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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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gaben kamen. Es handelte sich daher darum, den Schlüssel zu erhalten. Und
dieser mußte in den Händen der Madame Perregaux sein. Die Täfelchen
wurden einstweilen im Staatsschatz deponirt.

Die Heimlicher verlangten von den beiden Schultheißen Vollmacht, die
Madame Perregaux zu verhaften. Diese wurde ihnen verweigert mit der
Bemerkung: 1) ein Staatsverbrechen sei noch keineswegs festgestellt, 2) sei die
Perregaux nicht mehr Bernerin, sondern in Folge ihrer Heirath eine Fremde.
Die Heimlicher, voll Verdachts, die beiden Schultheißen, als Verwandte der
Perregaux. seien ihre Mitschuldigen, suchten sich daher auf andere Weise zu
helfen. In der Nacht vom 8. auf den 9. December drangen zwei Glieder
des täglichen und vier des großen Raths bewaffnet, in Begleitung der Stadt¬
wache, die Muskete auf der Achsel, die brennende Lunte in der Hand, in die
stille abgelegene Wohnung der Perregaux, sprengten die Thüre ihres Gemachs,
nahmen die kranke zum Tode erschrockene Frau sammt ihrem Söhnlein ge¬
fangen und schleppten sie im Nachtgewand in das Gefängniß für Staatsge¬
fangene in der "Insel". Sechzig Louisd'or und sämmtliche Papiere ihrer
Cassette nahmen sie in Beschlag, ja sogar einen Beutel mit neuen Spielmarken,
die sie ebenfalls für Gold hielten. In der "Insel" wurde das Fenster ihres
Kerkers gegen jedes Licht abgesperrt und sie mit einer großen und schweren
Kette an Händen und Füßen festgeschmiedet. Ihr Knabe fiel vor Entsetzen
in Ohnmacht. (Schluß folgt.)




Jas Herannahen der Aholera.

Vom Südosten unsres Erdtheils kommen jetzt Nachrichten, welche uns
zur Vorsicht gemahnen. Auf den alten Wegen, die bis ins Herz Europa's
führen, schleicht der unwillkommene asiatische Gast uns immer näher, schon
ist er in'Kiew, in zahlreichen Bessarabischen Städten, am schwarzen Meere und
an der Hand der großen Verkehrslinien wird er leicht, falls ihm nicht Ein¬
halt gethan wird, bis nach Deutschland vordringen. Der Verlauf der letzten
Choleraepidemie liefert uns den Beweis, daß wir nicht zu viel gesagt haben.
Da sie ganz genau in allen ihren Stadien verfolgt, von Ort zu Ort nach¬
gewiesen, jeder einzelne Verschleppungsfall nach Zeit und Art registrirt wurde,
so hat man sie auf einer höchst übersichtlichen Karte niederlegen können, die nebst
eingehendem Berichte von dem englischen Medicinalinspector John Nelken
Ratcliffe jetzt publicirt wurde.*)



") liovövt DiMsioll ok ekolerii, in ZZurops ^vim sollen HsäeM'ö. liexort marlo
to Ur. Simon, rnsäivÄl oMosi- ot' tue nrivz' vounvil c-to. I^olläou 1872.

gaben kamen. Es handelte sich daher darum, den Schlüssel zu erhalten. Und
dieser mußte in den Händen der Madame Perregaux sein. Die Täfelchen
wurden einstweilen im Staatsschatz deponirt.

Die Heimlicher verlangten von den beiden Schultheißen Vollmacht, die
Madame Perregaux zu verhaften. Diese wurde ihnen verweigert mit der
Bemerkung: 1) ein Staatsverbrechen sei noch keineswegs festgestellt, 2) sei die
Perregaux nicht mehr Bernerin, sondern in Folge ihrer Heirath eine Fremde.
Die Heimlicher, voll Verdachts, die beiden Schultheißen, als Verwandte der
Perregaux. seien ihre Mitschuldigen, suchten sich daher auf andere Weise zu
helfen. In der Nacht vom 8. auf den 9. December drangen zwei Glieder
des täglichen und vier des großen Raths bewaffnet, in Begleitung der Stadt¬
wache, die Muskete auf der Achsel, die brennende Lunte in der Hand, in die
stille abgelegene Wohnung der Perregaux, sprengten die Thüre ihres Gemachs,
nahmen die kranke zum Tode erschrockene Frau sammt ihrem Söhnlein ge¬
fangen und schleppten sie im Nachtgewand in das Gefängniß für Staatsge¬
fangene in der „Insel". Sechzig Louisd'or und sämmtliche Papiere ihrer
Cassette nahmen sie in Beschlag, ja sogar einen Beutel mit neuen Spielmarken,
die sie ebenfalls für Gold hielten. In der „Insel" wurde das Fenster ihres
Kerkers gegen jedes Licht abgesperrt und sie mit einer großen und schweren
Kette an Händen und Füßen festgeschmiedet. Ihr Knabe fiel vor Entsetzen
in Ohnmacht. (Schluß folgt.)




Jas Herannahen der Aholera.

Vom Südosten unsres Erdtheils kommen jetzt Nachrichten, welche uns
zur Vorsicht gemahnen. Auf den alten Wegen, die bis ins Herz Europa's
führen, schleicht der unwillkommene asiatische Gast uns immer näher, schon
ist er in'Kiew, in zahlreichen Bessarabischen Städten, am schwarzen Meere und
an der Hand der großen Verkehrslinien wird er leicht, falls ihm nicht Ein¬
halt gethan wird, bis nach Deutschland vordringen. Der Verlauf der letzten
Choleraepidemie liefert uns den Beweis, daß wir nicht zu viel gesagt haben.
Da sie ganz genau in allen ihren Stadien verfolgt, von Ort zu Ort nach¬
gewiesen, jeder einzelne Verschleppungsfall nach Zeit und Art registrirt wurde,
so hat man sie auf einer höchst übersichtlichen Karte niederlegen können, die nebst
eingehendem Berichte von dem englischen Medicinalinspector John Nelken
Ratcliffe jetzt publicirt wurde.*)



") liovövt DiMsioll ok ekolerii, in ZZurops ^vim sollen HsäeM'ö. liexort marlo
to Ur. Simon, rnsäivÄl oMosi- ot' tue nrivz' vounvil c-to. I^olläou 1872.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/140>, abgerufen am 22.12.2024.