau u. A.:


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[0221] wenn sie nur nutzten! Aber gegenwärtig geht es sehr schlecht, der Wahn¬ sinn glaubt jetzt, der Reichsverweser bringe die goldene Zeit und denkt nur an ihn. Aber der Rückschlag wird und muß auch kommen und dann wollen wir thätig seyn. Wenn der Herbst kommt, wendet sich die Sache. Also werde gesund und bewahre mir die armen Kinder! Aber die ent¬ behren mich wohl gar nicht mehr? Warum muß man so arm seyn, daß man dieselben gar nicht sehen kann! Doch ich komme jedenfalls in einiger Zeit einmal nach Hause und wenn es auch nur auf einige Tage ist. Lebt alle recht wohl und nehmt Gruß und Kuß von Eurem Robert.« 16—16. July 1848. Und am 19. Juli schreibt er an dieselbe: Eb „Liebe Jenny! en komme ich „vom Hofe" und benutze die Minuten, die mir bleiben, dazu, Dir wenigstens dieses Zettelchen zu schreiben. Den Halloh, Spectakel und offiziellen Jubel kannst Du aus den Zeitungen lesen; aber wahrscheinlich hast Du trotz allem Jubel den Reichsverweser und Vermoderer nicht gesehn und ich muß Dir also melden, daß er ein so erdiges, abgelebtes, todtes, regungsloses Gesicht hat, daß es den übelsten Eindruck macht und jedes Fünkchen Hoffnung, welches sich an ihn knüpfte, vernichtet hat. Im Privat¬ verkehr ist er ein achtungswerther, liebenswürdiger Mensch, der aber in jedem Worte zeigt, daß er eben nur ins Haus taugt, nicht ins politische Leben. Es ist entsetzlich, daß man diesem Menschen Deutschland vertrauen will; allein Bestand kann die Sache nicht haben, oder vielmehr, er kann nur eine unbe¬ deutende Puppe seyn, die aber hemmt aus Schritt und Tritt. Daß mich das Unglück getroffen hat, ihn heute Morgen becomplimentiren zu müssen, wirst Du schon wissen; es war ein schweres Opfer, welches der Partei gebracht werden mußte, aber es hat mir auch wieder den Vortheil gebracht, den arm¬ seligen Menschen in der Nähe zu sehen und mich zu überzeugen, daß er ein wirklicher Vermoderer ist. Das Ministerium, welches wahrscheinlich morgen an den Tag kommt, wird rein reactionär, aber die Ministerien dauern jetzt nur vier Wochen. — Wie werden unsre armen Kinder verlassen seyn jetzt! es wird mir doch manchmal recht sauer hier zu bleiben, so ununterbrochen hier zu bleiben und ich muß mich förmlich von dem Gedanken losreißen. Geht es so fort, so gehe ich jedenfalls einmal auf 8 Tage nach Haus. — Lebe wohl, liebe Frau, grüße die Kinder und sei auch Du herzlichst gegrüßt Robert." von Deinem Sein Heimweh und die Verstimmung über die Haltung der National¬ versammlung nimmt von Woche zu Woche zu. Am 2. August schreibt er seiner Frau u. A.:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/221>, abgerufen am 22.07.2024.