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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Perregaux mußte, wie sie selbst behauptet, sowohl die Kosten der Neuenburger
Reise, als der Anstellung ihres eignen Dienstboten tragen, so daß "Lambachen
das Pathengeschenk nicht viel habe kosten können." Das Verhör begann im
Gefängniß. Dachselhofer und Jenner, als die Häupter des Gerichts, saßen,
aber aus Rücksichten auf der Delinquentin hohe Geburt stets unbedeckten
Hauptes; die zwei Heimlicher standen mit Hellebarden in den Händen. Die
übrigen Glieder des Rathes standen ebenfalls, aber ohne Waffen und ohne
Hut. "Wir hätten es mit Rücksicht auf die Verdienste eurer Familie nicht
aufs Aeußerste kommen lassen, äußerte unter Anderm Dachselhofer in seiner
Eröffnungsrede, wenn es sich nicht um eine Staatssache handelte, das heißt
um ein Einverständniß mit dem Gesandten Frankreichs, dessen König ein
zweiter Attila und die Geißel unsrer heiligen Religion geworden ist. Dieser
Fürst, der eidbrüchig das Edict von Nantes vernichtet und eine Unzahl seiner
eignen Unterthanen grausam verfolgt, eingekerkert und verjagt hat, sucht jetzt
auch unser Staatswesen zu verwirren, indem er bemüht ist, mehrere unserer
Standeshäupter auf seine Seite zu ziehn. Dazu hat er sich namentlich Eurer
Person bedient. Dies erhellt deutlich aus den aufgefangenen Täfelchen, aus
den Papieren und dem Schlüssel, den wir in Eurer Cassette aufgefunden haben,
und besonders aus Euerm letzten Brief, der Staatsgeheimnisse enthält, welche
Niemand wissen kann, als die Seckelmeister und Verner. Diese müssen ihren
Amtseid gebrochen haben. Solches könne, fuhr er fort, unmöglich geduldet
und die Schuldigen müßten bestraft werden. Sie werde selbst einsehen, daß
sie einfach verführt und getäuscht worden, sie möge daher durch ein umfassen¬
des Bekenntniß sich nicht nur die Freiheit, sondern eine über ihr Hoffen reiche
Belohnung und Bevorzugung ihrer Familie erwerben.

Die Perregaux antwortete: Sie fühle sich nicht berufen die Schritte und
Maßregeln des Königs von Frankreich zu beurtheilen; wohl aber möge es
ihren Richtern schwer werden, diesen Bruch des Völkerrechts in ihrer Person
zu rechtfertigen: sie sei nicht mehr Bernerin, sondern die Unterthanin eines
französischen Prinzen. Sie habe daher gar wohl mit der französischen Ge¬
sandtschaft verkehren können, ohne die bernischen Staatsinteressen zu verletzen.
Ihr Verkehr habe den alleinigen Zweck gehabt, ihrem Mann eine besste
Stellung zu erwirken. Ueberdies sei es lächerlich zu meinen, daß die Standes¬
häupter Beruf sich einem Weibe anvertraut hätten, Angesichts des Leichtsinns,
den man diesem Geschlecht von je zugeschrieben habe. Die prächtigen Täfelchen
gehörten ihr allerdings, aber sie habe jederzeit gern etwas Schönes und nettes
besessen, und was darauf geschrieben, sei einfach eine Sache des Zeitvertreibes.
Was die Staatsgeheimnisse betreffe, so habe sie dieselben von einer ihr unbe¬
kannten Privatperson erhalten, die sie zufällig erlauscht habe.

Herr Berseth beschwor nun das achtjährige Knäblein der Perregaux seine


Grenzboten III. 1872. 23

Perregaux mußte, wie sie selbst behauptet, sowohl die Kosten der Neuenburger
Reise, als der Anstellung ihres eignen Dienstboten tragen, so daß „Lambachen
das Pathengeschenk nicht viel habe kosten können." Das Verhör begann im
Gefängniß. Dachselhofer und Jenner, als die Häupter des Gerichts, saßen,
aber aus Rücksichten auf der Delinquentin hohe Geburt stets unbedeckten
Hauptes; die zwei Heimlicher standen mit Hellebarden in den Händen. Die
übrigen Glieder des Rathes standen ebenfalls, aber ohne Waffen und ohne
Hut. „Wir hätten es mit Rücksicht auf die Verdienste eurer Familie nicht
aufs Aeußerste kommen lassen, äußerte unter Anderm Dachselhofer in seiner
Eröffnungsrede, wenn es sich nicht um eine Staatssache handelte, das heißt
um ein Einverständniß mit dem Gesandten Frankreichs, dessen König ein
zweiter Attila und die Geißel unsrer heiligen Religion geworden ist. Dieser
Fürst, der eidbrüchig das Edict von Nantes vernichtet und eine Unzahl seiner
eignen Unterthanen grausam verfolgt, eingekerkert und verjagt hat, sucht jetzt
auch unser Staatswesen zu verwirren, indem er bemüht ist, mehrere unserer
Standeshäupter auf seine Seite zu ziehn. Dazu hat er sich namentlich Eurer
Person bedient. Dies erhellt deutlich aus den aufgefangenen Täfelchen, aus
den Papieren und dem Schlüssel, den wir in Eurer Cassette aufgefunden haben,
und besonders aus Euerm letzten Brief, der Staatsgeheimnisse enthält, welche
Niemand wissen kann, als die Seckelmeister und Verner. Diese müssen ihren
Amtseid gebrochen haben. Solches könne, fuhr er fort, unmöglich geduldet
und die Schuldigen müßten bestraft werden. Sie werde selbst einsehen, daß
sie einfach verführt und getäuscht worden, sie möge daher durch ein umfassen¬
des Bekenntniß sich nicht nur die Freiheit, sondern eine über ihr Hoffen reiche
Belohnung und Bevorzugung ihrer Familie erwerben.

