Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hergang bekunden. "Die Familie des Kindes nimmt eine der ehrenvollsten
Stellungen ein, und die Achtung deren sie sich erfreut, stellt sie vor jeden
Verdacht sicher. Einer der bedeutendsten Aerzte, einer der Fürsten der Wissen¬
schaft, hat den Knaben behandelt; er hat denselben vor und nach seiner
Heilung gesehen und hat die außerordentliche Veränderung bestätigt, vor
welcher die Wissenschaft ohne Erklärung dasteht. Das ist der Grund, weshalb
die Capelle der Jesuiten gestern nicht leer wurde. Gläubige jeden Standes
keinen^Gott zu bitten, der den Blinden Licht, den Tauben Gehör verleiht,
die Lahmen gesund macht, daß er auch Frankreich die Augen öffnen möge,
damit es endlich erkenne, welches die Ursache seiner Leiden ist, und wo es
Heilung für dieselben zu suchen hat."

Natürlich bei den Jesuiten, heißt der Kern dieser Moral der Historie des
französischen Loyolistenblattes, und das deutsche will mit dem Abdruck offen¬
bar sagen: Seht, ihr doppelt Blinden diesseits des Rheines, ihr Liberalen,
ihr Freimaurer, solche Wunder wirken todte Jesuiten, und ihr wollt die
lebendigen vertreiben!

Wir schließen mit einer Auswahl anderer netter Proben aus der Fabel-
Apotheke der Ultramontanen. Sie sehen alle aus. als ob sie in der Zeit der
Viroruw odseuroi'um gewachsen wären, sind aber alle aus dem angeblich so
erleuchteten neunzehnten Jahrhundert, wenn auch zum Theil aus dunkeln
Winkeln, ja alle von der Ernte dieses letzten Jahres.

Der ersten Geschichte geben wir die Urschrift: "Gottesfürchtiges Vieh."
Die Schuljugend in Feldsberg wurde kürzlich. wie der wiener "Deutschen
Zeitung" geschrieben wird, von ihrem Katecheten mit folgendem Histörchen
erbaut: "Eine Bauersfrau ging zur Communion. und um ihren Bienenstand
zu vermehren, nahm sie die Hostie aus dem Munde in das Gebetbuch und
gab sie in den Bienenstock. Die Honigernte war dadurch namhaft vermehrt,
und eine Vermehrung des Bienenstandes im nächsten Jahre mußte die noth¬
wendige Folge sein. Doch als im Herbste die Kühe, Schafe und Schweine
in den Garten und in die Nähe des Bienenstockes kamen, sielen sie auf die
Knie und konnten sich erst wieder erheben, als der Pfarrer in feierlicher
Procession den Schatz, um den die Bienen eine Monstranz aus Wachs gebaut,
gehoben hatte. Noch heute wird sie verehrt."

Historia Nummer zwei, die wir einer römischen Correspondenz der "Ger¬
mania" vom 29. Mai d. I. entnehmen und "Strafe eines ruchlosen Schenk-
wirths" nennen, reiht sich als Gegenstück würdig der ersten an. Sie lautet:
"In dem Vicolo del Moro, unweit der Kirche S. Maria in Via ist eine
Wäscherei. Die dort beschäftigten Wäscherinnen haben die Sitte, sobald das
heilige Altarssacrament aus der Kirche zu schwer Kranken getragen wird, ihre
Arbeit zu unterbrechen, um den Priester unter Gebet zu begleiten. So hörten


Hergang bekunden. «Die Familie des Kindes nimmt eine der ehrenvollsten
Stellungen ein, und die Achtung deren sie sich erfreut, stellt sie vor jeden
Verdacht sicher. Einer der bedeutendsten Aerzte, einer der Fürsten der Wissen¬
schaft, hat den Knaben behandelt; er hat denselben vor und nach seiner
Heilung gesehen und hat die außerordentliche Veränderung bestätigt, vor
welcher die Wissenschaft ohne Erklärung dasteht. Das ist der Grund, weshalb
die Capelle der Jesuiten gestern nicht leer wurde. Gläubige jeden Standes
keinen^Gott zu bitten, der den Blinden Licht, den Tauben Gehör verleiht,
die Lahmen gesund macht, daß er auch Frankreich die Augen öffnen möge,
damit es endlich erkenne, welches die Ursache seiner Leiden ist, und wo es
Heilung für dieselben zu suchen hat."

Natürlich bei den Jesuiten, heißt der Kern dieser Moral der Historie des
französischen Loyolistenblattes, und das deutsche will mit dem Abdruck offen¬
bar sagen: Seht, ihr doppelt Blinden diesseits des Rheines, ihr Liberalen,
ihr Freimaurer, solche Wunder wirken todte Jesuiten, und ihr wollt die
lebendigen vertreiben!

