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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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fort zu fragen: Was sie zu dem Chiffreschlüssel sage, den man in ihrer Casette
gefunden und der die Namen der hauptsächlichsten Staatsmänner enthalte.
Nach diesem hieß nämlich Ludwig XIV. "Bark", sein Gesandter "Wurst", der
Schultheiß von Erlach "Walker oder Brunner", von Buren "Ephestion", die
Zweihundert "Birsen", Oberst von Wattenwyl "Cinna", der deutsche Kaiser
"Mosteren", Bern "Moskon", die Rathsherrn Beruf "Mousky", der Kriegs¬
rath "Norken", Solothurn "Torneff", England "Strikel", die Heimlicher
"Arten", die Religion "Schmied", sie, Madame Perregaux "Altorf und l'Ury",
ihr Gatte "Krantz" und er Dachselhofer selbst "Tirlery".

Das sei einfach ein schlechter Witz. Im entgegengesetzten Fall würde er
nicht seinen eigenen Namen finden. Denn er selbst werde am besten wissen,
daß sie nie mit ihm in Verbindung gestanden.

Ihr Verkehr mit den beiden Schultheißen und dem Anton Kirchberger
sei rein freundschaftlicher Natur gewesen.

Endlich bemerkte Jenner mit bitterm Ton: All ihre Intriguen hätten
wohl den Zweck gehabt, ihrem armen Mann Geld und Gut und sich die
Mittel zu verschaffen, auf dem angebornen hohen Fuß ihrer Familie zu leben.

Schneidend erwiderte ihm die Perregaux: "Weder ihre Eltern noch ihr
Gatte hätten je schlechte Mittel und Wege angewandt, um zu Vermögen zu
kommen. Mein Gatte besitzt noch das Gut, das er von seinen Eltern ererbt
und ist's auch mäßig, so war er doch unlängst im Stande, einem Jenner, der
ihn um seine Unterstützung angegangen, vom Kopf bis zu den Füßen kleiden
zu lassen. Mein Herr, ihr redet von unserer Armuth: wir haben niemals
falsches Geld gemacht, wie gewisse Leute. Jedermann weiß, daß ihr bei eurer
Heirath sammt eurer Frau nur 30,000 Francs besaßet und jetzt besitzt ihr
mehr als 300,000 Francs.

Dachselhofer brach da das Verhör ab mit der Bemerkung, daß heute zum
letzten Mal mit Milde gegen sie verfahren worden sei.

Indessen, ehe man zum Aeußersten schritt, wurden doch noch mehrere Ver¬
suche gemacht, sie durch Ueberredung, Versprechen und Drohungen zum Be¬
kenntniß zu bringen, Die drei ersten Geistlichen der Stadt wandten umsonst
ihr Redetalent an. "Sie habe Niemand anzugeben, da sie weder schuldig sei,
noch Mitschuldige habe," war ihre stete Antwort.

Dem Verner Jenner, der durchaus wissen wollte, was der Inhalt ihrer
Unterredungen mit La Roulaye gewesen: antwortete sie sarkastisch: "Sie er¬
innere sich nur der letzten Besprechung und da habe er geäußert, "er kenne
keinen ärgern Feind Frankreichs als Herrn Jenner und der werde gewiß ein¬
mal ein böses Ende nehmen."

Die Richter gestatteten nicht, daß der Secretär Wyß diesen Sarcasmus
ins Protokoll aufnehme. Aber ein Herr Wyssenbach wiederholte die Aeußerung


fort zu fragen: Was sie zu dem Chiffreschlüssel sage, den man in ihrer Casette
gefunden und der die Namen der hauptsächlichsten Staatsmänner enthalte.
Nach diesem hieß nämlich Ludwig XIV. „Bark", sein Gesandter „Wurst", der
Schultheiß von Erlach „Walker oder Brunner", von Buren „Ephestion", die
Zweihundert „Birsen", Oberst von Wattenwyl „Cinna", der deutsche Kaiser
„Mosteren", Bern „Moskon", die Rathsherrn Beruf „Mousky", der Kriegs¬
rath „Norken", Solothurn „Torneff", England „Strikel", die Heimlicher
„Arten", die Religion „Schmied", sie, Madame Perregaux „Altorf und l'Ury",
ihr Gatte „Krantz" und er Dachselhofer selbst „Tirlery".

Das sei einfach ein schlechter Witz. Im entgegengesetzten Fall würde er
nicht seinen eigenen Namen finden. Denn er selbst werde am besten wissen,
daß sie nie mit ihm in Verbindung gestanden.

Ihr Verkehr mit den beiden Schultheißen und dem Anton Kirchberger
sei rein freundschaftlicher Natur gewesen.

Endlich bemerkte Jenner mit bitterm Ton: All ihre Intriguen hätten
wohl den Zweck gehabt, ihrem armen Mann Geld und Gut und sich die
Mittel zu verschaffen, auf dem angebornen hohen Fuß ihrer Familie zu leben.

Schneidend erwiderte ihm die Perregaux: „Weder ihre Eltern noch ihr
Gatte hätten je schlechte Mittel und Wege angewandt, um zu Vermögen zu
kommen. Mein Gatte besitzt noch das Gut, das er von seinen Eltern ererbt
und ist's auch mäßig, so war er doch unlängst im Stande, einem Jenner, der
ihn um seine Unterstützung angegangen, vom Kopf bis zu den Füßen kleiden
zu lassen. Mein Herr, ihr redet von unserer Armuth: wir haben niemals
falsches Geld gemacht, wie gewisse Leute. Jedermann weiß, daß ihr bei eurer
Heirath sammt eurer Frau nur 30,000 Francs besaßet und jetzt besitzt ihr
mehr als 300,000 Francs.

Dachselhofer brach da das Verhör ab mit der Bemerkung, daß heute zum
letzten Mal mit Milde gegen sie verfahren worden sei.

Indessen, ehe man zum Aeußersten schritt, wurden doch noch mehrere Ver¬
suche gemacht, sie durch Ueberredung, Versprechen und Drohungen zum Be¬
kenntniß zu bringen, Die drei ersten Geistlichen der Stadt wandten umsonst
ihr Redetalent an. „Sie habe Niemand anzugeben, da sie weder schuldig sei,
noch Mitschuldige habe," war ihre stete Antwort.

Dem Verner Jenner, der durchaus wissen wollte, was der Inhalt ihrer
Unterredungen mit La Roulaye gewesen: antwortete sie sarkastisch: „Sie er¬
innere sich nur der letzten Besprechung und da habe er geäußert, „er kenne
keinen ärgern Feind Frankreichs als Herrn Jenner und der werde gewiß ein¬
mal ein böses Ende nehmen."

Die Richter gestatteten nicht, daß der Secretär Wyß diesen Sarcasmus
ins Protokoll aufnehme. Aber ein Herr Wyssenbach wiederholte die Aeußerung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/187>, abgerufen am 25.08.2024.