Die Perregaux antwortete: Sie fühle sich nicht berufen die Schritte und
Maßregeln des Königs von Frankreich zu beurtheilen; wohl aber möge es
ihren Richtern schwer werden, diesen Bruch des Völkerrechts in ihrer Person
zu rechtfertigen: sie sei nicht mehr Bernerin, sondern die Unterthanin eines
französischen Prinzen. Sie habe daher gar wohl mit der französischen Ge¬
sandtschaft verkehren können, ohne die bernischen Staatsinteressen zu verletzen.
Ihr Verkehr habe den alleinigen Zweck gehabt, ihrem Mann eine besste
Stellung zu erwirken. Ueberdies sei es lächerlich zu meinen, daß die Standes¬
häupter Beruf sich einem Weibe anvertraut hätten, Angesichts des Leichtsinns,
den man diesem Geschlecht von je zugeschrieben habe. Die prächtigen Täfelchen
gehörten ihr allerdings, aber sie habe jederzeit gern etwas Schönes und nettes
besessen, und was darauf geschrieben, sei einfach eine Sache des Zeitvertreibes.
Was die Staatsgeheimnisse betreffe, so habe sie dieselben von einer ihr unbe¬
kannten Privatperson erhalten, die sie zufällig erlauscht habe.

Herr Berseth beschwor nun das achtjährige Knäblein der Perregaux seine


Grenzboten III. 1872. 23
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[0185] Perregaux mußte, wie sie selbst behauptet, sowohl die Kosten der Neuenburger Reise, als der Anstellung ihres eignen Dienstboten tragen, so daß „Lambachen das Pathengeschenk nicht viel habe kosten können." Das Verhör begann im Gefängniß. Dachselhofer und Jenner, als die Häupter des Gerichts, saßen, aber aus Rücksichten auf der Delinquentin hohe Geburt stets unbedeckten Hauptes; die zwei Heimlicher standen mit Hellebarden in den Händen. Die übrigen Glieder des Rathes standen ebenfalls, aber ohne Waffen und ohne Hut. „Wir hätten es mit Rücksicht auf die Verdienste eurer Familie nicht aufs Aeußerste kommen lassen, äußerte unter Anderm Dachselhofer in seiner Eröffnungsrede, wenn es sich nicht um eine Staatssache handelte, das heißt um ein Einverständniß mit dem Gesandten Frankreichs, dessen König ein zweiter Attila und die Geißel unsrer heiligen Religion geworden ist. Dieser Fürst, der eidbrüchig das Edict von Nantes vernichtet und eine Unzahl seiner eignen Unterthanen grausam verfolgt, eingekerkert und verjagt hat, sucht jetzt auch unser Staatswesen zu verwirren, indem er bemüht ist, mehrere unserer Standeshäupter auf seine Seite zu ziehn. Dazu hat er sich namentlich Eurer Person bedient. Dies erhellt deutlich aus den aufgefangenen Täfelchen, aus den Papieren und dem Schlüssel, den wir in Eurer Cassette aufgefunden haben, und besonders aus Euerm letzten Brief, der Staatsgeheimnisse enthält, welche Niemand wissen kann, als die Seckelmeister und Verner. Diese müssen ihren Amtseid gebrochen haben. Solches könne, fuhr er fort, unmöglich geduldet und die Schuldigen müßten bestraft werden. Sie werde selbst einsehen, daß sie einfach verführt und getäuscht worden, sie möge daher durch ein umfassen¬ des Bekenntniß sich nicht nur die Freiheit, sondern eine über ihr Hoffen reiche Belohnung und Bevorzugung ihrer Familie erwerben. Die Perregaux antwortete: Sie fühle sich nicht berufen die Schritte und Maßregeln des Königs von Frankreich zu beurtheilen; wohl aber möge es ihren Richtern schwer werden, diesen Bruch des Völkerrechts in ihrer Person zu rechtfertigen: sie sei nicht mehr Bernerin, sondern die Unterthanin eines französischen Prinzen. Sie habe daher gar wohl mit der französischen Ge¬ sandtschaft verkehren können, ohne die bernischen Staatsinteressen zu verletzen. Ihr Verkehr habe den alleinigen Zweck gehabt, ihrem Mann eine besste Stellung zu erwirken. Ueberdies sei es lächerlich zu meinen, daß die Standes¬ häupter Beruf sich einem Weibe anvertraut hätten, Angesichts des Leichtsinns, den man diesem Geschlecht von je zugeschrieben habe. Die prächtigen Täfelchen gehörten ihr allerdings, aber sie habe jederzeit gern etwas Schönes und nettes besessen, und was darauf geschrieben, sei einfach eine Sache des Zeitvertreibes. Was die Staatsgeheimnisse betreffe, so habe sie dieselben von einer ihr unbe¬ kannten Privatperson erhalten, die sie zufällig erlauscht habe. Herr Berseth beschwor nun das achtjährige Knäblein der Perregaux seine Grenzboten III. 1872. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/185>, abgerufen am 25.08.2024.