Wir schließen mit einer Auswahl anderer netter Proben aus der Fabel-
Apotheke der Ultramontanen. Sie sehen alle aus. als ob sie in der Zeit der
Viroruw odseuroi'um gewachsen wären, sind aber alle aus dem angeblich so
erleuchteten neunzehnten Jahrhundert, wenn auch zum Theil aus dunkeln
Winkeln, ja alle von der Ernte dieses letzten Jahres.

Der ersten Geschichte geben wir die Urschrift: „Gottesfürchtiges Vieh."
Die Schuljugend in Feldsberg wurde kürzlich. wie der wiener „Deutschen
Zeitung" geschrieben wird, von ihrem Katecheten mit folgendem Histörchen
erbaut: „Eine Bauersfrau ging zur Communion. und um ihren Bienenstand
zu vermehren, nahm sie die Hostie aus dem Munde in das Gebetbuch und
gab sie in den Bienenstock. Die Honigernte war dadurch namhaft vermehrt,
und eine Vermehrung des Bienenstandes im nächsten Jahre mußte die noth¬
wendige Folge sein. Doch als im Herbste die Kühe, Schafe und Schweine
in den Garten und in die Nähe des Bienenstockes kamen, sielen sie auf die
Knie und konnten sich erst wieder erheben, als der Pfarrer in feierlicher
Procession den Schatz, um den die Bienen eine Monstranz aus Wachs gebaut,
gehoben hatte. Noch heute wird sie verehrt."

