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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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"Noch etwas zum göttlichen Herzen zu beten als Danksagung" -- an
den Heiligen selbsten nicht, das Herz Jesu, eine jesuitische Gottheit, allein ver¬
mag es, aber es thut nur gegen das Versprechen, daß man sich auch bedanken
will, seine Wunder. "Und im "Sendboten" die Erhörung bekannt zu machen" --
das ist das eigentliche Punctum saliens, das heilige Herz leistet Mirakel, damit
sie in den Jesuitenblättern figuriren.

Von Interesse ist ferner der in derselben Monatsschrift abgedruckte Brief
einer Schwester vom Orden des heiligen Carl Boromäus, der aus einem
französischen Kloster an eine Aebtissin oder Superiorin in Böhmen geschrieben
ist, Wir lesen da unter Anderm:

"Es sind jetzt fünfzehn Tage, daß sich die seligste Jungfrau in einem
unsrer Häuser wunderbar erweiset, und wir nehmen es als ein Zeichen, daß
sie uns nicht verläßt. Das ist in Maison de secours (eine Zufluchtsstätte
des größten menschlichen Elends, in der bei vierhundert Personen von den
Schwestern gepflegt werden), wo sich, wie Ehrwürdige Mutter wohl wissen,
mehrere Mädchen, die einen schlechten Lebenswandel geführt haben, befinden.
Nun ist unter ihnen auch eine Jüdin gewesen, welche sich bekehrt hat und
getauft worden ist. In ihrem unendlichen Reueschmerz sagte sie, als sie ihre
Auflösung nahe fühlte, zu den andern, daß sie, wenn sie in den Himmel komme,
die seligste Jungfrau bitten werde, sie möchte ihnen ein sichtbares Zeichen geben,
damit sich alle bekehren. Am Todestage der Neugetauften waren ihre Ge¬
fährtinnen auf ihrer Tribüne bei der Statue der heiligen Jungfrau ver¬
sammelt, als sie zu ihrer Verwunderung gewahr wurden, daß dieselbe ihre
Augen aufthue. Das hat sich an dem nämlichen Tage mehrmals wieder¬
holt. Ergriffen wie sie waren, haben sich schon Tags darauf mehrere dieser
armen Geschöpfe bei dem Beichtstuhle eingefunden, und es ist ihre Bekehrung
zu hoffen. Seitdem drängt sich eine Menge Menschen zu dieser Statue, um
dort zu beten, und Viele haben es gesehen, wie sich die Augen öffnen; zu
diesen gehören auch wir Schwestern. Auch die Geistlichkeit kommt, um sich
zu überzeugen. Der Herr Bischof leitete eine genaue Untersuchung ein und
erlaubte, daß man diese Statue als eine wunderthätige in Ehren halte. Es
kommen jetzt Jungfrauen, welche Loblieder anstimmen und voll Vertrauen
unser Elend der Himmelsmutter darstellen, und wir sind trotz aller Trüb¬
sale mit Zuversicht erfüllt, daß uns geholfen werden wird."

Etwas ganz besonders Feines ist unter diesen Geschichten der im "Send¬
boten des göttlichen Herzens Jesu," Jahrgang 1871 zu lesende Bericht des
Pfarrers Johann Klotzner zu Mölten in Tirol. Derselbe ist vom 4. Mai
vorigen Jahres datirt und lautet wörtlich, wie folgt:

"In diesem Jahre am 13. Jänner um Mitternacht wurde in der Pfarre
Mölten, Decanat Bozen, dem Bauer G. ein acht Monate altes todtes Mäd-


Grmzbotcn III. 1872. 22

„Noch etwas zum göttlichen Herzen zu beten als Danksagung" — an
den Heiligen selbsten nicht, das Herz Jesu, eine jesuitische Gottheit, allein ver¬
mag es, aber es thut nur gegen das Versprechen, daß man sich auch bedanken
will, seine Wunder. „Und im „Sendboten" die Erhörung bekannt zu machen" —
das ist das eigentliche Punctum saliens, das heilige Herz leistet Mirakel, damit
sie in den Jesuitenblättern figuriren.

Von Interesse ist ferner der in derselben Monatsschrift abgedruckte Brief
einer Schwester vom Orden des heiligen Carl Boromäus, der aus einem
französischen Kloster an eine Aebtissin oder Superiorin in Böhmen geschrieben
ist, Wir lesen da unter Anderm:

