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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Volke und der Königin des Himmels ein gegenseitiger Bertrag der Verehrung
und des Schutzes. Seit 1830 begegnen wir wiederholten Erscheinungen der
Mutter Gottes in Frankreich: sie verlangt zu Paris, daß zu Ehren ihrer un¬
befleckten Empfängniß eine Medaille geprägt werde. Diese Erscheinung trägt
den Stempel wohlwollenden Mitleids, wir sehen da eine Mutter, welche ihren
Kindern ein Heilmittel bietet, und wer zählt die wunderbaren Heilungen und
Bekehrungen, welche durch diese nun allgemein verbreitete Medaille schon be¬
wirkt worden sind! Dann kam die Erscheinung zu Salette 1836 mit einem
viel ernsteren Charakter. Hier sehen wir eine trostlose Mutter ihre Thränen
weinen. 1858 zu Lourdes, auch diese ist voll Schmerzen. Bei dn Erscheinung
zu Portmain am 17. Januar 1871 bietet Frankreich Ursache zur Trauer,
darum trägt die allerseligste Jungfrau einen schwarzen Schleier (der beiläufig
jetzt unter den französischen Damen von der patriotischen Gattung Mode ist).
Das wunderbare Gesicht enthält einen großen Trost. Zuerst erscheint dieselbe
im Norden, zu Paris, dann im Osten, in der Diöcese von Grenoble. dann
im Süden, zu Lourdes, im Departement der Ostpyrenäen, endlich im Westen
zu Portmain, an der Grenze der Bretagne und Maine. Diese letztere Er¬
scheinung fällt in das abgelaufene Kriegsjahr. Es waren gerade fünf Tage
verflossen seit den heftigen Kämpfen bei Le Mans, die französische Armee zog
sich rückwärts fast in ungeordneter Flucht, hunderttausend deutsche Soldaten
rückten vor auf Angers und Laval zu." Weiterhin wird die politische Vision,
welche einige Schulkinder des genannten bretonischen Dorfes hatten, mit einem
Eingehen auf ihre Einzelheiten geschildert, welche Zeugniß für das gute Auge
und das treue Gedächtniß der Kleinen ablegt. "Als die Gestalt allmählig
höher stieg, sah man zu ihren Füßen ein leuchtendes N sich bilden und nach
und nach das ganze Wort Uns. Jeder Buchstabe schien die Höhe von vier
Zoll zu haben. Während der Litanei sahen die Kinder folgende Worte:
vieu vous 6xg>ueöra en xsu as tömxs (Gott wird euch in kurzer Zeit er¬
hören) -- nach temxg einen großen Schlußpunkt, den sie als der Sonne
ähnlich beschrieben, und dann lasen sie in einer folgenden Zeile: ,Mon LIs hö
Ibisse tvucker (was Pater Marly mit: mein Sohn wird sich eurer erbarmen,
übersetzt). Darauf nahm der Blick der Erscheinung den Ausdruck des Kum¬
mers an. Bei demselben erschien auf den Händen Marias ein scharlachrothes
Christusbild, etwa zwei Fuß hoch. Die Erscheinung hatte mehr als dritthalb
Stunden gedauert. Nun kam es den Kindern vor, als ob die wunderbare
Frau ihre ganze Person mit einem weißen Gewände bis zu dem Kopfe ver¬
hülle, am Ende verschwand die ganze Vision."

Mit Recht sagt die "Allgemeine Zeitung", der wir bei diesem Referat
folgen: "Also die gallische Isis hüllt sich in Trauer um ihren Geliebten Osiris,
welchen der germanische Typhon erschlagen. Könnte der Deutschenhaß


Volke und der Königin des Himmels ein gegenseitiger Bertrag der Verehrung
und des Schutzes. Seit 1830 begegnen wir wiederholten Erscheinungen der
Mutter Gottes in Frankreich: sie verlangt zu Paris, daß zu Ehren ihrer un¬
befleckten Empfängniß eine Medaille geprägt werde. Diese Erscheinung trägt
den Stempel wohlwollenden Mitleids, wir sehen da eine Mutter, welche ihren
Kindern ein Heilmittel bietet, und wer zählt die wunderbaren Heilungen und
Bekehrungen, welche durch diese nun allgemein verbreitete Medaille schon be¬
wirkt worden sind! Dann kam die Erscheinung zu Salette 1836 mit einem
viel ernsteren Charakter. Hier sehen wir eine trostlose Mutter ihre Thränen
weinen. 1858 zu Lourdes, auch diese ist voll Schmerzen. Bei dn Erscheinung
zu Portmain am 17. Januar 1871 bietet Frankreich Ursache zur Trauer,
darum trägt die allerseligste Jungfrau einen schwarzen Schleier (der beiläufig
jetzt unter den französischen Damen von der patriotischen Gattung Mode ist).
Das wunderbare Gesicht enthält einen großen Trost. Zuerst erscheint dieselbe
im Norden, zu Paris, dann im Osten, in der Diöcese von Grenoble. dann
im Süden, zu Lourdes, im Departement der Ostpyrenäen, endlich im Westen
zu Portmain, an der Grenze der Bretagne und Maine. Diese letztere Er¬
scheinung fällt in das abgelaufene Kriegsjahr. Es waren gerade fünf Tage
verflossen seit den heftigen Kämpfen bei Le Mans, die französische Armee zog
sich rückwärts fast in ungeordneter Flucht, hunderttausend deutsche Soldaten
rückten vor auf Angers und Laval zu." Weiterhin wird die politische Vision,
welche einige Schulkinder des genannten bretonischen Dorfes hatten, mit einem
Eingehen auf ihre Einzelheiten geschildert, welche Zeugniß für das gute Auge
und das treue Gedächtniß der Kleinen ablegt. „Als die Gestalt allmählig
höher stieg, sah man zu ihren Füßen ein leuchtendes N sich bilden und nach
und nach das ganze Wort Uns. Jeder Buchstabe schien die Höhe von vier
Zoll zu haben. Während der Litanei sahen die Kinder folgende Worte:
vieu vous 6xg>ueöra en xsu as tömxs (Gott wird euch in kurzer Zeit er¬
hören) — nach temxg einen großen Schlußpunkt, den sie als der Sonne
ähnlich beschrieben, und dann lasen sie in einer folgenden Zeile: ,Mon LIs hö
Ibisse tvucker (was Pater Marly mit: mein Sohn wird sich eurer erbarmen,
übersetzt). Darauf nahm der Blick der Erscheinung den Ausdruck des Kum¬
mers an. Bei demselben erschien auf den Händen Marias ein scharlachrothes
Christusbild, etwa zwei Fuß hoch. Die Erscheinung hatte mehr als dritthalb
Stunden gedauert. Nun kam es den Kindern vor, als ob die wunderbare
Frau ihre ganze Person mit einem weißen Gewände bis zu dem Kopfe ver¬
hülle, am Ende verschwand die ganze Vision."

