Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dieses schon einen Ausfall geben. -- Eine Besserung des Instituts war aber
damals überhaupt unmöglich, weil, wie ein Bericht sagt, man nie der Later¬
nenrechnungen habhaft wurde und sich nie über die Zahl der wirklich bren¬
nenden Laternen klar werden konnte. 1824 kam dann die Castropsche La¬
terne, um welche sich halb Weimar an der Stcrnbrücke schaarte, um aus die
verheißenen 60 Schritt weit -- wenn auch nicht Perlschrift -- lesen zu können.
Da aber die gepriesene Erfindung nicht ganz den Erwartungen entsprach, so
wurde sie -- dem Weimarischen Handwerker -- dringend zur Verbesserung
empfohlen. -- Viel weiter kam man in unserer Periode nicht; denn die 1825
beabsichtigte Gasbeleuchtung kam aus Besorgniß vor Unglücksfällen nicht zu
Stande; obwohl man längst aetlich über die Frage klar geworden war, ob
man nur in dunklen Nächten ohne Mondschein, oder auch in dunklen
Mondscheinnächten die Gasflammen anzuzünden habe.

Wenn man von Weimar, sei es irgendwo, heute spricht, so erwähnt man
die unvergleichliche Schöpfung Carl Augusts und Goethe's: den Park. Er ist
ein so integrirender Theil, daß wir ihn hier nicht unbeachtet lassen können.
Die Geschichte dieser großartigen Schöpfung liegt bis zu dieser Stunde im
Argen. Daher für jetzt nur einige Andeutungen der Entwickelung, weil sie
zum Weimarischen Bilde gehören: denn Weimar ohne Park ist eben nicht
Weimar.

Wir wissen aus Goethe's Louisenfest, daß das Borkenhäuschen oder Kloster,
welches ein Werk von 3 Tagen war, für die Gründung des Parks den Anlaß
gab, dessen Entstehung die Weimarische Bevölkerung nicht ahnen konnte, weil die
unwegsamen Partien der heutigen Anlagen Niemanden zum Lustwandeln ein¬
luden. Man nennt ja bis heute noch jene sich lang dahinziehende Felspartie
"die kalte Küche", ein unwirthlicher Ort, den damals reiche Dornensträucher
zierten. Ueber dieser Gegend lag der welsche Garten, der im Beginn der
klassischen Periode südlich schon hinter dem Tempelherrnhause durch eine Mauer
abgesperrt war. Das Stück Landes bis zur Marienstraße und bis an die
Ackerwand, die ihren Namen von den dort stehenden Ackergeräthen des Bor¬
werks erhielt, war der öffentliche Garten Weimars. Ihn zierten Springbrunnen,
Statuen, Nondels, einige Lauben neben dem hervorragenden Schncckengebäude.
das dadurch merkwürdig war, daß die entgegengesetzten Eingänge keine Be¬
gegnungen zuließen. Vom Besuch des Publicums konnte man im welschen
Garten eigentlich nicht reden, namentlich finden wir, daß ältere Leute an die
Gegend der Ilm wegen der Nixe nicht gern sich verstiegen, und Kinder, die
sich am liebsten in der Esplanade bewegten, beim Betreten des welschen
Gartens 3 Kreuzchen auf die Schuh -- wenn sie solche trugen, zu machen
pflegten, weil es angeblich darin spuke. Ohne Bild läßt sich in dieser Be¬
ziehung Weimars erste Parkanlage kaum beschreiben, und wir können uns


dieses schon einen Ausfall geben. — Eine Besserung des Instituts war aber
damals überhaupt unmöglich, weil, wie ein Bericht sagt, man nie der Later¬
nenrechnungen habhaft wurde und sich nie über die Zahl der wirklich bren¬
nenden Laternen klar werden konnte. 1824 kam dann die Castropsche La¬
terne, um welche sich halb Weimar an der Stcrnbrücke schaarte, um aus die
verheißenen 60 Schritt weit — wenn auch nicht Perlschrift — lesen zu können.
Da aber die gepriesene Erfindung nicht ganz den Erwartungen entsprach, so
wurde sie — dem Weimarischen Handwerker — dringend zur Verbesserung
empfohlen. — Viel weiter kam man in unserer Periode nicht; denn die 1825
beabsichtigte Gasbeleuchtung kam aus Besorgniß vor Unglücksfällen nicht zu
Stande; obwohl man längst aetlich über die Frage klar geworden war, ob
man nur in dunklen Nächten ohne Mondschein, oder auch in dunklen
Mondscheinnächten die Gasflammen anzuzünden habe.

