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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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sie auch gestern das Glöcklein und schlossen sich dem Geistlichen an. Als der
Zug an einer dem Waschplatz gegenüberliegenden Osteria vorüberging, stand
der Wirth unter der Thür und erging sich in Flüchen und Lästerungen. Die
Wäscherinnen verwiesen ihm sein gottloses Betragen, und als er Miene
machte, seine Blasphemien fortzusetzen, stürzte er plötzlich todt zur Erde nieder."
Ja, ja, ,ihr Freidenker, ihr bösen Buben, -so geht es, wenn man sich in
Betreff der Ehrfurcht vor kirchlichen Dingen (vergl. oben) selbst von unver¬
nünftigen, aber gleichwohl frommen Kühen und Schweinen beschämen läßt!

Die dritte Geschichte, die wir aus dem Sagenschatz der "Tyroler Stimmen"
schöpfen und einfach mit "Grauslich!" überschreiben, spielt "am Fuß des
Hundsrückens. Eine Gesellschaft junger Leute wußte im Uebermuthe nichts
Anderes zu thun, als mit der christlichen Religion ihren Spott zu treiben.
Endlich beschlossen sie, die Geschichte von Lazarus aufzuführen. Einer aus
der Gesellschaft legte sich ins Grab, ein Anderer rief ihm die Worte zu:
"Lazarus, stehe auf!" Doch der, welcher diese Worte gesprochen hatte, wurde
augenblicklich taub und stumm; der aber, welcher sich ins Grab gelegt hatte,
stand nicht mehr auf, denn er war todt!"

Das vierte Mirakel, mit dem wir als dem erbaulichsten schließen wollen,
könnte zu >mer Fortsetzung der Ovidschen Metamorphosen verwendet werden
und wird zu diesem Zweck den Poeten der "Germania" empfohlen. Unsre
nächste Quelle ist die norddeutsche Allgemeine Zeitung, die sich aus Mül-
hausen, 1. Juni schreiben läßt: "Der Karlsruher Zeitung wird von hier
folgende erbauliche Geschichte gemeldet, die auch von der Straßburger Zeitung
bestätigt wird. Der Korrespondent erzählt wörtlich: "Wie die gnadenreiche
Jungfrau den Spott über ihre göttliche Person bestraft, davon erzählte uns
ein Geistlicher in seiner Predigt am Dreifaltigkeits-Sonntag im Jahre des
Heils 1872 folgendes merkwürdige Beispiel. In einem Orte des Niederrheins
(der Name wurde nicht genannt), wo die Einwohnerschaft in zwei Con-
fessionen getheilt ist, besuchte vor zwei Monaten ein Ungläubiger (wahrschein¬
lich ein Protestant) eine katholische Familie, mit der er befreundet war, und
welche einen sehr schönen Hund besaß. Bei seinem Eintritts redete er diesen
mit den Worten an: Du bist schöner als den Katholiken ihre Mutter Gottes.
Alles erschrak darob, man verwies ihm die lästerlichen Worte und machte ihn
darauf aufmerksam, wie die Genannte dergleichen Frevel nicht ungestraft lassen
werde. Wie gesagt oder vielmehr prophezeit, so geschah es. Der junge Mann
fühlte sich, als er nach Hause kam, am ganzen Körper wie zerschlagen. Er
schrumpfte sichtbar zusammen, wurde ganz schwarz und fing an zu bellen wie
ein Hund. Vor acht Tagen nun habe ich (der Geistliche) erfahren, daß er
heute noch schwarz ist und noch immer bellt wie ein Hund." -- Und der Ein¬
druck dieser Wundergeschichte auf die Zuhörer? Was wenigstens mich betrifft


sie auch gestern das Glöcklein und schlossen sich dem Geistlichen an. Als der
Zug an einer dem Waschplatz gegenüberliegenden Osteria vorüberging, stand
der Wirth unter der Thür und erging sich in Flüchen und Lästerungen. Die
Wäscherinnen verwiesen ihm sein gottloses Betragen, und als er Miene
machte, seine Blasphemien fortzusetzen, stürzte er plötzlich todt zur Erde nieder."
Ja, ja, ,ihr Freidenker, ihr bösen Buben, -so geht es, wenn man sich in
Betreff der Ehrfurcht vor kirchlichen Dingen (vergl. oben) selbst von unver¬
nünftigen, aber gleichwohl frommen Kühen und Schweinen beschämen läßt!

Die dritte Geschichte, die wir aus dem Sagenschatz der „Tyroler Stimmen"
schöpfen und einfach mit „Grauslich!" überschreiben, spielt „am Fuß des
Hundsrückens. Eine Gesellschaft junger Leute wußte im Uebermuthe nichts
Anderes zu thun, als mit der christlichen Religion ihren Spott zu treiben.
Endlich beschlossen sie, die Geschichte von Lazarus aufzuführen. Einer aus
der Gesellschaft legte sich ins Grab, ein Anderer rief ihm die Worte zu:
„Lazarus, stehe auf!" Doch der, welcher diese Worte gesprochen hatte, wurde
augenblicklich taub und stumm; der aber, welcher sich ins Grab gelegt hatte,
stand nicht mehr auf, denn er war todt!"

Das vierte Mirakel, mit dem wir als dem erbaulichsten schließen wollen,
könnte zu >mer Fortsetzung der Ovidschen Metamorphosen verwendet werden
und wird zu diesem Zweck den Poeten der „Germania" empfohlen. Unsre
nächste Quelle ist die norddeutsche Allgemeine Zeitung, die sich aus Mül-
hausen, 1. Juni schreiben läßt: „Der Karlsruher Zeitung wird von hier
folgende erbauliche Geschichte gemeldet, die auch von der Straßburger Zeitung
bestätigt wird. Der Korrespondent erzählt wörtlich: „Wie die gnadenreiche
Jungfrau den Spott über ihre göttliche Person bestraft, davon erzählte uns
ein Geistlicher in seiner Predigt am Dreifaltigkeits-Sonntag im Jahre des
Heils 1872 folgendes merkwürdige Beispiel. In einem Orte des Niederrheins
(der Name wurde nicht genannt), wo die Einwohnerschaft in zwei Con-
fessionen getheilt ist, besuchte vor zwei Monaten ein Ungläubiger (wahrschein¬
lich ein Protestant) eine katholische Familie, mit der er befreundet war, und
welche einen sehr schönen Hund besaß. Bei seinem Eintritts redete er diesen
mit den Worten an: Du bist schöner als den Katholiken ihre Mutter Gottes.
Alles erschrak darob, man verwies ihm die lästerlichen Worte und machte ihn
darauf aufmerksam, wie die Genannte dergleichen Frevel nicht ungestraft lassen
werde. Wie gesagt oder vielmehr prophezeit, so geschah es. Der junge Mann
fühlte sich, als er nach Hause kam, am ganzen Körper wie zerschlagen. Er
schrumpfte sichtbar zusammen, wurde ganz schwarz und fing an zu bellen wie
ein Hund. Vor acht Tagen nun habe ich (der Geistliche) erfahren, daß er
heute noch schwarz ist und noch immer bellt wie ein Hund." — Und der Ein¬
druck dieser Wundergeschichte auf die Zuhörer? Was wenigstens mich betrifft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/183>, abgerufen am 22.12.2024.