Historia Nummer zwei, die wir einer römischen Correspondenz der „Ger¬
mania" vom 29. Mai d. I. entnehmen und „Strafe eines ruchlosen Schenk-
wirths" nennen, reiht sich als Gegenstück würdig der ersten an. Sie lautet:
„In dem Vicolo del Moro, unweit der Kirche S. Maria in Via ist eine
Wäscherei. Die dort beschäftigten Wäscherinnen haben die Sitte, sobald das
heilige Altarssacrament aus der Kirche zu schwer Kranken getragen wird, ihre
Arbeit zu unterbrechen, um den Priester unter Gebet zu begleiten. So hörten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128110"/>
          <p xml:id="ID_562" prev="#ID_561"> Hergang bekunden. «Die Familie des Kindes nimmt eine der ehrenvollsten<lb/>
Stellungen ein, und die Achtung deren sie sich erfreut, stellt sie vor jeden<lb/>
Verdacht sicher. Einer der bedeutendsten Aerzte, einer der Fürsten der Wissen¬<lb/>
schaft, hat den Knaben behandelt; er hat denselben vor und nach seiner<lb/>
Heilung gesehen und hat die außerordentliche Veränderung bestätigt, vor<lb/>
welcher die Wissenschaft ohne Erklärung dasteht. Das ist der Grund, weshalb<lb/>
die Capelle der Jesuiten gestern nicht leer wurde. Gläubige jeden Standes<lb/>
keinen^Gott zu bitten, der den Blinden Licht, den Tauben Gehör verleiht,<lb/>
die Lahmen gesund macht, daß er auch Frankreich die Augen öffnen möge,<lb/>
damit es endlich erkenne, welches die Ursache seiner Leiden ist, und wo es<lb/>
Heilung für dieselben zu suchen hat."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_563"> Natürlich bei den Jesuiten, heißt der Kern dieser Moral der Historie des<lb/>
französischen Loyolistenblattes, und das deutsche will mit dem Abdruck offen¬<lb/>
bar sagen: Seht, ihr doppelt Blinden diesseits des Rheines, ihr Liberalen,<lb/>
ihr Freimaurer, solche Wunder wirken todte Jesuiten, und ihr wollt die<lb/>
lebendigen vertreiben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_564"> Wir schließen mit einer Auswahl anderer netter Proben aus der Fabel-<lb/>
Apotheke der Ultramontanen. Sie sehen alle aus. als ob sie in der Zeit der<lb/>
Viroruw odseuroi'um gewachsen wären, sind aber alle aus dem angeblich so<lb/>
erleuchteten neunzehnten Jahrhundert, wenn auch zum Theil aus dunkeln<lb/>
Winkeln, ja alle von der Ernte dieses letzten Jahres.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_565"> Der ersten Geschichte geben wir die Urschrift: &#x201E;Gottesfürchtiges Vieh."<lb/>
Die Schuljugend in Feldsberg wurde kürzlich. wie der wiener &#x201E;Deutschen<lb/>
Zeitung" geschrieben wird, von ihrem Katecheten mit folgendem Histörchen<lb/>
erbaut: &#x201E;Eine Bauersfrau ging zur Communion. und um ihren Bienenstand<lb/>
zu vermehren, nahm sie die Hostie aus dem Munde in das Gebetbuch und<lb/>
gab sie in den Bienenstock. Die Honigernte war dadurch namhaft vermehrt,<lb/>
und eine Vermehrung des Bienenstandes im nächsten Jahre mußte die noth¬<lb/>
wendige Folge sein. Doch als im Herbste die Kühe, Schafe und Schweine<lb/>
in den Garten und in die Nähe des Bienenstockes kamen, sielen sie auf die<lb/>
Knie und konnten sich erst wieder erheben, als der Pfarrer in feierlicher<lb/>
Procession den Schatz, um den die Bienen eine Monstranz aus Wachs gebaut,<lb/>
gehoben hatte. Noch heute wird sie verehrt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_566" next="#ID_567"> Historia Nummer zwei, die wir einer römischen Correspondenz der &#x201E;Ger¬<lb/>
mania" vom 29. Mai d. I. entnehmen und &#x201E;Strafe eines ruchlosen Schenk-<lb/>
wirths" nennen, reiht sich als Gegenstück würdig der ersten an. Sie lautet:<lb/>
&#x201E;In dem Vicolo del Moro, unweit der Kirche S. Maria in Via ist eine<lb/>
Wäscherei. Die dort beschäftigten Wäscherinnen haben die Sitte, sobald das<lb/>
heilige Altarssacrament aus der Kirche zu schwer Kranken getragen wird, ihre<lb/>
Arbeit zu unterbrechen, um den Priester unter Gebet zu begleiten. So hörten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0182] Hergang bekunden. «Die Familie des Kindes nimmt eine der ehrenvollsten Stellungen ein, und die Achtung deren sie sich erfreut, stellt sie vor jeden Verdacht sicher. Einer der bedeutendsten Aerzte, einer der Fürsten der Wissen¬ schaft, hat den Knaben behandelt; er hat denselben vor und nach seiner Heilung gesehen und hat die außerordentliche Veränderung bestätigt, vor welcher die Wissenschaft ohne Erklärung dasteht. Das ist der Grund, weshalb die Capelle der Jesuiten gestern nicht leer wurde. Gläubige jeden Standes keinen^Gott zu bitten, der den Blinden Licht, den Tauben Gehör verleiht, die Lahmen gesund macht, daß er auch Frankreich die Augen öffnen möge, damit es endlich erkenne, welches die Ursache seiner Leiden ist, und wo es Heilung für dieselben zu suchen hat." Natürlich bei den Jesuiten, heißt der Kern dieser Moral der Historie des französischen Loyolistenblattes, und das deutsche will mit dem Abdruck offen¬ bar sagen: Seht, ihr doppelt Blinden diesseits des Rheines, ihr Liberalen, ihr Freimaurer, solche Wunder wirken todte Jesuiten, und ihr wollt die lebendigen vertreiben! Wir schließen mit einer Auswahl anderer netter Proben aus der Fabel- Apotheke der Ultramontanen. Sie sehen alle aus. als ob sie in der Zeit der Viroruw odseuroi'um gewachsen wären, sind aber alle aus dem angeblich so erleuchteten neunzehnten Jahrhundert, wenn auch zum Theil aus dunkeln Winkeln, ja alle von der Ernte dieses letzten Jahres. Der ersten Geschichte geben wir die Urschrift: „Gottesfürchtiges Vieh." Die Schuljugend in Feldsberg wurde kürzlich. wie der wiener „Deutschen Zeitung" geschrieben wird, von ihrem Katecheten mit folgendem Histörchen erbaut: „Eine Bauersfrau ging zur Communion. und um ihren Bienenstand zu vermehren, nahm sie die Hostie aus dem Munde in das Gebetbuch und gab sie in den Bienenstock. Die Honigernte war dadurch namhaft vermehrt, und eine Vermehrung des Bienenstandes im nächsten Jahre mußte die noth¬ wendige Folge sein. Doch als im Herbste die Kühe, Schafe und Schweine in den Garten und in die Nähe des Bienenstockes kamen, sielen sie auf die Knie und konnten sich erst wieder erheben, als der Pfarrer in feierlicher Procession den Schatz, um den die Bienen eine Monstranz aus Wachs gebaut, gehoben hatte. Noch heute wird sie verehrt." Historia Nummer zwei, die wir einer römischen Correspondenz der „Ger¬ mania" vom 29. Mai d. I. entnehmen und „Strafe eines ruchlosen Schenk- wirths" nennen, reiht sich als Gegenstück würdig der ersten an. Sie lautet: „In dem Vicolo del Moro, unweit der Kirche S. Maria in Via ist eine Wäscherei. Die dort beschäftigten Wäscherinnen haben die Sitte, sobald das heilige Altarssacrament aus der Kirche zu schwer Kranken getragen wird, ihre Arbeit zu unterbrechen, um den Priester unter Gebet zu begleiten. So hörten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/182
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/182>, abgerufen am 25.08.2024.