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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Stelle Fürsprache einzulegen. Sie machte sich auf den Weg und wurde von
ihm aufs Beste aufgenommen und bei der Aebtissin von Chateau Chalons
Anna von Wattenwyl auf ihrem Schlosse "Sirop" eingeführt. Diese über¬
schüttete sie mit tausend Freundschaftsbezeigungen, erkundigte sich nach ihren
Familienverhältnissen und bedauerte, daß sie so weit von einander getrennt
leben müßten. Endlich machte man ihr die glänzendsten Versprechungen, wenn
sie in den Schooß der allein seligmachenden Kirche zurückkehre. 4000 Thaler
Pension sollten ihr zu Theil werden, und ihr Söhnlein zugleich mit dem
Dauphin, dem Kronprinzen von Frankreich, erzogen werden, so daß ihr und
ihres Sohnes Glück für alle Zeit gemacht wäre. Zuerst wies sie eine solche
Zumuthung mit Entschiedenheit zurück. Endlich um das lästige Drängen los
zu werden, ging sie zum Schein auf die gemachten Vorschläge ein, namentlich
nachdem auch ein Abbe Fueni von Freiburg ihr die Zusicherung einer Pension
von 4000 .Thaler und der Erziehung ihres Sohnes am französischen Hofe
schriftlich wiederholt hatte. Der Marquis d'Uziez. der Aebtissin Neffe, sollte
ihr Söhnlein insgeheim aus dem Vaterhause entführen: Perregaux werde
dann ihren Bitten, nach Frankreich auszuwandern, schon nachgeben. Die
Bedienten des Abts begleiteten sie bis an die Grenze. Aber zu Hause ange¬
langt, schrieb sie nach Beaume und Sirop, daß sie ihr Versprechen nur als
ein abgedrungenes betrachte, und traf die gehörige Vorsorge, daß die verab¬
redete Entführung nicht stattfinden könne, indem sie den Kleinen bei einer be¬
freundeten Dame in Pension gab.

Indessen, die glänzenden Offerten hatten doch gezündet. Und je älter ihr
Söhnchen ward, desto mehr beschäftigte sie der Gedanke, wie sie ihm eine glän¬
zende Erziehung und Zukunft eröffnen könnte.

Im Anfang 1689 erschien Ameive de la Haussaye als Gesandter Ludwigs XIV.
in der Schweiz. Ein Mann von gefälligen Formen und großer Mäßigung,
wußte er unter dem Anschein von Offenheit und Biederkeit die ganze Feinheit
des Diplomaten zu verbergen. Und es bedürfte allerdings eines äußerst ge¬
wandten Mannes, das damals Frankreich grollende Bern umzustimmen. Die Ver-
heerungder Pfalz, der Ueberfall Straßburgs. die Aufhebung des Edicts vonNantes
am 22. October 1585, in Folge dessen viele protestantische Flüchtlinge sich über
die evangelische Schweiz, namentlich die Waadt ergossen; die Mißhandlung der
Waldenser, die, auf Anstiften Ludwigs XIV. von Piemont aus ihren Hoch¬
thälern vertrieben, in Genf Zuflucht suchten, hatten den Haß gegen den Franken¬
könig aufs glühendste angefacht, so daß jeder Verkehr mit Frankreich in Bern
als Staats-und Hochverrath erschien. So war Bern für Ameive'ein schwerer
Boden, zumal zugleich mit ihm ein Gesandter Englands Thomas Coxe erschien,
um den evangelischen Ständen ein Schutz- und Trutzbündniß anzutragen.
Wer in solcher Lage dem Gesandten Frankreichs wünschbare Mittheilungen


Stelle Fürsprache einzulegen. Sie machte sich auf den Weg und wurde von
ihm aufs Beste aufgenommen und bei der Aebtissin von Chateau Chalons
Anna von Wattenwyl auf ihrem Schlosse „Sirop" eingeführt. Diese über¬
schüttete sie mit tausend Freundschaftsbezeigungen, erkundigte sich nach ihren
Familienverhältnissen und bedauerte, daß sie so weit von einander getrennt
leben müßten. Endlich machte man ihr die glänzendsten Versprechungen, wenn
sie in den Schooß der allein seligmachenden Kirche zurückkehre. 4000 Thaler
Pension sollten ihr zu Theil werden, und ihr Söhnlein zugleich mit dem
Dauphin, dem Kronprinzen von Frankreich, erzogen werden, so daß ihr und
ihres Sohnes Glück für alle Zeit gemacht wäre. Zuerst wies sie eine solche
Zumuthung mit Entschiedenheit zurück. Endlich um das lästige Drängen los
zu werden, ging sie zum Schein auf die gemachten Vorschläge ein, namentlich
nachdem auch ein Abbe Fueni von Freiburg ihr die Zusicherung einer Pension
von 4000 .Thaler und der Erziehung ihres Sohnes am französischen Hofe
schriftlich wiederholt hatte. Der Marquis d'Uziez. der Aebtissin Neffe, sollte
ihr Söhnlein insgeheim aus dem Vaterhause entführen: Perregaux werde
dann ihren Bitten, nach Frankreich auszuwandern, schon nachgeben. Die
Bedienten des Abts begleiteten sie bis an die Grenze. Aber zu Hause ange¬
langt, schrieb sie nach Beaume und Sirop, daß sie ihr Versprechen nur als
ein abgedrungenes betrachte, und traf die gehörige Vorsorge, daß die verab¬
redete Entführung nicht stattfinden könne, indem sie den Kleinen bei einer be¬
freundeten Dame in Pension gab.

Indessen, die glänzenden Offerten hatten doch gezündet. Und je älter ihr
Söhnchen ward, desto mehr beschäftigte sie der Gedanke, wie sie ihm eine glän¬
zende Erziehung und Zukunft eröffnen könnte.

Im Anfang 1689 erschien Ameive de la Haussaye als Gesandter Ludwigs XIV.
in der Schweiz. Ein Mann von gefälligen Formen und großer Mäßigung,
wußte er unter dem Anschein von Offenheit und Biederkeit die ganze Feinheit
des Diplomaten zu verbergen. Und es bedürfte allerdings eines äußerst ge¬
wandten Mannes, das damals Frankreich grollende Bern umzustimmen. Die Ver-
heerungder Pfalz, der Ueberfall Straßburgs. die Aufhebung des Edicts vonNantes
am 22. October 1585, in Folge dessen viele protestantische Flüchtlinge sich über
die evangelische Schweiz, namentlich die Waadt ergossen; die Mißhandlung der
Waldenser, die, auf Anstiften Ludwigs XIV. von Piemont aus ihren Hoch¬
thälern vertrieben, in Genf Zuflucht suchten, hatten den Haß gegen den Franken¬
könig aufs glühendste angefacht, so daß jeder Verkehr mit Frankreich in Bern
als Staats-und Hochverrath erschien. So war Bern für Ameive'ein schwerer
Boden, zumal zugleich mit ihm ein Gesandter Englands Thomas Coxe erschien,
um den evangelischen Ständen ein Schutz- und Trutzbündniß anzutragen.
Wer in solcher Lage dem Gesandten Frankreichs wünschbare Mittheilungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/136>, abgerufen am 22.07.2024.