Wenn man von Weimar, sei es irgendwo, heute spricht, so erwähnt man
die unvergleichliche Schöpfung Carl Augusts und Goethe's: den Park. Er ist
ein so integrirender Theil, daß wir ihn hier nicht unbeachtet lassen können.
Die Geschichte dieser großartigen Schöpfung liegt bis zu dieser Stunde im
Argen. Daher für jetzt nur einige Andeutungen der Entwickelung, weil sie
zum Weimarischen Bilde gehören: denn Weimar ohne Park ist eben nicht
Weimar.

Wir wissen aus Goethe's Louisenfest, daß das Borkenhäuschen oder Kloster,
welches ein Werk von 3 Tagen war, für die Gründung des Parks den Anlaß
gab, dessen Entstehung die Weimarische Bevölkerung nicht ahnen konnte, weil die
unwegsamen Partien der heutigen Anlagen Niemanden zum Lustwandeln ein¬
luden. Man nennt ja bis heute noch jene sich lang dahinziehende Felspartie
„die kalte Küche", ein unwirthlicher Ort, den damals reiche Dornensträucher
zierten. Ueber dieser Gegend lag der welsche Garten, der im Beginn der
klassischen Periode südlich schon hinter dem Tempelherrnhause durch eine Mauer
abgesperrt war. Das Stück Landes bis zur Marienstraße und bis an die
Ackerwand, die ihren Namen von den dort stehenden Ackergeräthen des Bor¬
werks erhielt, war der öffentliche Garten Weimars. Ihn zierten Springbrunnen,
Statuen, Nondels, einige Lauben neben dem hervorragenden Schncckengebäude.
das dadurch merkwürdig war, daß die entgegengesetzten Eingänge keine Be¬
gegnungen zuließen. Vom Besuch des Publicums konnte man im welschen
Garten eigentlich nicht reden, namentlich finden wir, daß ältere Leute an die
Gegend der Ilm wegen der Nixe nicht gern sich verstiegen, und Kinder, die
sich am liebsten in der Esplanade bewegten, beim Betreten des welschen
Gartens 3 Kreuzchen auf die Schuh — wenn sie solche trugen, zu machen
pflegten, weil es angeblich darin spuke. Ohne Bild läßt sich in dieser Be¬
ziehung Weimars erste Parkanlage kaum beschreiben, und wir können uns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127943"/>
          <p xml:id="ID_20" prev="#ID_19"> dieses schon einen Ausfall geben. &#x2014; Eine Besserung des Instituts war aber<lb/>
damals überhaupt unmöglich, weil, wie ein Bericht sagt, man nie der Later¬<lb/>
nenrechnungen habhaft wurde und sich nie über die Zahl der wirklich bren¬<lb/>
nenden Laternen klar werden konnte. 1824 kam dann die Castropsche La¬<lb/>
terne, um welche sich halb Weimar an der Stcrnbrücke schaarte, um aus die<lb/>
verheißenen 60 Schritt weit &#x2014; wenn auch nicht Perlschrift &#x2014; lesen zu können.<lb/>
Da aber die gepriesene Erfindung nicht ganz den Erwartungen entsprach, so<lb/>
wurde sie &#x2014; dem Weimarischen Handwerker &#x2014; dringend zur Verbesserung<lb/>
empfohlen. &#x2014; Viel weiter kam man in unserer Periode nicht; denn die 1825<lb/>
beabsichtigte Gasbeleuchtung kam aus Besorgniß vor Unglücksfällen nicht zu<lb/>
Stande; obwohl man längst aetlich über die Frage klar geworden war, ob<lb/>
man nur in dunklen Nächten ohne Mondschein, oder auch in dunklen<lb/>
Mondscheinnächten die Gasflammen anzuzünden habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_21"> Wenn man von Weimar, sei es irgendwo, heute spricht, so erwähnt man<lb/>
die unvergleichliche Schöpfung Carl Augusts und Goethe's: den Park. Er ist<lb/>
ein so integrirender Theil, daß wir ihn hier nicht unbeachtet lassen können.<lb/>
Die Geschichte dieser großartigen Schöpfung liegt bis zu dieser Stunde im<lb/>
Argen. Daher für jetzt nur einige Andeutungen der Entwickelung, weil sie<lb/>
zum Weimarischen Bilde gehören: denn Weimar ohne Park ist eben nicht<lb/>
Weimar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_22" next="#ID_23"> Wir wissen aus Goethe's Louisenfest, daß das Borkenhäuschen oder Kloster,<lb/>
welches ein Werk von 3 Tagen war, für die Gründung des Parks den Anlaß<lb/>
gab, dessen Entstehung die Weimarische Bevölkerung nicht ahnen konnte, weil die<lb/>
unwegsamen Partien der heutigen Anlagen Niemanden zum Lustwandeln ein¬<lb/>
luden. Man nennt ja bis heute noch jene sich lang dahinziehende Felspartie<lb/>
&#x201E;die kalte Küche", ein unwirthlicher Ort, den damals reiche Dornensträucher<lb/>