„Es sind jetzt fünfzehn Tage, daß sich die seligste Jungfrau in einem
unsrer Häuser wunderbar erweiset, und wir nehmen es als ein Zeichen, daß
sie uns nicht verläßt. Das ist in Maison de secours (eine Zufluchtsstätte
des größten menschlichen Elends, in der bei vierhundert Personen von den
Schwestern gepflegt werden), wo sich, wie Ehrwürdige Mutter wohl wissen,
mehrere Mädchen, die einen schlechten Lebenswandel geführt haben, befinden.
Nun ist unter ihnen auch eine Jüdin gewesen, welche sich bekehrt hat und
getauft worden ist. In ihrem unendlichen Reueschmerz sagte sie, als sie ihre
Auflösung nahe fühlte, zu den andern, daß sie, wenn sie in den Himmel komme,
die seligste Jungfrau bitten werde, sie möchte ihnen ein sichtbares Zeichen geben,
damit sich alle bekehren. Am Todestage der Neugetauften waren ihre Ge¬
fährtinnen auf ihrer Tribüne bei der Statue der heiligen Jungfrau ver¬
sammelt, als sie zu ihrer Verwunderung gewahr wurden, daß dieselbe ihre
Augen aufthue. Das hat sich an dem nämlichen Tage mehrmals wieder¬
holt. Ergriffen wie sie waren, haben sich schon Tags darauf mehrere dieser
armen Geschöpfe bei dem Beichtstuhle eingefunden, und es ist ihre Bekehrung
zu hoffen. Seitdem drängt sich eine Menge Menschen zu dieser Statue, um
dort zu beten, und Viele haben es gesehen, wie sich die Augen öffnen; zu
diesen gehören auch wir Schwestern. Auch die Geistlichkeit kommt, um sich
zu überzeugen. Der Herr Bischof leitete eine genaue Untersuchung ein und
erlaubte, daß man diese Statue als eine wunderthätige in Ehren halte. Es
kommen jetzt Jungfrauen, welche Loblieder anstimmen und voll Vertrauen
unser Elend der Himmelsmutter darstellen, und wir sind trotz aller Trüb¬
sale mit Zuversicht erfüllt, daß uns geholfen werden wird."

Etwas ganz besonders Feines ist unter diesen Geschichten der im „Send¬
boten des göttlichen Herzens Jesu," Jahrgang 1871 zu lesende Bericht des
Pfarrers Johann Klotzner zu Mölten in Tirol. Derselbe ist vom 4. Mai
vorigen Jahres datirt und lautet wörtlich, wie folgt:

„In diesem Jahre am 13. Jänner um Mitternacht wurde in der Pfarre
Mölten, Decanat Bozen, dem Bauer G. ein acht Monate altes todtes Mäd-


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[0177] „Noch etwas zum göttlichen Herzen zu beten als Danksagung" — an den Heiligen selbsten nicht, das Herz Jesu, eine jesuitische Gottheit, allein ver¬ mag es, aber es thut nur gegen das Versprechen, daß man sich auch bedanken will, seine Wunder. „Und im „Sendboten" die Erhörung bekannt zu machen" — das ist das eigentliche Punctum saliens, das heilige Herz leistet Mirakel, damit sie in den Jesuitenblättern figuriren. Von Interesse ist ferner der in derselben Monatsschrift abgedruckte Brief einer Schwester vom Orden des heiligen Carl Boromäus, der aus einem französischen Kloster an eine Aebtissin oder Superiorin in Böhmen geschrieben ist, Wir lesen da unter Anderm: „Es sind jetzt fünfzehn Tage, daß sich die seligste Jungfrau in einem unsrer Häuser wunderbar erweiset, und wir nehmen es als ein Zeichen, daß sie uns nicht verläßt. Das ist in Maison de secours (eine Zufluchtsstätte des größten menschlichen Elends, in der bei vierhundert Personen von den Schwestern gepflegt werden), wo sich, wie Ehrwürdige Mutter wohl wissen, mehrere Mädchen, die einen schlechten Lebenswandel geführt haben, befinden. Nun ist unter ihnen auch eine Jüdin gewesen, welche sich bekehrt hat und getauft worden ist. In ihrem unendlichen Reueschmerz sagte sie, als sie ihre Auflösung nahe fühlte, zu den andern, daß sie, wenn sie in den Himmel komme, die seligste Jungfrau bitten werde, sie möchte ihnen ein sichtbares Zeichen geben, damit sich alle bekehren. Am Todestage der Neugetauften waren ihre Ge¬ fährtinnen auf ihrer Tribüne bei der Statue der heiligen Jungfrau ver¬ sammelt, als sie zu ihrer Verwunderung gewahr wurden, daß dieselbe ihre Augen aufthue. Das hat sich an dem nämlichen Tage mehrmals wieder¬ holt. Ergriffen wie sie waren, haben sich schon Tags darauf mehrere dieser armen Geschöpfe bei dem Beichtstuhle eingefunden, und es ist ihre Bekehrung zu hoffen. Seitdem drängt sich eine Menge Menschen zu dieser Statue, um dort zu beten, und Viele haben es gesehen, wie sich die Augen öffnen; zu diesen gehören auch wir Schwestern. Auch die Geistlichkeit kommt, um sich zu überzeugen. Der Herr Bischof leitete eine genaue Untersuchung ein und erlaubte, daß man diese Statue als eine wunderthätige in Ehren halte. Es kommen jetzt Jungfrauen, welche Loblieder anstimmen und voll Vertrauen unser Elend der Himmelsmutter darstellen, und wir sind trotz aller Trüb¬ sale mit Zuversicht erfüllt, daß uns geholfen werden wird." Etwas ganz besonders Feines ist unter diesen Geschichten der im „Send¬ boten des göttlichen Herzens Jesu," Jahrgang 1871 zu lesende Bericht des Pfarrers Johann Klotzner zu Mölten in Tirol. Derselbe ist vom 4. Mai vorigen Jahres datirt und lautet wörtlich, wie folgt: „In diesem Jahre am 13. Jänner um Mitternacht wurde in der Pfarre Mölten, Decanat Bozen, dem Bauer G. ein acht Monate altes todtes Mäd- Grmzbotcn III. 1872. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/177>, abgerufen am 22.12.2024.