Mit Recht sagt die „Allgemeine Zeitung", der wir bei diesem Referat
folgen: „Also die gallische Isis hüllt sich in Trauer um ihren Geliebten Osiris,
welchen der germanische Typhon erschlagen. Könnte der Deutschenhaß


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[0170] Volke und der Königin des Himmels ein gegenseitiger Bertrag der Verehrung und des Schutzes. Seit 1830 begegnen wir wiederholten Erscheinungen der Mutter Gottes in Frankreich: sie verlangt zu Paris, daß zu Ehren ihrer un¬ befleckten Empfängniß eine Medaille geprägt werde. Diese Erscheinung trägt den Stempel wohlwollenden Mitleids, wir sehen da eine Mutter, welche ihren Kindern ein Heilmittel bietet, und wer zählt die wunderbaren Heilungen und Bekehrungen, welche durch diese nun allgemein verbreitete Medaille schon be¬ wirkt worden sind! Dann kam die Erscheinung zu Salette 1836 mit einem viel ernsteren Charakter. Hier sehen wir eine trostlose Mutter ihre Thränen weinen. 1858 zu Lourdes, auch diese ist voll Schmerzen. Bei dn Erscheinung zu Portmain am 17. Januar 1871 bietet Frankreich Ursache zur Trauer, darum trägt die allerseligste Jungfrau einen schwarzen Schleier (der beiläufig jetzt unter den französischen Damen von der patriotischen Gattung Mode ist). Das wunderbare Gesicht enthält einen großen Trost. Zuerst erscheint dieselbe im Norden, zu Paris, dann im Osten, in der Diöcese von Grenoble. dann im Süden, zu Lourdes, im Departement der Ostpyrenäen, endlich im Westen zu Portmain, an der Grenze der Bretagne und Maine. Diese letztere Er¬ scheinung fällt in das abgelaufene Kriegsjahr. Es waren gerade fünf Tage verflossen seit den heftigen Kämpfen bei Le Mans, die französische Armee zog sich rückwärts fast in ungeordneter Flucht, hunderttausend deutsche Soldaten rückten vor auf Angers und Laval zu." Weiterhin wird die politische Vision, welche einige Schulkinder des genannten bretonischen Dorfes hatten, mit einem Eingehen auf ihre Einzelheiten geschildert, welche Zeugniß für das gute Auge und das treue Gedächtniß der Kleinen ablegt. „Als die Gestalt allmählig höher stieg, sah man zu ihren Füßen ein leuchtendes N sich bilden und nach und nach das ganze Wort Uns. Jeder Buchstabe schien die Höhe von vier Zoll zu haben. Während der Litanei sahen die Kinder folgende Worte: vieu vous 6xg>ueöra en xsu as tömxs (Gott wird euch in kurzer Zeit er¬ hören) — nach temxg einen großen Schlußpunkt, den sie als der Sonne ähnlich beschrieben, und dann lasen sie in einer folgenden Zeile: ,Mon LIs hö Ibisse tvucker (was Pater Marly mit: mein Sohn wird sich eurer erbarmen, übersetzt). Darauf nahm der Blick der Erscheinung den Ausdruck des Kum¬ mers an. Bei demselben erschien auf den Händen Marias ein scharlachrothes Christusbild, etwa zwei Fuß hoch. Die Erscheinung hatte mehr als dritthalb Stunden gedauert. Nun kam es den Kindern vor, als ob die wunderbare Frau ihre ganze Person mit einem weißen Gewände bis zu dem Kopfe ver¬ hülle, am Ende verschwand die ganze Vision." Mit Recht sagt die „Allgemeine Zeitung", der wir bei diesem Referat folgen: „Also die gallische Isis hüllt sich in Trauer um ihren Geliebten Osiris, welchen der germanische Typhon erschlagen. Könnte der Deutschenhaß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/170>, abgerufen am 29.06.2024.