zierten. Ueber dieser Gegend lag der welsche Garten, der im Beginn der<lb/>
klassischen Periode südlich schon hinter dem Tempelherrnhause durch eine Mauer<lb/>
abgesperrt war. Das Stück Landes bis zur Marienstraße und bis an die<lb/>
Ackerwand, die ihren Namen von den dort stehenden Ackergeräthen des Bor¬<lb/>
werks erhielt, war der öffentliche Garten Weimars. Ihn zierten Springbrunnen,<lb/>
Statuen, Nondels, einige Lauben neben dem hervorragenden Schncckengebäude.<lb/>
das dadurch merkwürdig war, daß die entgegengesetzten Eingänge keine Be¬<lb/>
gegnungen zuließen. Vom Besuch des Publicums konnte man im welschen<lb/>
Garten eigentlich nicht reden, namentlich finden wir, daß ältere Leute an die<lb/>
Gegend der Ilm wegen der Nixe nicht gern sich verstiegen, und Kinder, die<lb/>
sich am liebsten in der Esplanade bewegten, beim Betreten des welschen<lb/>
Gartens 3 Kreuzchen auf die Schuh &#x2014; wenn sie solche trugen, zu machen<lb/>
pflegten, weil es angeblich darin spuke. Ohne Bild läßt sich in dieser Be¬<lb/>
ziehung Weimars erste Parkanlage kaum beschreiben, und wir können uns</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] dieses schon einen Ausfall geben. — Eine Besserung des Instituts war aber damals überhaupt unmöglich, weil, wie ein Bericht sagt, man nie der Later¬ nenrechnungen habhaft wurde und sich nie über die Zahl der wirklich bren¬ nenden Laternen klar werden konnte. 1824 kam dann die Castropsche La¬ terne, um welche sich halb Weimar an der Stcrnbrücke schaarte, um aus die verheißenen 60 Schritt weit — wenn auch nicht Perlschrift — lesen zu können. Da aber die gepriesene Erfindung nicht ganz den Erwartungen entsprach, so wurde sie — dem Weimarischen Handwerker — dringend zur Verbesserung empfohlen. — Viel weiter kam man in unserer Periode nicht; denn die 1825 beabsichtigte Gasbeleuchtung kam aus Besorgniß vor Unglücksfällen nicht zu Stande; obwohl man längst aetlich über die Frage klar geworden war, ob man nur in dunklen Nächten ohne Mondschein, oder auch in dunklen Mondscheinnächten die Gasflammen anzuzünden habe. Wenn man von Weimar, sei es irgendwo, heute spricht, so erwähnt man die unvergleichliche Schöpfung Carl Augusts und Goethe's: den Park. Er ist ein so integrirender Theil, daß wir ihn hier nicht unbeachtet lassen können. Die Geschichte dieser großartigen Schöpfung liegt bis zu dieser Stunde im Argen. Daher für jetzt nur einige Andeutungen der Entwickelung, weil sie zum Weimarischen Bilde gehören: denn Weimar ohne Park ist eben nicht Weimar. Wir wissen aus Goethe's Louisenfest, daß das Borkenhäuschen oder Kloster, welches ein Werk von 3 Tagen war, für die Gründung des Parks den Anlaß gab, dessen Entstehung die Weimarische Bevölkerung nicht ahnen konnte, weil die unwegsamen Partien der heutigen Anlagen Niemanden zum Lustwandeln ein¬ luden. Man nennt ja bis heute noch jene sich lang dahinziehende Felspartie „die kalte Küche", ein unwirthlicher Ort, den damals reiche Dornensträucher zierten. Ueber dieser Gegend lag der welsche Garten, der im Beginn der klassischen Periode südlich schon hinter dem Tempelherrnhause durch eine Mauer abgesperrt war. Das Stück Landes bis zur Marienstraße und bis an die Ackerwand, die ihren Namen von den dort stehenden Ackergeräthen des Bor¬ werks erhielt, war der öffentliche Garten Weimars. Ihn zierten Springbrunnen, Statuen, Nondels, einige Lauben neben dem hervorragenden Schncckengebäude. das dadurch merkwürdig war, daß die entgegengesetzten Eingänge keine Be¬ gegnungen zuließen. Vom Besuch des Publicums konnte man im welschen Garten eigentlich nicht reden, namentlich finden wir, daß ältere Leute an die Gegend der Ilm wegen der Nixe nicht gern sich verstiegen, und Kinder, die sich am liebsten in der Esplanade bewegten, beim Betreten des welschen Gartens 3 Kreuzchen auf die Schuh — wenn sie solche trugen, zu machen pflegten, weil es angeblich darin spuke. Ohne Bild läßt sich in dieser Be¬ ziehung Weimars erste Parkanlage kaum beschreiben, und wir können uns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/15
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/15>, abgerufen am 02.10.2024.